Herzdruck bei Wetterwechsel

Ich stelle mir grade vor, welche Ansprüche Du an einen Arzt stellst, der schwerst Alkoholkranke beim Entzug betreuen soll…

Du meinst, dass sie lästigerweise mit evidenzbasierter Medizin ankommen. Die meisten Menschen haben von Wetter weniger Ahnung als eine Kuh vom Eierlegen. Warmfront, Kaltfront, Luftdruck - alles böhmische Dörfer. Über das, was Wettervorhersage und Wetterstation von sich hinsichtlich Sonne, Wolken und Regen geben, geht das Verständnis in der Regel nicht hinaus und so kommt es dann auch zu Erkenntnissen wie der wetterbeeinflussenden Wirkung eines Tümpels wie dem Rhein oder eines Hügels von 300 Metern Höhe.

Gerade bei einer Wetterlage wie der aktuellen ändert sich insbesondere der Luftdruck mitunter im Halbtagesrhythmus ganz erheblich, während er sich bei anderen Wetterlagen über Tage hinweg gar nicht ändert. Ich kenne auch so ein paar Spezialisten, die am Ende einer längeren Hochdruckphase über ihre Narben und Knieverletzung philosophieren, während sie sich vom täglichen Wechsel von Tief- und Hochdruckbereichen wenige Wochen zuvor zu keinerlei Bemerkungen hinreißen ließen.

Aber ich muss einräumen, dass Deine Geschichte über Aneurysmen das vorstehende tatsächlich um Längen überbietet.

Bei allen richtigen Anmerkungen über Evidenz, Korrelation und Kausalität - die ursprüngliche Frage war doch: „bei bestimmten Wetterlagen habe ich ein Druckgefühl in der Brust. Kann das ein Warnzeichen eines Infarkts sein“.
Da ist es erstmal nebensächlich, ob Wetter und Empfinden korrelieren oder kausal zusammenhängen.
Patienten mit Erkrankungen der Herzkranzgefäße reagieren empfindlicher auf äußere Einflüsse, und größere Temperaturwechsel oder Schwüle beispielsweise können mit solchen Missempfindungen einher gehen.

Die richtige Antwort war „den Kardiologen fragen, EKG machen lassen und Blut untersuchen“.

Der Rest geht an der Frage vorbei.

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Ich möchte auch noch mal auf die Evidenz kommen: natürlich kenn der Arzt dieses Phänomen. Es gibt Veröffentlichungen, die es beschreiben und recht genaue Betroffenenzahlen nennen. Das klingt doch gut!

Nun muss man sich aber mal die Veröffentlichungen und deren Datenbasis ansehen. Ja, man hat mit sehr hohen Probandenzahlen gearbeitet. Allerdings wurden diese nur nach ihren Empfindungen gefragt.

In der evidenzbasierten Medizin kenn man viele Abstufungen von klinischen Untersuchungen:

  • subjektive Einzelfallberichte haben die geringste Beweiskraft (mein Nachbar nimmt Arnika D12 und hat sich seitdem nicht wieder in den Finger geschnitten)
  • eine Zusammenfassung von subjektiven Berichten schafft eine breitere Basis, ist aber immer noch kein echter Nachweis
  • Provokationsstudien, bei denen die angeblichen Ursachen der Störung des Wohlbefindens bewusst herbei geführt werden
  • doppelt verblindete, placebokontrollierte Provokationsstudien, bei Medikamententests zusätzlich Vergleich zu bekannten, bewährten Medikament

Wie schon geschrieben, beruhen die Veröffentlichungen auf Befragungen von insgesamt einigen Tausend Menschen. Allerdings kann man damit nur nachweisen, dass einige Menschen von sich behaupten, Beschwerden zu haben, die mit dem Wetter in Zusammenhang stehen. Ein echter Nachweis des Zusammenhangs ist das noch nicht.

Wie könnte ein solcher Beweis aussehen? Man sperrt Probanden in eine Klimakammer, in der sich über Tage Wetterumschwünge simulieren lassen. Oder man sperrt sie wenigstens in einen Raum, in dem das Wetter von außen „Zugang“ hat, aber die Probanden das Wetter nicht sehen können. Alle, zum Beispiel, 6 h notieren sie auf einem standardisierten Fragebogen ihr Befinden in Bezug auf verschieden Dinge, von denen Probanden in Befragungen über Probleme klagten. Die befragenden Ärzte sind natürlich ebenfalls vom Wissen über das Wetter abgetrennt, um die Probanden nicht zu beeinflussen. Eine Klimakammer hätte den Vorteil, dass man vorher festlegen kann, ob, wann und in welcher Stärke sich das künstliche Wetter ändert.

Im Anschluss führt man die Daten des Befindens mit denen des Wetters zusammen und könnte eine Korrelation erkennen oder auch nicht. Wenn es eine hohe statistische Signifikanz gibt, kann man als Hypothese tatsächlich eine Kausalität zwischen Wetter und Befinden formulieren.

Eine zweite parallele oder auch folgende Studie könnte nach den kausalen Zusammenhängen suchen. Was macht das Wetter mit dem Körper, dass Probanden Kopfschmerzen bei sehr schnellem Wechsel von Hoch- zu Tiefdruck bekommen? Oder was massiert im Bewegungsapparat, dass Menschen drei Tage vor einer Regenfront ein „Reißen“ in den Muskelansätzen spüren?

So lange es solche Studien nicht gibt, die Faktenlage über kausale Zusammenhänge sehr dünn ist, muss man leider davon ausgehen, dass die Beschwerden einen starken psychosomatischen Faktor haben. Das ist nicht schlimm. Die Effekte des Placebo und Nocebo gehören auch zu den psychosomatischen Effekten, auch Erwartungseffekte genannt. Sie sind wissenschaftlich anerkannt, belegt und werden beim höchsten Grad von Studien bewusst in der Planung berücksichtigt, um sie später herausrechnen zu können. Es finden zum Teil sogar ganz bewusst Placebo-Behandlungen statt und zeigen Wirkung.

Also ja, Dein Arzt kennt Berichte über Wetterfühligkeit, Du kennst Wetterfühligkeit. Ob es allerdings einen kausalen Zusammenhang zwischen bestimmten Wetterlagen oder -änderungen gibt, kann derzeit niemand mit Sicherheit sagen.

Ja. Es kann. Das Wissen über Erwartungs-Effekte zeigt, dass der Glauben an eine Heilung zur Heilung führen kann und dass der Glauben an einen Schaden zu einem Schaden führen kann. Mit anderen Worten: allein Deine Angst vor einem Zusammenhang kann deinen Körper und Geist schon so weit belasten, dass die Wahrscheinlichkeit auf einen Infarkt steigt.

Das dürfte der wichtigste Rat sein. Schaue nicht zu sehr und zu oft auf die Wettervorhersage! Genieße einfach jeden Tag wie er kommt.

Osteopathie ist in der evidenzbasierten Medizin umstritten. Es gibt zu viele, zum Teil gegensätzliche Verfahren, sie als Osteopathie bezeichnet werden. Nur für sehr wenige Indikationen gibt es Wirknachweise. Auch hier sind wir wieder in der Rubrik der Erwartungs-Effekte. Wer mit einer positiven Haltung zur Ostheopatie zum Behandler geht, wird wahrscheinlich positive Effekte an seinem Körper bemerken und einen kausalen Zusammenhang herstellen, selbst wenn der strenggenommen nicht über Placebo hinaus geht…

Du wirst sicherlich wenigsten ein naturwissenschaftliches Fach nennen können, bei dem der Lehrstoff einer Universität nichts mit der Realität zu tun hat.

Aber bedenke bitte eines: gefühltes Wissen aka „Erfahrung“ oder „gesunder Menschenverstand“ einer oder mehrerer Einzelpersonen ist nicht das gleiche wie systematisch erworbenes und nachgewiesenes Wissen.

Und wie schon geschrieben: psychosomatische Effekte wird niemand leugnen. Man muss bei der Betrachtung von Störungen des Wohlbefindens und deren Heilung allerdings zwischen der Wahrnehmung der Betroffenen und einem systematischem Nachweis eines Wirkmechanismus unterscheiden. Das ist nichts bösartiges wie eine Unterstellung. Das ist nur die Anerkennung der Realität des komplexen menschlichen Körpers - es gibt weder den Geist allein, noch den Körper allein. Beides arbeitet stetig zusammen oder gegeneinander. :wink:

Gute Besserung und genieße das Leben
Pierre

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Danke für deinen Beitrag. Allerdings ist hier etwas falsch dargestellt: ich schaue nicht den Wetterbericht und erwarte dann, dass ich Beschwerden bekomme. Sondern: ich habe plötzlich heftige Beschwerden . Mit der Zeit erkennt man eine Regelmäßigkeit, nämlich dass diese Beschwerden immer im Frühjahr auftreten, bzw im Spätherbst. Es ist also keineswegs eine Erwartungshaltung sondern einfach eine Beobachtung. Im Sommer, also bei Hochdruck, habe ich diese Stiche und den Druck nicht.

Ich möchte aber noch etwas sagen, und meine Ausdrücklich nicht Dich damit:

Es ist eine Unverschämtheit, dass ich hier eine Frage stelle und um Rat oder Hilfe bettel und mir einige Spinner immer wieder in den Beitrag rein schmieren, dass es sowas nicht gibt. Ich habe heftige Probleme damit und bin auch in ärztlicher Behandlung. Immerhin gibt es manchmal Hausmittel, die Linderung bringen, auch wenn die Schulmedizin das im Moment nicht belegen kann. ich bitte deshalb darum, dass Herr C.punkt seine Meinung für sich behalten sollte, weil es mir nicht hilft. Ich gebe schon fast auf, dass mir hier jetzt nochmal jemand eine Möglichkeit schreibt, die ihm selbst hilft oder geholfen hat.

Hattest Du sie denn in den zurückliegenden 14 Tagen?

Nun ja, Wechsel im Luftdruck gibt es ja nicht nur Frühjahr und Spätherbst. Auch in den anderen 7 Monaten gibt es unregelmäßige „Wetterwechsel“. Du ahnst vielleicht, worauf ich hinaus will: was hältst Du von der Idee, ein „Wohlfühltagebuch“ zu führen. Und nur alle paar Monate einen Abgleich mit den historischen Daten des Wetters darüber zu legen.

Warum solch ein Aufwand? Wenn man einen genauen Zusammenhang zwischen bestimmten Wetterphänomenen und dem Wohlbefinden herstellen kann, kann man vielleicht gezielte Untersuchungen von Blutdruck, EKG und ähnlichem bei verschieden Zuständen vornehmen und im Anschluss gezielt Medikamente in Vorbereitung auf die Wetterphänomene nehmen.

Es dürfte nur wenige „Hausmittel“ mit einer nachgewiesenen Wirkung geben, deren Wirkung man nicht auch inzwischen erklären könnte. Wenn man aber noch nicht mal eine Wirkung belegen kann, dann ist wohl auch keine Wirkung vorhanden und dann ist auch an der postulierten Wirkweise nicht viel dran.

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Ja, das ist das, was ich mit

meinte.

Im Sommer ist Hochdruck bei uns nicht zwangsläufig häufiger als im Winter. In den letzten rund zwei Wochen gaben sich Tiefdruckgebiete über Deutschland die Klinke in die Hand.

Das, was Du abwertend als Schuldmedizin bezeichnest, ist das, was man unter evidenzbasierter Medizin versteht - also eine Medizin auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und nachgewiesener Wirksamkeit. Das Gegenstück dazu ist Hokuspokus, Scharlatanerie, Geisterheilung, Homöopathie, Glaube und Hoffnung.

Aber wie gesagt:

Es ist nicht mein Geld und nicht meine Gesundheit, daher soll es mir egal sein. Aber das, was Du hier schreibst

ist Dir gar nicht klar, wo tatsächlich die Zusammenhänge bestehen, obwohl Du das so eloquent behauptest:

Du widerlegst also Deine Behauptung, dass Luftdruck Deinen Gesundheitszustand beeinflusst, selbst:

Wir können also festhalten: es ist nicht der Luftdruck, sondern allenfalls die Jahreszeit. Darüber könnte man ja reden, wenn Du es denn wolltest.

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Nach den angegebenen Jahreszeiten könnte es sich, etwa in einer größeren Stadt in Tallage, tatsächlich um Wettereinflüsse handeln: Nämlich Inversionswetterlagen und die damit einhergehende schmutzige Luft, die nicht abziehen kann, sondern sich bleiern über die Asthmatiker der Stadt legt.

Daran ist dann aber nur bedingt „das Wetter“ schuld, und „Wetterfühligkeit“ ist das nicht, wenn man bei Smog nicht so recht Luft kriegt.

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völliges Off-Topic

Ich habe doch tatsächlich überlegt, wo die Gemeinde Tallage liegt (gesprochen [taˈlaːʒə]). Meine Frau kam angerannt, weil die Pfennige soviel Lärm machten, als der Groschen endlich viel: Tal-Lage…

Danke für das kleine Lächeln

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Zum Beispiel. Auch Gichterkrankungen, die ja eine sehr breite Symptomatik aufweisen können, können mit dem Wetter schwanken, aber eben nicht mit dem Luftdruck, sondern mit Temperatur und Feuchtigkeit - wie bspw. auch Herzerkrankungen. Wetterwechsel ist da aber eben auch nicht das Thema.

Ja, deshalb fragte ich hier um Rat…vielleicht sogar schon etwas länger. Praktisch, seit die Hitzewelle vorbei ist. Nächste Woche habe ich den Termin beim Kardiologen und einen Termin beim Physiotherapeuten.

Dieses Brennen oder Drücken ist einfach nervig und verunsichert mich total. Ich mache 3 Kreuze wenn es „nur vom BWS kommt“.
Ich habe bis Corona regelmäßig Fittness und vorher Body Building im Studio gemacht. Ich war immer sportlich aktiv. Umso mehr leide ich unter den jetzigen „Behinderungen“.

Ich würde gerne Voltaren o.ä. zum Einreiben nehmen, aber davon wurde mir Ausdrücklich abgeraten…verträgt sich nicht mit meinen Medis.
Ich verwende im Moment Grünlipp Muschel Salbe oder Arnika, aber diese Mittel helfen nicht wirklich - zumindest nicht so, wie früher Voltaren bei Schmerzen geholfen hat.

Deshalb richte ich die Frage eigentlich mehr an alle Herzinfarkt oder KHK Patienten, ob sie ähnliche Beschwerden kennen.