Hermeneutik

Hallo,

bestimmte Fragen lassen sich nicht mit Bestimmtheit
beantworten. Beispielsweise ob eine „platonische“ Schrift
tatsächlich von Platon stammt oder „nur“ dem Kontext
seines Umfeldes und zeitgeistlichen „Duktus“.
Nun können Experten, die philologisch, historisch
und philosophisch gebildet sind, die Spreu vom Weizen
trennen. Unser Streitpunkt:

Ihr kennt sicher auch solche Typen, wie man sie auch
hier gerne findet, vom Schlage:

„Wenn man MIR(sic!) nicht zeigen kann, dass und warum es
so und so ist, dann ist es auch nicht stichhaltig.“

Also die Frage:

Inwieweit sind hermeneutische „Beweise“ anerkannt?
Wir streiten darüber, ob Hermeneutik eine
wissenschaftliche Methode darstellt, die Verifizierung
zulässt?
Oder zumindest eine intersubjektive Zustimmung.

Gruß
Susanne

Hallo,

bestimmte Fragen lassen sich nicht mit Bestimmtheit
beantworten. Beispielsweise ob eine „platonische“ Schrift
tatsächlich von Platon stammt oder „nur“ dem Kontext
seines Umfeldes und zeitgeistlichen „Duktus“.

auch solche Fragen lassen sich mit Bestimmtheit sagen, z. B. wenn die Zeugnisse der Zeitgenossen überwiegend übereinstimmen. Das ist zwar trivial, aber in einem solchen Fall handelt es sich ja nicht um Hermeneutik im Sinne von Textkritik, sondern um Protokollsätze.

Inwieweit sind hermeneutische „Beweise“ anerkannt?

Die Frage ist besser nach deiner dritten Frage zu beantworten.

Wir streiten darüber, ob Hermeneutik eine
wissenschaftliche Methode darstellt, die Verifizierung zulässt?

Verifizierung sicher nicht, jedenfalls nicht in jedem Fall. Ob man das „Wissenschaft“ nennt oder nicht, ist per definitionem nicht zu beantworten, denn „Wissenschaft“ wird verschieden definiert.

Oder zumindest eine intersubjektive Zustimmung.

Intersubjektivität stellt hier ja kein Problem dar. Man kann sich ja innerhalb einer Gruppe einigen, ganz egal, ob wissenschaftlich oder nicht. Im Fall der Einigung ist das Ergebnis eben „anerkannt“.

Hinter deiner Frage steckt aber noch ein tieferes Problem, nämlich dass manche Wissenschaften den Wissenschaftsbegriff für sich selbst beanspruchen, für andere Gebiete aber nicht anerkennen. Das hängt mit der Wissenschaftspyramide zusammen. Für Physiker z. B. sind u. U. nur physikalische Ergebnisse wissenschaftlich, also z. B. Ergebnisse von Biologen oder (gar) Psychologen oder (noch schlimmer) Philosophen :smile: nicht-wissenschaftlich, wenn sie den Wissenschaftsbegriff der Physik voraussetzen. Daher sind manche Psychologen darauf gekommen, dass sie vor allem physikalisch oder mindestens an das physikalische Ideal angelehnt arbeiten - und nur das dann noch als „Psychologie“ gelten lassen wollen, alle nicht im weitesten Sinn irgendwie physikalisch Beschreibbare allenfalls als „Vor-Psychologie“ gelten lassen.

Wieder zurück zur Hermeneutik:

Hermeneutik an sich wäre also in diesem Sinn keine „Wissenschaft“. Jetzt kann man sich noch darum streiten, was Hermeneutik dann sein könnte. Hermeneutik wäre dann Propädeutik, also eine methodische Entscheidung, die dem eigentlichen wissenschaftlichen Arbeiten vorausginge - wie etwa auch die Logik oder die Mathematik (in bestimmten Fällen).

Gruß

Bona

Hallo Bona,

herzlichen Dank für deine interessante Ausführung!
Muss erst ein wenig darüber nachdenken.

Liebe Grüße

Susanne

Hallo nochmal,

auch solche Fragen lassen sich mit Bestimmtheit sagen, z. B.
wenn die Zeugnisse der Zeitgenossen überwiegend
übereinstimmen. Das ist zwar trivial, aber in einem solchen
Fall handelt es sich ja nicht um Hermeneutik im Sinne von
Textkritik, sondern um Protokollsätze.

nein, aber um historische Texthermeneutik.

s. z.B. : http://www.springerlink.com/content/t7m425146187823u/

denn „Wissenschaft“ wird verschieden
definiert.

Das ist der springende Punkt!

Intersubjektivität stellt hier ja kein Problem dar.

Man kann

sich ja innerhalb einer Gruppe einigen,

nicht nur innerhalb einer Gruppe, sondern eher allgemein.
Beispielsweise, sind die große Mehrzahl der Wissenschaftler
darüber einig, dass die Urknalltheorie stimmt.

Hinter deiner Frage steckt aber noch ein tieferes Problem,
nämlich dass manche Wissenschaften den Wissenschaftsbegriff
für sich selbst beanspruchen, für andere Gebiete aber nicht
anerkennen.

Ganz genau!

Das hängt mit der Wissenschaftspyramide zusammen.

Für Physiker z. B. sind u. U. nur physikalische Ergebnisse
wissenschaftlich, also z. B. Ergebnisse von Biologen oder
(gar) Psychologen oder (noch schlimmer) Philosophen :smile:
nicht-wissenschaftlich, wenn sie den Wissenschaftsbegriff der
Physik voraussetzen.

Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Genau darum gehts!

Hermeneutik an sich wäre also in diesem Sinn keine
„Wissenschaft“. Jetzt kann man sich noch darum streiten, was
Hermeneutik dann sein könnte. Hermeneutik wäre dann
Propädeutik, also eine methodische Entscheidung, die dem
eigentlichen wissenschaftlichen Arbeiten vorausginge - wie
etwa auch die Logik oder die Mathematik (in bestimmten
Fällen).

Exakt Propädeutik! Das platonische Beispiel habe ich Kamlah/Lorenzen
entnommen! Von dort sind wir zur Hermeneutik gelangt!

http://www.springerlink.com/content/m097mv453h285403/

http://www.amazon.de/Logische-Prop%C3%A4deutik-Vorsc…

S. 119

Es ist leider etwas zu umfangreich und kompliziert, das
ganze Dilemma aufzuzeigen. Hoffentlich hast du jetzt
trotzdem einen kleinen Einblick gewonnen?

Mir hätten kontroverse Diskussionen gefallen, möglicher Weise
andere Sichtweisen als die meine!

Schade, dass das Forum nicht mehr hergibt, aber du bist klasse!

Gruß
Susanne

Hallo,

Es ist leider etwas zu umfangreich und kompliziert, das
ganze Dilemma aufzuzeigen. Hoffentlich hast du jetzt
trotzdem einen kleinen Einblick gewonnen?

ich? :smile:

Mir hätten kontroverse Diskussionen gefallen, möglicher Weise
andere Sichtweisen als die meine!
Schade, dass das Forum nicht mehr hergibt, aber du bist
klasse!

Es hat in diesem Forum schon Diskussionen darüber gegeben, die aber leider oft gescheitert sind. Das liegt daran, dass man schwer einsieht, dass man über das Ziel hinausgeschossen ist. Daran krankt nicht nur die „Psychologie“, sondern das ist auch ein Problem der Philosophie. Aber inzwischen macht die „Analytische Philosophie“ hier auch Rückzieher, es fragt sich nur, wie lange es dauert, bis man von diesen Übertreibungen weg ist und auch die analytische Philosophie ihren Platz in der Geschichte gibt, aber eben auch historisch, also in manchen Dingen überholt - trotz aller Leistungen.

Gruß

Bona

1 Like

Hallo nochmal zur Ergänzung,

Kamlah/Lorenzen

kenne ich. Dieser Standpunkt steht der analytischen Wissenschaftstheorie diametral gegenüber. Und selbstverständlich ist auch der Konstruktivismus von Kamlah und Lorenzen historisch zu sehen.

Es ist leider etwas zu umfangreich und kompliziert, das
ganze Dilemma aufzuzeigen.

Worum es mir eigentlich geht (und was ich aus Zeitgründen beim letzten Posting nicht gesagt habe): JEDE Methode hat „Abgründe“, also dunkle Punkte (oder wie immer man das nennen will), die immer erst aus historischer Perspektive in den Blick kommen. Das schadet aber ihrer begrenzten Anwendung nicht (sofern sie sinnvoll ist). Auch diese Relativierungen sind übertrieben worden (Paul Feyerabend). Das Wichtige ist meiner Ansicht nach, dass man vor lauter Begeisterung für die EINE Methode (nämlich die, die man gerade kennengelernt hat), andere Möglichkeiten außer Acht lässt bzw, GENERELL abwertet.

Gruß

Bona

1 Like

Hallo,

JEDE Methode hat „Abgründe“, also dunkle Punkte (oder wie
immer man das nennen will), die immer erst aus historischer Perspektive in den Blick kommen.

Yep, deshalb interessiere ich mich für kontroverse
Standpunkte!

Das Wichtige ist
meiner Ansicht nach, dass man vor lauter Begeisterung für die
EINE Methode (nämlich die, die man gerade kennengelernt hat),
andere Möglichkeiten außer Acht lässt bzw, GENERELL abwertet.

Und du siehst keine Methode, die vielleicht das Zeug hätte,
einen interdisziplinarisch, intersubjektiven Konsens zu
erzielen? Irgendwann?
Man kann schließlich nicht ALLE empirischen Fakten
in objektive mathematische oder logische Strickmuster
zwingen.

Gruß
Susanne

Hallo,

Es ist leider etwas zu umfangreich und kompliziert, das
ganze Dilemma aufzuzeigen. Hoffentlich hast du jetzt
trotzdem einen kleinen Einblick gewonnen?

ich? :smile:

ich meinte natürlich unseren Streit, die Ausgangsfrage! *gg*

wie lange es dauert, bis man von diesen Übertreibungen
weg ist und auch die analytische Philosophie ihren Platz in
der Geschichte gibt, aber eben auch
historisch, also in manchen Dingen überholt trotz aller Leistungen.

Bis die kritische Masse erreicht und die Zeit reif
für einen Paradigmenwechsel ist!

Aber das ist auch nur so eine stereotypische Binsenweisheit!

Jedenfalls nochmals danke für deine Mühe!

Liebe Grüße

Susanne

Hallo,

Und du siehst keine Methode, die vielleicht das Zeug hätte,
einen interdisziplinarisch, intersubjektiven Konsens zu
erzielen? Irgendwann?

nein, jedenfalls nicht in jeder Hinsicht. Das wäre einfach zuviel verlangt, denn Methoden richten sich ja gerade nach den Aufgaben und nicht umgekehrt.

Man kann schließlich nicht ALLE empirischen Fakten
in objektive mathematische oder logische Strickmuster
zwingen.

Aber genau das ist doch die Begründung dafür, dass es NIE mit EINER Methode gehen kann!

Gruß

Bona

Hallo,

Paradigmenwechsel

auch dann kann das alte Paradigma immer noch dienen - als schlechtes Beispiel oder als alternativer Anknüpfungspunkt etc.

Jedenfalls nochmals danke für deine Mühe!

Bitte schön!

Gruß

Bona

Hallo,

Man kann schließlich nicht ALLE empirischen Fakten
in objektive mathematische oder logische Strickmuster
zwingen.

Aber genau das ist doch die Begründung dafür, dass es NIE mit
EINER Methode gehen kann!

nur dass es mit DIESEN Methoden nicht geht.
Es besteht Bedarf an einer komplexeren Methode/n, auch
wenn diese bis dato noch unbekannt ist/sind.
Ergänzend oder die bestehenden involvierend.

Gruß
Susanne