Hallo,
als ich im Geiste so die Bücher durchgegangen bin, die ich gelesen habe und die m. E. zu den bedeutenden Romanen der Weltliteratur gezählt werden können, ist mir aufgefallen dass dabei kein einziges heiteres Buch ist.
Bei den Dramen fielen mir schon ein paar ein, aber bei Romanen habe ich fast den Eindruck das Heiterkeit keine Weltgeltung zulässt.
auch auf die Gefahr hin, das damit wieder eine Diskussion über irgendeinen Literaturkanon angezettelt wird, hier ein paar Beispiele für Humor in der „Weltliteratur“, wobei für mich nicht die Form des Roman, sondern auch Anderes zählt (zB Novelle, Essays):
Petronius: Das Gastmahl des Trimalchio
M. de Cervantes: Don Quichotte
M. Twain: Fast alles
H. Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
H. Böll: Ende einer Dienstfahrt und viele kleine satirische Kurzgeschichten (Böll war ein Meister der Satire und der gepflegten Absurdität).
Kein Roman, ebenfalls von Queneau, aber nur für Fans von stilistisch-akrobatischen Purzelbäumen im Reich der Absurdität:
Exercices de Style, 1947, dt.: „Stilübungen“, Suhrkamp, Frankfurt ISBN 3-518-22053-5 Buch anschauen Die Anekdote „Autobus 5“ wird in 99 Varianten erzählt und dient dem Experimentieren Queneaus mit der französischen Sprache durch alle Stile, Slangs und Dialekte bis hin zur Lautschrift. Die Lektüre ist wegen der Sprach- und Lautspiele im französischen Original zu empfehlen, wenngleich die deutsche Übersetzung als geistig ebenbürtig gilt. (Die Übersetzung ist genial!) http://de.wikipedia.org/wiki/Raymond_Queneau
ich fürchte, an deiner Beobachtung ist etwas dran. Gerade im deutschsprachigen Bereich scheint es damit mager auszusehen.
Allerdings: Es gibt viele große Werke, in denen neben sehr ernsten Inhalten witzige/ ironische/ humorvolle Elemente vorkommen.
Z.B.:
Krieg und Frieden: Der Spott, mit denen manche Zeitgenossen gesehen werden (oder: an einer Stelle lässt ein misslauniger Graf einen mühevoll freigeschaufelten Weg erneut mit Schnee vollschütten, so dass die arme Dienerschaft nach der doppelten unsinnigen Arbeit den unliebsamen Gast auch noch umständlich darüber tragen muss)
Ansichten eines Clowns (Böll) ist im Traurigen an einigen Stellen auch sehr komisch (z.B. wenn der Protagonist erklärt, warum er leider bei einer wichtigen Erklärung seines Vaters ganz laut gähnen muss)
Nicht nur „Pnin“, auch „Lolita“ ist an einigen Stellen komisch (Z.B. wenn ein Mann eine ganze qualvolle Nacht statt in den erhofften Genuss eines sexuellen Vergnügens zu kommen nur Fahrstuhl- und WC-Geräusche anderer Gäste hört, um dann am Morgen von der minderjährigen Geliebten ganz direkt aufgefordert zu werden!)
Ich habe gelesen, dass Kafka beim Vorlesen seiner Werke (auch) gelacht haben soll, und auch hier ist ja immer wieder Verzweiflung und Komik sehr nah beieiander.
Die lustigen Erzählungen sind meistens Novellen oder Kürzeres. Ein Roman muss breiter sein. Und hast du mal einen wirklich witzigen Roman, wie den erwähnten Tristram Shandy, stellst du fest, es ist gar keiner.
Anders sieht es mit den Romanen aus, die gemeinhin dummerweise nicht der Weltliteratur zugerechnet werden, wie etwa der SF.
Nochn Tip fürs Suchen: südamerikanische Romane und verfilmte Romane.
als ich las, dass Du den Don Quijote mit Münchhausen und Till Eulenspiegel auf eine Stufe stellst, ihn gar als Erzählungssammlung bezeichnest, da blieb mir doch fast mein Hispanistenherz stehen.
Du kennst wahrscheinlich nur eine Fassung des Don Quijote, die sich auf die Wiedergabe seiner verschiedenen Abenteuer beschränkt, mit ein wenig erzählerischem Drumherum. Solche komprimierten Fassungen lassen ihn natürlich als Erzählungssammlung erscheinen.
Der echte Don Quijote ist ein zweiteiliger Roman, und jeder der beiden Bände ist recht voluminös. Lass mich aus einer spanischen Literaturgeschichte zitieren:
„Für uns ist es ausgemacht, dass der Don Quijote (…) die Geschichte des modernen Romans eröffnet, insofern er das Leben eines problematischen Helden erzählt, der mir seiner Zeit nicht ‚klarkommt‘ und insofern er zugleich über das Erzählen reflektiert.“
H.-J. Neuschäfer (ed), Spanische Literaturgeschichte, S.123
Geschätztester Leser,
natürlich darfst Du mir glauben, daß mir der „Ingenioso Hidalgo Don Quixote de la Mancha“ in seiner Originalgestalt geläufig ist, inklusive des „Segundo parte“ von Avellaneda, weswegen ich unter „Münchhausen“ und „Till Eulenspiegel“ auch „beide“ geschrieben habe…
Dank für Eure Mühe
Liebe Literaturologen,
vielen Dank für die vielen Hinweise. Weitere wären willkommen.
Immer noch überwiegt bei mir der Eindruck, dass wirklich heiteres gegenüber ernstem deutlich seltener ist.
Manches, was ihr hier nanntet, ist nach meinem Empfinden schon ziemlich abseitig, wenn auch oft nur im Sinne von kaum zu finden.
Aber ich habe nun doch wieder etwas Mut gefasst - nachdem mich schließlich „Schuld und Sühne“ der klassischen Weltliteratur völlig zu entfremden drohte.
natürlich darfst Du mir glauben, daß mir der „Ingenioso
Hidalgo Don Quixote de la Mancha“ in seiner Originalgestalt
geläufig ist, inklusive des „Segundo parte“ von Avellaneda,
weswegen ich unter „Münchhausen“ und „Till Eulenspiegel“ auch
„beide“ geschrieben habe…
dann ist Dir beim Schreiben Deines ersten Kommentars ein Missgeschick passiert, wahrscheinlich beim Kopieren des Artikels von Ann da Càva.
Dein erster Kommentar präsentiert sich nämlich so:
auch beides keine Romane, sondern Erzählungssammlungen
Das sieht doch nun wirklich so aus, als ob Du dich lediglich verzählt hättest, oder besonders den Quijote und den Eulenspiegel meinst, weil beide als Link dargestellt sind.
Nun, dann nehme ich meine durch das Missgeschick verursachte „Ehrenrettung“ wieder zurück.
Aber noch was: der angebliche zweite Teil des „Quijote“ von Avellaneda ist das Plagiat eines Trittbrettfahrers, wie man heute sagen würde. Wann dieses Plagiat entstanden ist, sagt Neuschäfer nicht in der erwähnten Literaturgeschichte.
Der wirkliche zweite Teil von Cervantes selbst erscheint 1605, und im zweiten Teil gibt Cervantes seinen Plagiator der Lächerlichkeit preis.
Im Studium habe ich mich durch beide Teile im Original gewühlt (ich habe eine längere Seminararbeit über das Werk geschrieben), lediglich die Orthographie war modernisiert.
Ich gestehe, dass ich manchmal die Nase voll hatte vom Nachschlagen in Wörterbüchern und nicht wenige Passagen in der Übersetzung „parallel“ zum Original gelesen habe.
Hallo Armin und Pit,
Heinrich Heine, dessen Urteil ich mich in diesem Fall gerne anschließe, stellt Cervantes immerhin neben Shakespeare und Goethe:
„Cervantes, Shakespeare und Goethe bilden das Dichtertriumvirat, das in den drei Gattungen poetischer Darstellung, im Epischen, Dramatischen und Lyrischen, das Höchste hervorgebracht.“
(http://www.heinrich-heine-denkmal.de/heine-texte/don…)
Leider gehört Cervantes’ großartiger Roman zu denen, die vor allem durch unsägliche gekürzte Bearbeitungen (womöglich noch „für die Jugend“) dem hiesigen Publikum bekannt sind. Wenn nicht gar nur noch durch die Verwurstung zum Musicallibretto.
Tippfehlerkorrektur + Ergänzung
Der zweite Teil des Quijote aus Cervantes’ Feder erschien 1615 und nicht 1605, wie ich heute nacht mit wohl zu müdem Geist schrieb (1605 ist das Erscheinungsjahr des ersten Teils).
Der plagiatorische zweite Teil von Alonso Fernández de Avellaneda erschien 1614. Der Name ist ein Pseudonym, die wirkliche Identität des Autors ist nicht geklärt.
Leider gehört Cervantes’ großartiger Roman zu denen, die vor
allem durch unsägliche gekürzte Bearbeitungen (womöglich noch
„für die Jugend“) dem hiesigen Publikum bekannt sind. Wenn
nicht gar nur noch durch die Verwurstung zum Musicallibretto.