Heerführer

Hallo Wissende,

gehe ich Recht in der Annahme, dass die Könige des Mittelalters (nehmen wir z.B. Otto der Großen oder Karl der Große) ihre Heere in ihren Schlachten selbst befehligten und sich an deren Spitze in den Kampf begaben? Wenn dem so gewesen wäre, dann hätten sie ja alle Gegner sofort angezogen (König gefallen - Schacht gewonnen), also mußten sie wohl eine schlagkräftige Leibgarde gehabt haben, die sie zwar beschützte aber wiederum vom Schlachtengeschehen isolierte.

Frage also: Wie haben die Könige des Mittelalters ihre Heere in den Schlachten angeführt bzw. ab wann standen sie abseits auf dem Feldherrnhügel und lenkten bzw. koordinierten sie die Einsätze ihrer Verbände?

Danke für Eure Antworten!

Wolfgang D.

Hallo Wolfgang,

Normalerweise kämpften die Heerführer des Mittelalters in der Schlacht mit. Eher weniger an der Spitze des Heeres, öfter im Zentrum, wo die Sicherheit noch am besten gegeben war.

Der Einfluss des Heerführers auf das Schlachtengeschehen nach Beginn der Kampfhandlungen war gleich null. Nachdem das aber auf der Gegenseite genauso war, blieben gezielte Vorstöße auf die Entourage des Königs Einzelfälle.

Einer der wenigen mittelalterliche Feldherren, der unbeteiligt vom Feldherrenhügel mit Meldereitern und Reserveeinheiten Schlachten zu lenken bestrebt war, war der Schwarze Prinz Eduard im 100-jährigen Krieg. Die französische Gegenseite hielt sich bei Poitiers an die ritterliche Maxime, die Schlacht nicht durch Strategie, sondern durch Tapferkeit zu gewinnen und kassierte eine katastrophale Niederlage. Bekanntlich geriet in dieser Schlacht auch der französische König Johann („der Gute“) durch einen Vorstoß der englischen Reserve in Gefangenschaft, obwohl er in seiner ihm völlig gleich gekleideten Leibwache gut getarnt war. Dummerweise hatte er im Getümmel seinen Helm verloren.

Den Umschwung vom mitkämpfenden Heerführer zum dirigierenden Feldherren dürfte man am Umschwung von den Ritter- zu den Landsknechtsheeren suchen. Wo nicht mehr gleichrangige Edle sondern gemeine Soldaten in den Kampf ziehen, war das Mitkämpfen einfach nicht mehr standesgemäß.

Gruß
Hardey

Hallo Hardey,

Den Umschwung vom mitkämpfenden Heerführer zum dirigierenden
Feldherren dürfte man am Umschwung von den Ritter- zu den
Landsknechtsheeren suchen. Wo nicht mehr gleichrangige Edle
sondern gemeine Soldaten in den Kampf ziehen, war das
Mitkämpfen einfach nicht mehr standesgemäß.

ich würde das mitkämpfen des Herrschers nicht unbedingt als eine absolute „Standesfrage“ sehen.

Es ist doch eher die Frage von welcher Position aus der Heerführer am besten in der Lage war, sein Heer in der Schlacht zu dirigieren. Mittendrin im Geschehen war dies ja nur begrenzt möglich und deshalb nur sinnvoll, wenn die Anzahl der Kämpfer aus heutiger Sicht, überschaubar war. Nicht wenige Schlachten sind deshalb verloren gegangen, weil der unterlegende Feldheer schlicht die Übersicht verloren hat.
Durch die Einnahme einer rückwärtigen Position, auf der er einen möglichst guten Überblick über das Schlachtfeld hatte, konnte er wesentlich besser seine Teileinheiten dirigieren und Reserveeinheiten zu den jeweiligen Schwerpunkten schicken.
Deshalb waren ja auch die Uniformen früherer Jahrhunderte so farbenfroh: Anders waren die verschienden Teileinheiten auf dem Schlachtfeld einfach nicht auseinander zu halten.

Bzgl. Wolfgangs Frage nach dem gezielten „Ausschalten“ des gegnerischen Heerführers während einer Schlacht, lässt sich nur Antworten, dass dies ja auch eher leichter gesagt ist als getan. Immerhin waren die Soldaten damals auch keine Selbstmörder und selbst in moderner Zeit tut man sich damit doch eher schwer.
Das flankieren (umgehen) einer gegnerischen Truppenaufstellung ist nach wie vor ein schwieriges, wenn auch sehr erfolgversprechendes Manöver. Wenn es einer Truppe gelingt dem Gegner in den Rücken zu fallen, ist die Schlacht eigentlich schon gelaufen. Da dies jedem Feldherrn bewusst ist, wird er alles unternehmen um dies zu verhindern.
Wenn es mir aber nicht gelingt den Gegner erfolgreich zu umgehen, komme ich auch nicht an den Feldherren ran und kann ihn dann auch nicht ausschalten.

Einen schönen Sonntag noch

Dein
Ebenezer

Hallo Ebenezer,

Den Umschwung vom mitkämpfenden Heerführer zum dirigierenden
Feldherren dürfte man am Umschwung von den Ritter- zu den
Landsknechtsheeren suchen. Wo nicht mehr gleichrangige Edle
sondern gemeine Soldaten in den Kampf ziehen, war das
Mitkämpfen einfach nicht mehr standesgemäß.

ich würde das mitkämpfen des Herrschers nicht unbedingt als
eine absolute „Standesfrage“ sehen.

Es ist doch eher die Frage von welcher Position aus der
Heerführer am besten in der Lage war, sein Heer in der
Schlacht zu dirigieren. Mittendrin im Geschehen war dies ja
nur begrenzt möglich und deshalb nur sinnvoll, wenn die Anzahl
der Kämpfer aus heutiger Sicht, überschaubar war. Nicht wenige
Schlachten sind deshalb verloren gegangen, weil der
unterlegende Feldheer schlicht die Übersicht verloren hat.
Durch die Einnahme einer rückwärtigen Position, auf der er
einen möglichst guten Überblick über das Schlachtfeld hatte,
konnte er wesentlich besser seine Teileinheiten dirigieren und
Reserveeinheiten zu den jeweiligen Schwerpunkten schicken.
Deshalb waren ja auch die Uniformen früherer Jahrhunderte so
farbenfroh: Anders waren die verschienden Teileinheiten auf
dem Schlachtfeld einfach nicht auseinander zu halten.

Auf einige Diskussionspunkte deines Beitrags würde ich gerne eingehen:

Ich wüsste nicht, dass es im Mittelalter Uniformen gegeben hätte. Zwar gab es die Weiße Kompanie John Hawkwoods in Italien oder die Ritter des Grünen Ritters Amadeus von Savoyen, aber dort war die Einheitlichkeit eher zeremonieller Art. Gut, und die Stadtwachen hatten häufig einheitliche Kleidung, aber die spielten auf Kriegszügen nie eine entscheidende Rolle. Richtige Uniformen gab es erst mit Einführung stehender Heere, aber da sind wir längst im 16. Jahrhundert.

Und zum zweiten:
Wüsstest du eine Schlacht des Mittelalters bzw. der frühen Neuzeit, bei der der Feldherr während des Schlachtverlaufs entscheidend auf das Schlachtgeschehen einwirken konnte?
Vielleicht mit tüchtig gutem Willen kann man ein paar finden. Hastings möglicherweise, vielleicht Pavia. Aber ich behaupte, dass im allgemmeinen ein mittelalterlicher Heerführer seine Truppen optimal aufzustellen versuchen konnte und dann nur beten und hoffen oder halt mitkämpfen konnte.

Gruß
Hardey

Hallo

Servus

Und zum zweiten:
Wüsstest du eine Schlacht des Mittelalters bzw. der frühen
Neuzeit, bei der der Feldherr während des Schlachtverlaufs
entscheidend auf das Schlachtgeschehen einwirken konnte?
Vielleicht mit tüchtig gutem Willen kann man ein paar finden.
Hastings möglicherweise, vielleicht Pavia. Aber ich behaupte,
dass im allgemmeinen ein mittelalterlicher Heerführer seine
Truppen optimal aufzustellen versuchen konnte und dann nur
beten und hoffen oder halt mitkämpfen konnte.

Achh da fallen mir schon einige ein. Battle of Stirling Bridge und später dann Falkirk. Oder so gut wie jede Schlacht in dieser Zeit.

Der Feldherr war vor allem für die Moral wichtig. Das wussten schon Alexander der Große oder auch Cäsar. Nur weil nicht immer exakt überliefert wurde, was genau passierte, darf man nicht glauben dass die Anführer nur Däumchen drehten. Ein Anführer der nicht bei seinen Männern kämpfte blieb nicht lange Anführer. Schau dir nur mal an wieviele Adelige in dieser Zeit nicht wirklich alt wurden sondern auf den diversen Schlachtfeldern Europas abgeschlachtet wurden.

Gruß
Hardey

Lg,
Penegrin

PS: Hier ein wirklich schönes Beispiel:

http://en.wikipedia.org/wiki/Battle_of_Muret

_Montfort divided his army into three squadrons, and then led them across the Garonne to meet the Aragonese forces. [King]Peter’s ally and brother-in-law, Count Raymond, advised a defensive posture in order to weaken the advancing enemy with bowshot and javelins. Peter rejected this suggestion as unknightly and dishonorable. King Peter rode to the front line, forsaking his royal armour for the plain armour of a common soldier. His army was disorderly and confused. When Montfort’s first squadron charged the field, the Aragonese cavalry was crushed and Peter himself was unhorsed. He cried out, „I am the king!“ but was killed regardless. With the realization that their king had been killed, the Aragonese forces broke in panic and fled, pursued by Montfort’s Crusaders. _

Hallo Peregrin,

ich habe irgendwie den Eindruck, dass ich missverstanden wurde. Natürlich kämpften viele Heerführer des Mittelalters tatkräftig mit. Deine Beispiele belegen das.

Jedoch behaupte ich: Es war einem Heerführer nicht möglich, Einfluss auf das Gesamtschlachtgeschehen zu nehmen und auf ungünstige Schlachtverläufe zu reagieren, wenn er in direkte Kämpfe verwickelt war.

Und ich frage: Bei welchen mittelalterlichen Schlachten hat ein Heerführer taktische Änderungen veranlasst, die nicht schon im Vorfeld festgelegt waren, als Reaktion auf günstige Gelegenheiten oder negative Schlachtentwicklungen?

Gruß H.

Hallo Peregrin,

ich habe irgendwie den Eindruck, dass ich missverstanden
wurde. Natürlich kämpften viele Heerführer des Mittelalters
tatkräftig mit. Deine Beispiele belegen das.

Jedoch behaupte ich: Es war einem Heerführer nicht möglich,
Einfluss auf das Gesamtschlachtgeschehen zu nehmen und auf
ungünstige Schlachtverläufe zu reagieren, wenn er in direkte
Kämpfe verwickelt war.

Und wie genau stellst du dir das vor? Die Feldherren planen die Schlacht und schauen dann zu was passiert? Wie soll das denn gehen? Und vor allem warum sollte irgendjemand so etwas tun??

Und ich frage: Bei welchen mittelalterlichen Schlachten hat
ein Heerführer taktische Änderungen veranlasst, die nicht
schon im Vorfeld festgelegt waren, als Reaktion auf günstige
Gelegenheiten oder negative Schlachtentwicklungen?

Bei so ziemlich jeder Schlacht ab einer gewissen Größe. Dafür gab es Melder, Flaggen und Hornsignale. Wie kommst du denn auf die Idee, dass die Leute damals sich einfach so ihrem Schicksal ergaben, nur weil die Schlacht nicht nach Plan verläuft? Natürlich gab es dabei Ausnahmen (wie etwa die Franzosen im 100jährigen Krieg). Und natürlich gab es gewisse Grundsätze und Automatismen in der Kriegsführung. So setzte man in der Regel Kavallerie erst ein wenn die eigene Infanterie einen Durchbruch erzwungen hat. Aber dass kein Plan die erste Feindberührung überlebt wusste man schon vor Moltke.

http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_battles_301%E2%…
Schau dir mal diese Liste durch und du wirst viele Beispiele finden, wo die Heerführer durch schnelles handeln den Sieg entweder davontrugen.

Gruß H.

Lg,
Christoph