Heitere Weltliteratur

Hallo,
als ich im Geiste so die Bücher durchgegangen bin, die ich gelesen habe und die m. E. zu den bedeutenden Romanen der Weltliteratur gezählt werden können, ist mir aufgefallen dass dabei kein einziges heiteres Buch ist.
Bei den Dramen fielen mir schon ein paar ein, aber bei Romanen habe ich fast den Eindruck das Heiterkeit keine Weltgeltung zulässt.

Kann mir jemand Gegenbeispiele liefern?

Gruß
Werner

Hallo,

auch auf die Gefahr hin, das damit wieder eine Diskussion über irgendeinen Literaturkanon angezettelt wird, hier ein paar Beispiele für Humor in der „Weltliteratur“, wobei für mich nicht die Form des Roman, sondern auch Anderes zählt (zB Novelle, Essays):

  • Petronius: Das Gastmahl des Trimalchio
  • M. de Cervantes: Don Quichotte
  • M. Twain: Fast alles
  • H. Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
  • H. Böll: Ende einer Dienstfahrt und viele kleine satirische Kurzgeschichten (Böll war ein Meister der Satire und der gepflegten Absurdität).

reicht das mal für den Anfang ?

Sterne, „Tristram Shandy“
Jean Paul
Rabelais „Gargantua“

Hallo,

was kennst du denn für Literatur *staun*

Kann mir jemand Gegenbeispiele liefern?

Klar :smile:

Orlando innamorato und
Orlando furioso
Ein Link zu beiden: http://de.wikipedia.org/wiki/Der_rasende_Roland

Don Quixote
Münchhausen
Till Eulenspiegel
Simplicissimus
Die Vagantendichtung
Der liebe Augustin

… um nur einige zu nennen.

Ach ja, da fällt mir gleich das Decameronund das Heptameronein.

Und unendlich mehr!

Gruß
Ann da Càva

Moin,

aus Spanien die Schelmenromane/novelas picarescas:
Anonym, Lazarillo de Tormes
http://de.wikipedia.org/wiki/Lazarillo_de_Tormes
Mateo Alemán, Guzmán de Alfarache
http://de.wikipedia.org/wiki/Mateo_Alem%C3%A1n#Deutsch
Francisco de Quevedo, Historia de la vida del Buscón
Es gibt verschiedene deutsche Übersetzungen. Ich kenne die von H.C. Artmann - zum Brüllen komisch
http://de.wikipedia.org/wiki/Francisco_de_Quevedo#De…

aus Frankreich:
Raymond Queneau, Zazie in der Metro / Zazie dans le métro
http://de.wikipedia.org/wiki/Zazie_in_der_Metro

Kein Roman, ebenfalls von Queneau, aber nur für Fans von stilistisch-akrobatischen Purzelbäumen im Reich der Absurdität:
Exercices de Style, 1947, dt.: „Stilübungen“, Suhrkamp, Frankfurt ISBN 3-518-22053-5 Buch anschauen
Die Anekdote „Autobus 5“ wird in 99 Varianten erzählt und dient dem Experimentieren Queneaus mit der französischen Sprache durch alle Stile, Slangs und Dialekte bis hin zur Lautschrift. Die Lektüre ist wegen der Sprach- und Lautspiele im französischen Original zu empfehlen, wenngleich die deutsche Übersetzung als geistig ebenbürtig gilt. (Die Übersetzung ist genial!)
http://de.wikipedia.org/wiki/Raymond_Queneau

Wer Online-Lesen mag: http://internettrash.com/users/murnau/queneau.htm
(ich frag mich, wieso das schon seit Jahren im Netz steht, trotz Copyright)

Pit

Hallo,

was kennst du denn für Literatur *staun*

Kann mir jemand Gegenbeispiele liefern?

Klar :smile:

Orlando innamorato und
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^
Orlando furioso

Ein Link zu beiden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Der_rasende_Roland^^

Hm… Epos, aber kein Roman (wenn man jetzt wirklich von der Ursprungsfrage nach Romanen ausgehen will)

Don Quixote

Münchhausen

Till Eulenspiegel

auch beides keine Romane, sondern Erzählungssammlungen

Simplicissimus

das ist ein Werk, bei dem einem das Lachen im Hals steckenbleibt…

Die Vagantendichtung

fällt unter Lyrik

Der liebe Augustin

… um nur einige zu nennen.

Ach ja, da fällt mir gleich das Decameronund das Heptameron
ein.

sind auch beides Novellensammlungen…

Und unendlich mehr!

Gruß

Ann da Càva

1 „Gefällt mir“

Hallo,

ich fürchte, an deiner Beobachtung ist etwas dran. Gerade im deutschsprachigen Bereich scheint es damit mager auszusehen.

Allerdings: Es gibt viele große Werke, in denen neben sehr ernsten Inhalten witzige/ ironische/ humorvolle Elemente vorkommen.

Z.B.:
Krieg und Frieden: Der Spott, mit denen manche Zeitgenossen gesehen werden (oder: an einer Stelle lässt ein misslauniger Graf einen mühevoll freigeschaufelten Weg erneut mit Schnee vollschütten, so dass die arme Dienerschaft nach der doppelten unsinnigen Arbeit den unliebsamen Gast auch noch umständlich darüber tragen muss)

Ansichten eines Clowns (Böll) ist im Traurigen an einigen Stellen auch sehr komisch (z.B. wenn der Protagonist erklärt, warum er leider bei einer wichtigen Erklärung seines Vaters ganz laut gähnen muss)

Nicht nur „Pnin“, auch „Lolita“ ist an einigen Stellen komisch (Z.B. wenn ein Mann eine ganze qualvolle Nacht statt in den erhofften Genuss eines sexuellen Vergnügens zu kommen nur Fahrstuhl- und WC-Geräusche anderer Gäste hört, um dann am Morgen von der minderjährigen Geliebten ganz direkt aufgefordert zu werden!)

Ich habe gelesen, dass Kafka beim Vorlesen seiner Werke (auch) gelacht haben soll, und auch hier ist ja immer wieder Verzweiflung und Komik sehr nah beieiander.

Gruß!
Karl

Die lustigen Erzählungen sind meistens Novellen oder Kürzeres. Ein Roman muss breiter sein. Und hast du mal einen wirklich witzigen Roman, wie den erwähnten Tristram Shandy, stellst du fest, es ist gar keiner.
Anders sieht es mit den Romanen aus, die gemeinhin dummerweise nicht der Weltliteratur zugerechnet werden, wie etwa der SF.
Nochn Tip fürs Suchen: südamerikanische Romane und verfilmte Romane.

Moin,

Kann mir jemand Gegenbeispiele liefern?

Der brave Soldat Schwejk von Jaroslav Hašek.

Gandalf

E.T.A. Hoffmann Lebensansichten des Katers Murr, Meister Floh, Klein Zaches genannt Zinnober, Der goldene Topf

Sangoma

Du hast natürlich recht. Ich war nicht so auf Roman fixiert, sondern auf Weltliteratur allgemein.

Gruß
Ann da Càva

Ehrenrettung des ‚Don Quixote‘
Hallo Armin,

als ich las, dass Du den Don Quijote mit Münchhausen und Till Eulenspiegel auf eine Stufe stellst, ihn gar als Erzählungssammlung bezeichnest, da blieb mir doch fast mein Hispanistenherz stehen.
Du kennst wahrscheinlich nur eine Fassung des Don Quijote, die sich auf die Wiedergabe seiner verschiedenen Abenteuer beschränkt, mit ein wenig erzählerischem Drumherum. Solche komprimierten Fassungen lassen ihn natürlich als Erzählungssammlung erscheinen.

Der echte Don Quijote ist ein zweiteiliger Roman, und jeder der beiden Bände ist recht voluminös. Lass mich aus einer spanischen Literaturgeschichte zitieren:
„Für uns ist es ausgemacht, dass der Don Quijote (…) die Geschichte des modernen Romans eröffnet, insofern er das Leben eines problematischen Helden erzählt, der mir seiner Zeit nicht ‚klarkommt‘ und insofern er zugleich über das Erzählen reflektiert.“
H.-J. Neuschäfer (ed), Spanische Literaturgeschichte, S.123

Grüße
Pit

2 „Gefällt mir“

Geschätztester Leser,
natürlich darfst Du mir glauben, daß mir der „Ingenioso Hidalgo Don Quixote de la Mancha“ in seiner Originalgestalt geläufig ist, inklusive des „Segundo parte“ von Avellaneda, weswegen ich unter „Münchhausen“ und „Till Eulenspiegel“ auch „beide“ geschrieben habe…

Dank für Eure Mühe
Liebe Literaturologen,
vielen Dank für die vielen Hinweise. Weitere wären willkommen.

Immer noch überwiegt bei mir der Eindruck, dass wirklich heiteres gegenüber ernstem deutlich seltener ist.
Manches, was ihr hier nanntet, ist nach meinem Empfinden schon ziemlich abseitig, wenn auch oft nur im Sinne von kaum zu finden.
Aber ich habe nun doch wieder etwas Mut gefasst - nachdem mich schließlich „Schuld und Sühne“ der klassischen Weltliteratur völlig zu entfremden drohte.

Gruß
Werner

Moin Armin,

wenn das so ist

natürlich darfst Du mir glauben, daß mir der „Ingenioso
Hidalgo Don Quixote de la Mancha“ in seiner Originalgestalt
geläufig ist, inklusive des „Segundo parte“ von Avellaneda,
weswegen ich unter „Münchhausen“ und „Till Eulenspiegel“ auch
„beide“ geschrieben habe…

dann ist Dir beim Schreiben Deines ersten Kommentars ein Missgeschick passiert, wahrscheinlich beim Kopieren des Artikels von Ann da Càva.

Dein erster Kommentar präsentiert sich nämlich so:

Don Quixote

Münchhausen

Till Eulenspiegel

auch beides keine Romane, sondern Erzählungssammlungen

Das sieht doch nun wirklich so aus, als ob Du dich lediglich verzählt hättest, oder besonders den Quijote und den Eulenspiegel meinst, weil beide als Link dargestellt sind.

Nun, dann nehme ich meine durch das Missgeschick verursachte „Ehrenrettung“ wieder zurück.
Aber noch was: der angebliche zweite Teil des „Quijote“ von Avellaneda ist das Plagiat eines Trittbrettfahrers, wie man heute sagen würde. Wann dieses Plagiat entstanden ist, sagt Neuschäfer nicht in der erwähnten Literaturgeschichte.
Der wirkliche zweite Teil von Cervantes selbst erscheint 1605, und im zweiten Teil gibt Cervantes seinen Plagiator der Lächerlichkeit preis.

Im Studium habe ich mich durch beide Teile im Original gewühlt (ich habe eine längere Seminararbeit über das Werk geschrieben), lediglich die Orthographie war modernisiert.
Ich gestehe, dass ich manchmal die Nase voll hatte vom Nachschlagen in Wörterbüchern und nicht wenige Passagen in der Übersetzung „parallel“ zum Original gelesen habe.

Grüße
Pit

Hallo Armin und Pit,
Heinrich Heine, dessen Urteil ich mich in diesem Fall gerne anschließe, stellt Cervantes immerhin neben Shakespeare und Goethe:

„Cervantes, Shakespeare und Goethe bilden das Dichtertriumvirat, das in den drei Gattungen poetischer Darstellung, im Epischen, Dramatischen und Lyrischen, das Höchste hervorgebracht.“
(http://www.heinrich-heine-denkmal.de/heine-texte/don…)

Leider gehört Cervantes’ großartiger Roman zu denen, die vor allem durch unsägliche gekürzte Bearbeitungen (womöglich noch „für die Jugend“) dem hiesigen Publikum bekannt sind. Wenn nicht gar nur noch durch die Verwurstung zum Musicallibretto.

Freundliche Grüße
Ralf

Tippfehlerkorrektur + Ergänzung
Der zweite Teil des Quijote aus Cervantes’ Feder erschien 1615 und nicht 1605, wie ich heute nacht mit wohl zu müdem Geist schrieb (1605 ist das Erscheinungsjahr des ersten Teils).
Der plagiatorische zweite Teil von Alonso Fernández de Avellaneda erschien 1614. Der Name ist ein Pseudonym, die wirkliche Identität des Autors ist nicht geklärt.

Leider gehört Cervantes’ großartiger Roman zu denen, die vor
allem durch unsägliche gekürzte Bearbeitungen (womöglich noch
„für die Jugend“) dem hiesigen Publikum bekannt sind. Wenn
nicht gar nur noch durch die Verwurstung zum Musicallibretto.

Man sollte den Roman in jedem Fall original lesen, aber gegen den „Man of La Mancha“ möchte ich nichts gesagt hören…
http://www.youtube.com/watch?v=YgIGfa0s1H8