Heidegger- lehnt er Technik ab?

Hallo Wissende,

ich wüsste gerne etwas zur Einstellung von Heidegger gegenüber der modernen Technik. Die Aussagen scheinen widersprüchlich- letztens hörte ich ein Interview von ihm selbst, in dem er sagte, dass er Technik keineswegs ablehnt; es gibt aber offensichtlich auch die gegenteilige Behauptung über diesen Punkt. Was ist nun richtig? Möglicherweise hat er ja in frühen Jahren anders gedacht- aus welchen Gründen auch immer.

Dann wüsste ich noch gerne, ob das Thema „Gelassenheit“ bei Heidegger etwas mit der Einstellung der Technik gegenüber zu tun hat oder ob das zwei völlig verschiedene Themen sind bei ihm (was ich mir nicht so ganz vorstellen kann, aber auch nicht belegen könnte).

Was versteht er unter „Gelassenheit“?

Viele Grüße

Hermann

Hallo Hermann,

Was ist nun richtig?

tja, das ist gar nicht so einfach zu beantworten, denn Heidegger versteht Technik nicht so, wie wir den Begriff normalerweise verstehen. Technik ist für ihn nicht bloße angewandte Wissenschaft, sondern er versteht darunter im antiken Sinn eine Fertigkeit des Herstellens (techne, poiesis). Heidegger wertet Technik eigentlich gar nicht (jedenfalls nicht im ethischen Sinn als gut oder schlecht), sondern er beschreibt sie, und zwar eben aus einer anderen Sicht als der, die wir normalerweise haben.

Technik ist kein „Mittel“, etwas herzustellen, sondern es ist die Weise des Herstellens selbst. Daraus folgt, dass die Technik nicht das Mittel ist, sondern der Zweck, nämlich das Herstellen von „Welt“, die sich nicht selbst reproduzieren kann (wie die Natur). Nur da, wo Technik als bloßes Mittel verstanden wird, entsteht eine für den Menschen schädliche Eigendynamik. Das geschieht insbesondere da, wo der (einzelne) Mensch, die Technik nicht mehr versteht und sich von ihr allzuviel abnehmen lässt und – das ist das eigentlich Manko – nicht mehr subjektiv autonom, sondern fremdbestimmt ist.

Was versteht er unter „Gelassenheit“?

Während das Thema „Technik“ bei Heidegger ein reines Nachkriegsthema ist, entdeckt er die Bedeutung der „Gelassenheit“ schon in seinen Hölderlin-Interpretationen der dreißiger Jahre – einen direkten Zusammenhang gibt es also nicht. Wohl aber gibt es einen indirekten Zusammenhang, denn Heidegger deutet „Gelassenheit“ als das Bestehenlassen von „Aufgegebenem“ – hier verstanden natürlich nicht als Aufgegebenes im Sinne einer noch zu erledigenden Aufgabe, sondern im Sinne eines So-Lassens (wie etwas ist), also so, wie man etwa ein verlorenes Schachspiel aufgibt.

Ist das hinreichend für deine Zwecke erläutert?

Herzliche Grüße

Thomas

Hallo Thomas,

die Antwort war zwar unbefriedigend, was aber höchstwahrscheinlich nicht an Dir liegt, sondern an der Frage, wie ich sie gestellt habe oder aber an deiner akademischen Weise, zu antworten- was weiß ich…

Gruß

Hermann

Hallo Hermann,

die Antwort war zwar unbefriedigend, was aber
höchstwahrscheinlich nicht an Dir liegt, sondern an der Frage,
wie ich sie gestellt habe oder aber an deiner akademischen
Weise, zu antworten- was weiß ich…

entschuldige bitte, wenn ich dich (wieder?) verärgert haben sollte, aber Heidegger ist dafür bekannt, sogar beinahe berüchtigt, die Dinge anders zu sehen als wir Normalos (manche nennen das dann „akademisch“). Wenn du erlaubst, versuche ich noch einmal den Kern ganz einfach zu formulieren.

Normalerweise denken wir, die Technik sei ein Mittel zum Zweck, also etwa produzieren wir Lampen, um Licht zu erzeugen, und Fernseher, um uns zu unterhalten. Heidegger dreht nun das Verhältnis von Zweck und Mittel um und sagt, die Technik ist nicht Mittel, sondern der Zweck selbst, nämlich eine Weise, wie der Mensch sich zur Natur verhält. Während nun in der Erzeugung von Licht ein eindeutiger Gewinn zu stecken scheint, ist das angesichts des Fernsehprogramms für den Fernseher nicht unbedingt zutreffend :smile: .

Heidegger würde aber weiter gehen und auch die Erfindung der Glühbirne zwar als nützlich ansehen, aber eben auch auf die Gefahren hinweisen, die in dieser grundlegenden Erfindung stecken: an erster Stelle wohl die Entfremdung des Menschen von der Natur, vom natürlichen Rhythmus. Und er würde zwar sagen, dass die Erfindungen sinnvoll sind, aber er würde gleichzeitig behaupten, dass sie den Menschen von sich selbst entfernen, weil - seiner Meinung nach - der Mensch nur in der Natürlichkeit zu seinem eigenen Selbst finden kann.

Das ist jetzt etwas platt und überspitzt ausgedrückt, aber vielleicht nicht mehr so „akademisch“. :smile:

Herzliche Grüße

Thomas