Heilige und Dogmen

Hallo,

inwieweit haben Aussagen oder Erlebnisse von „Heiligen“ das Gründen von Dogmen untermauert?

Gruß, Robin

Hallo Robin

Ein Beispiel: Lourdes. Die (nachmals heilig gesprochene) Heilige Schwester Bernadette, ein kleines Mädchen namens Bernadette Soubirous, erlebte in ihren Visionen eine Frau, welche ihr beim Erscheinen bekanntgab, wer sie sei, nachdem Bernadette sie danach gefragt hatte. Sie soll geantwortet haben „Sono la immaculada conceptiòn“, was zu jener Zeit als Sensation gewertet wurde, hatte doch Papst Pius IX. Pio Nono gerade im Jahr 1854 das Dogma von der Immaculata conceptio (Unbefleckten Empfängnis oder Empfängnis der Unbefleckten, d. h. Maria sei schon ohne Erbsünde im Schosse ihrer eigenen Mutter empfangen worden) verkündet, wobei schleierhaft blieb, ob dem jungen Mädchen damals die Wichtigkeit des Dogmas für die Kirche mit den dahinterstehenden alten theologischen Streitigkeiten bekannt sein konnte. Immerhin handelte es sich um ein 1000 Jahre altes Marienfest und einen etwa 800 Jahre alten Zwist darüber.

Mag sein, dass die Nonne oder Lehrschwester, welche die Mädchen damals unterrichtete, die Lehre von der Empfängnis Mariens als neu oder wichtig bezeichnet hatte, was das Mädchen dann veranlasst haben könnte, diesen Ausdruck in seiner Vision besonders deutlich zu vernehmen, während es ahnte, wer die Frau sei, da es von Marienerscheinungen möglicherweise gehört hatte, bzw. sie wenigstens bald einmal nach entsprechenden Worten ihrer Lehrer für Maria hielt.

Ganz belanglos ist die Geschichte auf keinen Fall. Immerhin hat die Quelle, welche Bernadette dann auf Befehl der Frau ausfindig machte, einige von der Kirche anerkannten Lourdes-Wunder bewirkt.

Die Lourdes-Geschichte beeinflusste in der Folge das knapp 100 Jahre später bekanntgegebene Dogma von der Leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel.

Mike

Hallo,

keine leichte Frage, ob es überhaupt einen Zusammenhang gibt, wage ich zu bezweifeln. Generell bezweifle ich die Existenz von sogenannten „Heiligen“. Was ist en Heiliger?

LG
Michael

Hallo,

größtenteils wohl eher umgekehrt. Irenäus wurde ja eher dafür heilig gesprochen, dass er dogmatische Arbeiten verfasst hat. Und der heilige Augustinus zählt ja eher zu den wichtigen Kirchenvätern weil er Dogmen in die Welt gesetzt hat als wegen seiner Lebensgeschichte. Aber natürlich wurde ja eine jede Heiligengeschichte entsprechend den jeweils gültigen Dogmen interpretiert und die Heiligen verloren mit dem Wechsel von Dogmen an Wichtigkeit oder gewannen, je nachdem, wohin die Sache gerade schwenkte. Da die Heiligen, von denen ja einige unzweifelhaft historische Persönlichkeiten waren (wenn man auch an den Geschichten im Detail zweifeln kann) aber immer auch Propagandamittel waren, ist da sicher so etwas wie ein Kreisschluß möglich. Zuerst wird Augustinus für wichtig erklärt weil er etwas gesagt hat, später ist genau das wichtig weil Augustinus es gesagt hat. Vergessen wir nicht, dass bei vielen Entscheidungen, auch Lehrentscheidungen, politische Tagesthemen für die Kirche ebenfalls eine Rolle spielten und je weiter man zurück geht, desto wesentlicher war dieser Punkt.

Gruß
Peter B.

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o.T. - Hinweis an Peter
Hallo Peter,
ich hatte Dir im Geschichtsbrett eine Frage gestellt. Möglicherweise hast Du Sie übersehen, da der Thread schon etwas nach unten gerutscht ist.

Freundliche Grüße,
Ralf

Was sind Heilige?
Zu den Heiligen tauchen gleich eine Menge Fragen auf:

  1. In der Hierarchie - wo stehen sie denn da genau?
  2. Gibt es Heilige auch in anderen Bekenntnissen? (z.B. Protestanten)
  3. Gibt es auch bei den Moslems Heilige?
    Alexander

Zu den Heiligen tauchen gleich eine Menge Fragen auf:

2. Gibt es Heilige auch in anderen Bekenntnissen? (z.B.
Protestanten)

Ja, auch die evangelische Kirche kennt „Heilige“ - allerdings versteht sie darunter etwas anderes als die katholische Kirche.

„Heilig“ wird ein Mensch dadurch, daß er im Glauben eine Beziehung zu Gott hat und sie auch lebt. „Heilige“ sind also zunächst Menschen, die als Christinnen und Christen ihren Glauben leben und sich zum Dreieinigen Gott bekennen. Unter der „Gemeinschaft der Heiligen“, von der im Glaubensbekenntnis gesprochen wird, versteht man folglich die Gemeinschaft aller Menschen, die im christlichen Glauben leben, unabhängig davon, in welcher Glaubensgemeinschaft oder Kirche sie das tun.

Daß es darunter immer wieder Menschen gibt, die ihren Glauben in besonderer Weise vorbildlich gelebt haben, wird auch in der evangelischen Kirche anerkannt. Allerdings gibt es dort keine Komissionen, die eine solche „besondere Heiligkeit“ feststellen und dann „verordnen“ oder anderweitig bestätigen würden. Vielmehr ergibt sich durch das Wirken eines Menschen diese besondere Stellung - wie z.B. bei Dietrich Bonhoeffer, Johann Hinrich Wichern oder Martin Luther, oder natürlich den „altbekannten“ Heiligen aus der Zeit der ersten Jahrhunderte.

Solche Heiligen sind Vorbilder für das eigene Leben, und sie können helfen, in schwierigen Situationen den Glauben zu bewahren. Sie werden aber in der evangelischen Kirche nicht angebetet. Gebete werden direkt an Gott (als Vater, Sohn oder Heiliger Geist) gerichtet. Eine „Vermittlung“ von Gebeten durch Heilige ("…bitte für uns!") ist nicht üblich. Auch die Vorstellung, daß die Heiligen selber helfend tätig würden („Heiliger Sankt …, hilf mir…“) kennt die evangelische Kirche nicht.

Gruß, Martinus…

P.S. Quelle - im Wesentlichen CA 21 (der 21. Artikel des Augsburger Bekenntnisses, in dem die Lutheraner 1530 ihre Glaubenslehre erstmals in Worte faßten):
„Vom Heiligendienst wird … gelehrt, daß man der Heiligen gedenken soll, damit wir unseren Glauben stärken, wenn wir sehen, … wie ihnen durch den Glauben geholfen worden ist; außerdem soll man sich an ihren guten Werken ein Beispiel nehmen… . Aus der Hl. Schrift kann man aber nicht beweisen, daß man die Heiligen anrufen oder Hilfe bei ihnen suchen soll.“

Die ganze CA findet sich zum Beispiel hier: http://www.ekd.de/bekenntnisse/augsburger_bekenntnis…

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