Heidegger - Was soll bei ihm überhaupt die Metaphysik ?

Das Sein ist gemäss der Vorlesung „Was heisst Denken“ die ewige Wiederkunft des Gleichen (wie bei Nietzsche). Der Übermensch ist in Wahrheit der menschlichste Mensch, nicht der Supermensch. Er realisiert, dass alles wieder kommt, und regt sich deshalb über nichts mehr auf.

Was ist gemäss „Sein und Zeit“ (vor der „Kehre“) der Grund für das Sein? Wozu benötigt Heidegger den ganzen metaphysischen Vorbau, wenn seine abschliessende Erkenntnis nicht metaphysisch ist?

Weder vor noch nach der Kehre hat Heidegger einen „Grund“ für das Sein nennen können. Vorher nicht, weil er nicht das Sein, sondern das Da-Sein im Blick hatte, also die konkrete Existenz eines Seienden, das zu unterscheiden ist vom Sein, welches vom Seienden durch die ontologische Differenz getrennt ist Nach der Kehre reflektierte er zwar auf dieses Sein (angeregt durch Leibniz´ Frage „Warum ist überhaupt etwas und nicht nichts?“), kam aber zu dem Schluss, dass die Frage nach einem „Grund“ des Seins sinnlos ist, weil ein solcher Grund ebenfalls am Sein teilhätte, da ein Grund ohne Sein nicht sein kann. Also kann es keinen Grund für das Sein geben.

Die Frage ist, ob Heidegger überhaupt als Metaphysiker bezeichnet werden kann, da diese durch ihren Bezug auf das Transzendente charakterisiert ist, welches bei Heidegger keine Rolle spielt, auch wenn er es nicht strikt leugnent. Transzendenz ist für ihn lediglich der Bezug auf das Sein im Unterschied zum Seienden.

Transzendenz ist für ihn lediglich der Bezug auf das Sein im Unterschied zum Seienden.

Weshalb ich geneigt bin, die Lektüre von Heidegger als eine Art „philosophische Masturbation“ zu betrachten (Sie mögen verzeihen), in der der Höhepunkt ausbleibt, und die nicht zur Zeugung einer neuen Erkenntnis führt. Trotzdem kommt man, aufgrund des Genusses, schwerlich von ihr los.

Das ist zu hart geurteilt und insofern paradox, als Heidegger selbst alle Metaphysik vor ihm als fruchtlose Spekulation abgewertet hat, wofür du eine andere Formulierung findest (die ich aber nicht „verzeihe“, weil sie in einem philosophischen Diskurs nichts zu suchen hat).

Heidegger hat durchaus zu einer für den westlichen Kulturkreis wichtigen Erkenntnis gefunden, nämlich die Einsicht in die Uneigentlichkeit einer Weltsicht, die auf der Subjekt-Objekt-Spaltung beruht. Vor ihm waren es Fichte und Hegel (Deutscher Idealismus), die ein Absolutes als einen dieser Spaltung logisch vorgängigen Seinsmodus postulierten und sich dabei von antiker und mittelalterlicher Mystik inspirieren ließen. In Heidegger´scher Sprache entspricht das Sein diesem nondualen Absoluten und das Dasein und das Seiende dem Subjekt und den Objekten. Heidegger wirft den Metaphysikern vor, das absoluten Sein mit dem relativen Seienden zu verwechseln und ihm Eigenschaften (z.B. Göttlichkeit) zuzuschreiben, die aus ihm ein Objekt machen, welches es als Absolutes doch gar nicht sein kann.

Er nennt diese Art von Metaphysik auch „rationale Metaphysik“. Erst Kant konnte aufzeigen, dass die Ideen dieser Metaphysik logisch nicht haltbar sind, sondern nur als notwendige Postulate aufrechterhalten werden können: Die Freiheit des Willens, die Unsterblichkeit der Seele und ´Gott´. Der auf den Deutschen Idealismus folgende Positivismus und der neurotische Wertezertrümmerer Nietzsche entsorgten die Postulatsmetaphysik dann in die Rumpelkammer.

Der japanische Zen-Philosoph und Heidegger-Schüler Keiji Nishitani (siehe meine zweite Antwort im vorstehendem Thread) verband Heideggers nonduales Seinskonzept mit dem Leere-Begriffs des Zen-Buddhismus und rührte noch einen kräftige Prise Hegel hinein, woraus sich ein „Feld der Leere“ ergibt, das zugleich absolutes Sein und absolutes Nichts ist und in dem jedes Seiende einem anderen Seienden gegenüber als Herr (absolut) und als Knecht (nichts) auftritt. Relevant für die Frage der Transzendenz ist dabei, dass laut Nishitani dieses Feld der Leere (Heideggers Sein) nicht jenseits des Subjek-Objekt-Bewusstseins liegt, also nicht außerhalb davon, sondern dessen innersten Kern ausmacht, also das „wahre Gesicht“ des Menschen, wie es in der Zen-Sprache heißt. D.h. das Sein (die Leere des Zen) ist nicht transzendent, sondern das Immanenteste überhaupt.

Heidegger hat die Ebene des Seienden als das ‘Ontische’ verstanden, das als Objektivität einer sich selbst als absolut missverstehenden Subjektivität gegenübersteht. Nur auf dieser Ebene gelten für ihn die Kriterien der sprachlichen und formalen Logik und eines Wahrheitsbegriffs, der auf der scholastischen ‘adaequatio rei et intellectus’, der Übereinstimmung von Sachverhalt und Denken, beruht. Das Subjekt entsteht durch die ‘Lichtung’ eines Seins, das allem Denken und Schauen unhintergehbar vorausliegt; als Dasein bildet es wohl eine Einheit der Subjekt-Objekt-Polarität, ist aber innerhalb dieser Einheit im Zirkel der Selbstspaltung gefangen. So kann Sein für das den eigenen Ort missverstehende Subjekt nur als Seiendes erscheinen, als Resultat seines Verdinglichungsprozesses und als Adressat seines substantialisierenden Diskurses.

Ich halte Heidegger durchaus für einen grossen Denker, wenn ich mich auch in meiner praktisch-philosophischen Wahrheitssuche nicht von ihm unterstützt fühle, was ich mit der obigen Aussage humoristisch untermalen wollte.

Auch Karl Jaspers, der die Transzendenz als das „Umgreifende“ von Subjekt und Objekt sah, glaubte an eine Manifestierung dieser höheren Ebene in Raum und Zeit, die immer dann geschieht, wenn eine menschliche Handlung vom Bewusstsein ihrer Existenz geleitet wird.

Eine entsprechende Stelle gibt es auch in der von mir ursprünglich genannten Vorlesung „Was heisst Denken“. Heidegger legt dar, wie der von ihm betrachtete Baum auch ohne die Existenz eines denkenden Subjekts weiterhin existieren würde. Die Stelle sagte mir zunächst ausserordentlich zu.

Schlussendlich aber gibt es meiner Meinung nach keinen anderen Weg, als die einer schlichten Tatsache entsprechende und jederzeit leicht zu demonstrierende Subjekt/Objekt-Spaltung in unserer Welt zur Kenntnis zu nehmen und auf sie aufzubauen. Sie scheint nur deshalb so abstrakt zu sein, weil unser Verstand zu einem Denken ihres Anfangs und ihres Endes nicht ausreicht.