Hefe: Industriegeschichte

Liebe Konsodalen,

als ich gestern darauf wartete, dass ein Gugelhupf reif für den Ofen würde, begegnete mir eine der „Fragen, die die Welt nicht braucht“:

Ist die standardisiert abgepackte Backhefe (die übrigens über weite Teile des XX. Jahrhunderts nicht „irgendwieviel Gramm“, sondern „um fünf Pfennig Hefe“ hieß und diesen Preis durch viele Höhen und Tiefen des Geldwertes lange Zeit ziemlich stur beibehalten hat) die älteste Form von industriell produzierten und zum Endverbrauch abgepackten Lebensmitteln?

Sie ist sicherlich älter als fertig abgepackte Butter und Margarine, wohl auch älter als Erbswurst und die anderen Extrakte und Konzentrate von Liebig und Maggi, und auch älter als die verschiedenen Formen von Kaffeersatz, die noch vor dem echten Kaffee vorabgepackt und unter Markennamen zu haben waren.

Gibts oder gab es in Deutschland ein vor dem Hefewürfel existierendes industriell produziertes und für Endverbraucher abgepacktes Lebensmittel?

Rätselt mit der Bitte um weitere Erleuchtung, so man hat

MM

Hallo Martin,

Ist die standardisiert abgepackte Backhefe (die übrigens über
weite Teile des XX. Jahrhunderts nicht „irgendwieviel Gramm“,
sondern „um fünf Pfennig Hefe“ hieß und diesen Preis durch
viele Höhen und Tiefen des Geldwertes lange Zeit ziemlich stur
beibehalten hat) die älteste Form von industriell produzierten
und zum Endverbrauch abgepackten Lebensmitteln?

vielleicht kannst Du mir kurz auf die Sprünge helfen: Seit wann wird denn Hefe so verkauft, wie Du es beschreibst?

Gruß,
Christian

Hallo Christian,

das weiß ich nicht genau. Mir ist sie als Angabe „ein Würfel“ in einem Kochbuch begegnet, welches von etwa 1860 stammte (dieses hab ich dann doch wieder zurückgelegt, als ich den Preis hörte…).

Also auch der Referenzzeitpunkt ziemlich verschwommen.

Schöne Grüße

MM

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Hallo nochmal,

das weiß ich nicht genau. Mir ist sie als Angabe „ein Würfel“
in einem Kochbuch begegnet, welches von etwa 1860 stammte
(dieses hab ich dann doch wieder zurückgelegt, als ich den
Preis hörte…).

dann biete ich 1839, als Franz Stollwerck mit der Produktion seiner Hustenbonbons begann: http://www.stollwerck.de/frameset/index1.php?content…

Gruß,
Christian

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hallo martin,
natürlich kann dir geholfen werden. ansich ganz einfach, für
1000 gr. weizenmehl benötigt man 42 gr. hefe, entspricht einem würfel. an diesem mass errechne die benötigte menge zum backen. du kannst aber auch durch sauerteig, beim verwenden von roggenprodukten, den lockerungsvorgang erreichen. wenn du mir den autor und titel deines kochbuches nennst, eventuell das rezept, errechne ich dir gerne die mengenvorgabe für die heutigen produkte.
einen schönen sonntag
dieter

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Servus Dieter,

um die Mengen gings mir nicht so sehr, sondern um die Geschichte von industriell hergestellten und für den Endverbraucher industriell verpackten Lebensmitteln in D.

Von meinem Vorschlag „Hefewürfel“ (ungenau, vermutlich vor 1860 in dieser Form hergestellt und in den Handel gebracht) sind wir über Liebig’s Fleischextrakt 1847 durch Christians Hinweis auf die Stollwerck’sche Schokolade 1839 gelangt.

Noch früher könnten industriell hergestellte Konserven liegen, die Konservendose wurde immerhin 1810 patentiert - allerdings stammt ihre industrielle Anwendung durch Schmalbach vom Ende des 19. Jahrhunderts.

Ab etwa 1860 ist in der Marken-Lebensmittelindustrie viel passiert: Die Maggi’sche Erbswurst stammt von 1884, Nestle’s Kindermehl von 1867.

Stollwerck ist bisher der älteste Hersteller von vorverpackten industriell hergestellten Lebensmitteln in unserer Sammlung.

Kann jemand toppen?

MM

Hallo, Martin,
so gar alt ist die industrielle Produktion von (Back-)Hefe offenbar noch gar nicht, wie sich hier nachlesen läßt: http://www.biohefe.de/hefe.html
Demnach wird Hefe seit ca 200 Jahren industriell hergestellt.
Etwa ebenso alt ist die Großmutter aller Tüensuppen, die Bouillon. http://www.dradio.de/dlr/sendungen/merkmal/244733/
Grüße
Eckard
(der als Kind sehr oft um für 5Pf Hefe geschickt wurde - besonders um die Weihnachtszeit!)

Liebe Konsodalen,

als ich gestern darauf wartete, dass ein Gugelhupf reif für
den Ofen würde, begegnete mir eine der „Fragen, die die Welt
nicht braucht“:

Ist die standardisiert abgepackte Backhefe (die übrigens über
weite Teile des XX. Jahrhunderts nicht „irgendwieviel Gramm“,
sondern „um fünf Pfennig Hefe“ hieß und diesen Preis durch
viele Höhen und Tiefen des Geldwertes lange Zeit ziemlich stur
beibehalten hat) die älteste Form von industriell produzierten
und zum Endverbrauch abgepackten Lebensmitteln?

Grüß’ Dich, Martin, alter Kermesbeerenzüchter!

Um hier nicht zu ausführlich werden zu müssen -

es gibt da ein sehr fundiertes Werk zu dem Dich interessierenden Thema:

Hans P. Mollenhauer: „Von Omas Küche zur Fertigpackung“ - Aus der Kinderstube der Lebensmittelindstrie.

Casimir Katz Verlag, Gernsbach 1988

ISBN: 3-925825-09-6 Buch anschauen

Falls Du es nicht über Deine Bibliothek bekommen kannst, maile mich an, ich werd’s Dir dann vertrauensvoll leihen!

Herzliche Grüße

Helmut

Hallo, Martin,

Gibts oder gab es in Deutschland ein vor dem Hefewürfel
existierendes industriell produziertes und für Endverbraucher
abgepacktes Lebensmittel?

mit einer „Timeline“ kann ich leider nicht dienen, aber hier müsste man doch Auskunft erhalten können:

http://www.verpackungsmuseum.de/Frame-de.html
http://www.alte-dosen.de/varia/kuecherer/kuecherer.htm

Vielleicht interessiert dich auch diese Seite:

http://www.rheinzabern.de/einrichtungen/sonderausste…

Gruß
Kreszenz

Hallo beieinander,

das hat jetzt (bisher - alle noch dazu kommenden mögen sich gleichermaßen gemeint fühlen -) richtig Spaß gemacht:

Eine Recherche, die in dieser Weise nicht genausogut mit den gängigen Mitteln hätte stattfinden können, weil in jeder Antwort auch ein (dank der bisher unerreichten Konstruktion der menschlichen Synapsen-CPU) Einfall enthalten ist.

Die für mich überraschende Ergebnisse gefördert hat (insbesondere der Weg über Stollwerck zum Waaren-Automaten; auch die Entdeckung eines bislang unbekannten Verlages, schon der Name Casimir Katz klingt verlockend, auch der Hinweis auf ein leckeres Regennachmittagsziel in unmittelbarer Nachbarschaft - immer bloß Prinzhorn wird auch mal langweilig).

Die vom Hefewürfel her kommend ein Klischee zurechtgerückt hat: Nämlich die unmittelbare Verknüpfung von „Industrialisierung“ mit Bergbau, Stahl&Eisen, Textil und Anilinblau - die wohl in dieser Ausschließlichkeit nicht so gut funktioniert.

Die im Bezug auf den originären Hefewürfel noch eine Henne/Ei-Frage weiter gebracht hat: Nämlich diejenige nach quasi-industrieller Portionierung und Abpackung der Hefe, als diese noch Brauereinebenprodukt war, bevor sie lang nach dem Brühwürfel als eigenes Produkt auf den Markt trat.

Und die zuletzt allerdings mit dem Wermutstropfen versehen ist, dass wir James Krüss, dessen „Timm Thaler“ ich sehr liebe, beim literarischen Flunkern betreffend vorverpackte Markenmargarine erwischt haben.

Schöne Grüße

MM

Zea Pfennig Häff
Hallo Martin,

ganz so alt bin ich nun auch wieder nicht, aber ich glaube nicht, dass der
verpackte 42-Gramm-Würfel schon so alt ist. Industriell hergestellte Hefe gibt es
sicher schon lange – aber wo hat die Hausfrau denn ihren Bedarf gekauft? Na klar:
Beim Bäcker, allenfalls beim Kolonialwarenhändler, der eh’ alles vom großen
Ganzen schnitt, aus ihm schöpfte oder es teilte. Und so kann ich mich auch noch
an die Zeiten des „für fempf (später: zea) Pfennig Häff“ erinnern. Aber das waren
(zumindest in den Zeiten von „fempf“) nur grob würfelartige Gebilde, die die
Bäckerin oder der Kaufmann von einem großen Würfel (so 20 cm Kantenlänge)
abschnitten und in sorgsam mit dem Messer sehr klein zerteilte Pergamentbögen
einwickelte. Die Kleinwürfel-Hefe, fertig verpackt à 42 g, habe ich bei den Läden
in unserer Siedlung erst später gesehen. Und da war der Preis dann auch von 5 auf
10 Pfennig angestiegen.
Übrigens war bei uns in der Gegend der Hefeverbrauch höher als anderswo, da zu
allerlei Kuchen und Hefekränzen auch noch das „Hefeknöpfle“ (ein Riesen-Hefekloß
für die ganze Familie, gesimmert in einem großen Topf voll Salzwasser) für den
Sonntagsbraten kam (gut zu Schweineschmorbraten, ein Muss aber zu Hammelbraten –
braucht auf jeden Fall Unmengen von Soße).
Auch heutigen Tags muss ich um die Zeit der Kirchweihen und Jahresessen immer
unbedingt auf die Alb, wo es zu Bocks(=Ziegen)braten, Hammel- und Schweinebraten
mit Sauerkraut eben jenes Hefeknöpfle gibt (wird mit einem Faden in dicke
Scheiben geschnitten).
Da mir jetzt dermaßen der Geifer zusammenläuft, höre ich auf damit …

Grüße
vom Bolo

Ersatzkaffee: 1828 Franck + 1832 Knorr
Hallo Martin,

da hätt’ ich noch zwei Jahreszahlen vor der Stollwerck’schen:

Nach diesem Link war Napoleon schuld:
http://www.swr.de/kaffee-oder-tee/essen/kaffee/2004/…

und auch Knorr - wer hätte das gedacht? - begann die Firmenstory mit Ersatzkaffee:
http://www.knorr.co.at/knorr/default.pxml?kap=12&lan…

Gruß Gudrun