Hallo!
Das ist ja ein hübsches Machwerk. Da werden altbekannte Tatsachen als neue Entdeckungen hingestellt, noch ein bisschen was dazu erfunden, falsche Zusammenhänge hergestellt und schon haben wir eine Revolution der Physiologie vor uns.
Nehmen wir mal den Artikel auseinander:
„Wusstest Du zum Beispiel, dass im Herzen eine neuronale Struktur angelegt ist, die der in unserem Gehirn ähnelt?“
Ja. Jeder Bio-Student weiß spätestens im 2. Semester, dass der Herzmuskel seine eigene Steuerzentrale enthält, die so komplex wie ein Nervensystem aufgebaut ist und weitgehend unabhängig vom Gehirn agiert. Das heißt aber nicht, dass es dem Gehirn ähnelt.
„Dass das Herz unsere Gehirnfunktionen beeinflusst? Dass vom Herz ein Magnetfeld ausgeht, dass 500-5000 Mal stärker ist als das unseres Gehirns?“
Das ist kaum überraschend, weil das Gehirn selbst kaum ein Magnetfeld erzeugt.
„Ein Magnetfeld, welches das Nervensystem anderer Menschen beeinflusst und noch mehrere Meter vom Körper entfernt messbar ist?“
Ob es „mehrere Meter“ entfernt noch messbar ist, weiß ich nicht. Aber dass es andere Menschen beeinflusst, wäre mir neu. Dann bräuchten wir nämlich irgendwelche Organe, die Magnetfelder aufspüren können. Und sowas haben vielleicht Brieftauben, aber bestimmt wir Menschen nicht.
„Das Herz scheint buchstäblich ein zweites Gehirn zu sein. Denn zum Erstaunen vieler Forscher enthält das hoch komplexe Nervensystem des Herzens etwa 40.000 Neuronen, …“
Was sind 40.000 Neuronen im Herzen verglichen mit etwa 20.000.000.000 Neuronen allein in der Großhirnrinde?
„Interessant ist dabei, dass das Herz-Gehirn offenbar völlig eigenständig „denkt“ - unabhängig von Gehirn und Nervensystem.“
Wie gesagt: Ein alter Hut.
„Dieses Herz-Feld pulsiert und sendet komplexe rhythmische Muster durch den ganzen Körper, …“
Ui, was ganz Neues! Seit Jahrzehnten verwenden die Mediziner das EKG. Endlich verstehen sie, wie es funktioniert.
_"Das Herz-Feld könnte damit das synchronisierende Signal für den ganzen Körper bereitstellen, auf das wir uns bewusst einstimmen können, um sozusagen in Harmonie mit dem Herzen zu schwingen.
Wenig überraschend ist es da, wenn die Forscher am Institue of Heart Math berichten, dass negative Emotionen ein sehr gestörtes rhythmisches Muster hervorrufen, während, Liebe, Freude und andere positive Emotionen sehr harmonische und gleichmäßige Felder erzeugen, wie man anhand von einer Spektralanalyse des Herz-Feldes nachweisen konnte."_
Mir ist nicht klar, wie man „Felder“ einer Spektralanalyse unterziehen will. Das macht man üblicherweise mit Strahlung. Die Begriffe „Feld“ und „Strahlung“ mögen zwar für Laien ähnlich klingen, bedeuten in der Physik aber unterschiedliche Dinge. Mit viel Wohlwollen könnte man vermuten, dass der Autor eine Fourier-Analyse der Wechselfelder meinte. Das geht aber aus dem Artikel nicht hervor.
Aber davon ganz abgesehen: Hier wird einfach Ursache und Wirkung vertauscht: Der Autor behauptet, dass das Herz (und nicht das Gehirn) den emotionalen Zustand eines Menschen steuert, was man ja auch an den veränderten Herzfeldern sehen könne. In Wirklichkeit werden die Emotionen durch das Gehirn gesteuert, und dass das Herz darauf reagiert, ist selbstverständlich, denn schließlich gibt es ja über das vegetative Nervensystem eine „Standleitung“ vom Gehirn zum Herzen.
„Welche Bedeutung hat das für unsere Beziehungen? Schließlich wurde nun schon mehrfach nachgewiesen, dass sich auch die Gehirne von Menschen während eines tiefen Gesprächs soweit synchronisieren, bis die Gehirnwellen völlig identische und deckungsgleiche Muster aufweisen.“
Diese Behauptung klingt so fantastisch, dass ich sie ohne Literaturbeleg einfach für eine Lüge halte. Und alles was danach kommt ist daher nicht der Rede wert.
Der Artikel ist typische esoterische Propaganda: Durch fachmännisch wirkende Halbwahrheiten und Gemeinplätze (reißerisch neu verpackt, versteht sich), wird versucht, eine Aura der Seriosität aufzubauen, um den allergrößten Schwachsinn besser unter die Leute bringen zu können.
Michael