Hegel: Mensch = Natur und Geist
Hi,
es ist selten möglich, einen einzelnen Satz Hegels im gemeinten Sinn zu interpretieren (was ihn von keinem anderen Philosophen unterscheidet). Dieses Zitat:
Hegel meinte : "Daß der Mensch sich zu dem machen muss, was er
ist, dass er im Schweiße seines Angesichts sein Brot ißt,
hervorbringen muss, was er ist, das gehört zum Wesentlichen,
zum Ausgezeichneten des Menschen und hängt notwendig zusammen
mit der Erkenntnis des Guten und Bösen. "
findet sich in seiner Vorlesung zur Philosophie der Religion
ISBN 978-3518282175 Buch anschauen
und zwar im Dritten Teil („Die absolute Religion“), Kap. C.II.
„Die ewige Idee Gottes im Elemente des Bewußtseins und Vorstellens …“
Dort im Abschnitt 3. „Bestimmung des Menschen“ (S. 383 in der o.g. Ausgabe)
In diesem Zitat gibt Hegel lediglich den Mythos vom Garten Eden aus 1. Mose 2.4ff wieder - was du hoffentlich aus dem Zitat schon eh erkannt hast.
In Hegels Interpretation dieses israelitischen Mythos enthält dieser den Grundgedanken, daß der Mensch nicht nur Natur ist, sondern (im Gegensatz zum Tier) auch Geist: Diese Doppelbestimmtheit (die zu Hegels fundamentalen Gedanken seiner Realphilosophie zählt) findet er in dem Mythos darin wieder, daß der Gott dem Menschen (aus Erdboden - daher er ja haAdam heißt) den göttlichen Geist (haRuach) einhaucht.
Das führt zu dem Gedankengang, daß (im Gegensatz zum Tier, das in seiner Natürlichkeit vollkommen das schon ist, was es ist) die Natürlichkeit des Menschen gerade darin besteht, über diese hinauszugehen - also um das zu werden, was er ist. In Hegelscher Terminologie: um das „für sich“ zu werden, was er „an sich“ ist. In diesem Sinne schriebt er S. 274:
„[…] was gesagt worden, daß der Mensch nicht bleiben soll, wie er unmittelbar ist, er soll über seine Unmittelbarkeit hinausgehen; das ist der Begriff des Geistes. Dies Hinausgehen über seine Natürlichkeit, sein Ansichsein, ist, was zunächst die Entzweiung begründet […]. Diese Entzweiung ist ein Heraustreten aus dieser Natürlichkeit, Unmittelbarkeit […] die Natürlichkeit ist das Unmittelbare; weil es aber der Geist ist, so ist er in seiner Unmittelbarkeit das Heraustreten aus seiner Unmittelbarkeit, der Abfall von seiner Unmittelbarkeit, seinem Ansichsein.“
(Ich habe hier Ausdrücke weggelassen, die für diesen Zweck jetzt unverständlich wären.)
Und dieses über seine Natur (hegelisch gesagt: seine Unmittelbarkeit) Hinausgehen (= aus ihr Heraustreten) bezeichnet nicht nur Hegel als " Arbeit", sondern der Mythos selbst nennt es so: „Im Schweiße deine Gesichtes sollst du dein Brot essen …“ (1. Mose 3.19). Und an dieser Stelle kommt dein Zitat in Hegels Abhandlung.
Daß das eine Folge der „Erkenntnis (der Unterscheidung) von Gut und Böse“ ist, sieht er zunächst lediglich als eine Vorgabe dieses Mythos (→ die Frucht vom Baum der Erkenntnis). Ein paar Sätze später schreibt er:
„Es gibt zwei Güter für die Wünsche der Menschen; das eine ist, in ungestörtem Glück, in der Harmonie mit sich selbst und der äußeren Natur zu leben, und das Tier bleibt in dieser Einheit, der Mensch hat darüber hinauszugehen; der andere Wunsch ist etwa der, ewig zu leben. Nach diesen Wünschen ist diese Vorstellung gemacht. - Wenn wir dies näher betrachten, so zeigt es sich sogleich als eine nur kindliche Vorstellung.“ (Hervorhebung von mir.)
Er schätzt den Grundgedanken des Mythos aber dennoch sehr hoch, und zwar deshalb, weil er einen Widerspruch enthält. Und dies hängt mit der Vorgabe dieses „gut und böse“ zusammen. Das ist etwas komplizierter, hier wiederzugeben, dazu müßtest du den ganzen Abschnitt durcharbeiten (und deshalb ist das Zitat allein für sich genommen auch sinnlos und unverständlich).
Kurz gefaßt ist jedenfalls Folgendes gemeint: Der Mensch ist „böse“, wenn er nur in seiner Natürlichkeit bleibt. Er ist „gut“, wenn er seine Natürlichkit und seine Geistigkeit integriert. Dies aber ist die Realisierung eines Widerspruchs - und dies ist kein Sein, sondern ein Werden, und dieses Werden ist: Arbeit.
Vielleicht magst du ja sagen, in welchem Zusammenhang du auf dieses Zitat kamst?
Gruß
Metapher