Hetzjagd in Chemnitz und seine Auswirkungen

Servus,

über die Vorkommnisse vor fast genau einem Jahr in Chemnitz wurde ja hier bei w-w-w und den Medien eifrig diskutiert. Mitten drin war auch ein gewisser Herr Maaßen, dessen genaue Rolle mir bis heute nicht ganz klar ist.

Gestern wurde das Ergebnis einer Recherche von mehreren Medien (NDR, WDR und SZ) zu den Vorfällen veröffentlicht:

Ausschreitungen in Chemnitz - Rechtsextreme wollten Migranten jagen

Gab es in Chemnitz rechtsextreme Hetzjagden auf Migranten? Darüber stritt vor einem Jahr nach dem Tod von Daniel H. und tagelangen Demonstrationen ganz Deutschland. Die Bundesregierung ging von solchen Jagden aus, der damalige Chef des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, widersprach.
Recherchen von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ zeigen nun, dass es doch starke Hinweise für gezielte Jagd auf Migranten gab - bereits am ersten Tag der Proteste.
[…]
Ein vertraulicher Bericht des Landeskriminalamtes Sachsen spricht nach Recherchen von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ nun davon, dass die Ausschreitungen von einer hohen Gewaltbereitschaft gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten, Personen mit tatsächlichem oder scheinbaren Migrationshintergrund, politischen Gegnern, und Journalisten geprägt gewesen seien.
[…]
In Chats, die offenbar von Handys bekannter Rechtsextremer aus dem Großraum Chemnitz stammen, finden sich zahlreiche Formulierungen und Dialoge, die sich als Verabredungen zu Gewalt gegen Migranten und Prahlereien über eine angeblich erfolgreiche „Jagd“ auf Ausländer deuten lassen. Die Chats würden „die tatsächliche Umsetzung von Gewaltstraftaten gegen Ausländer“ verdeutlichen, soll in dem LKA-Bericht zu lesen sein. Die Mehrheit der Chats stammt vom 26. und 28. August. Demnach hätten rechtsextreme Demonstrationsteilnehmer bereits vor Veröffentlichung des Videos und der Debatten selbst den Begriff „Jagd“ verwendet.
[…]
Einem Chatpartner soll er um 18:21 Uhr mitgeteilt haben, er wissen noch nicht, wie es weitergehe, und dass er keine Information habe „ob noch eine Jagd ist“.

Es scheint nun also tatsächlich zu Absprachen und tatsächlich durchgeführten Jagden auf Ausländer gekommen zu sein.
Erst vor ein paar Tagen hat Sachsens MP Kretschmer Maaßen vorgeworfen, durch seine damaligen Aussagen "die Debatte um die Ausschreitungen in Chemnitz verlängert und damit Sachsen geschadet zu haben“. Die AfD hatte damals ja auch die Bundesregierung scharf attackiert und versucht, die Vorkommnisse für sich zu instrumentalisieren.

Kann man davon ausgehen, dass diese neuen Erkenntisse Auswirkungen auf die Wahl am kommenden Sonntag haben wird?

Keineswegs.

Die Menschen, die eh schon zu rechtsextremen Ansichten tendieren, also die Wähler der AfD/NPD finden das meist sowieso in Ordnung und die, die es nicht in Ordnung finden halten das für ein Wahlkampfmanöver der „Systemmedien“.

So richtig zur Kenntnis nehmen werden es nur die, die ohnehin schon nicht rechtsextrem wählen.

Ziemlich schräg, das so pauschal gleich zu setzen. Differenzieren ist wohl nicht so deins? Es gibt eben nur zwei Farben, Schwarz und Weiß! Hurra! Aus Leuten wie dir wird eine funktionierende Demokratie genacht!

Sorry, aber bei solchem Verbalmüll muss ich einfach schimpfen.

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Es gibt durchaus Graustufen. Aber Menschen mit rechtsextremen Ansichten wählen halt NPD oder AfD. Was genau soll an der Aussage nicht ausreichend differenziert sein?

Tu ich deiner Meinung nach den Rechtsextremisten unrecht die stattdessen CDU wählen? Oder hätte ich hervorheben sollen, dass die NPD rechtsextremer ist als die AfD?

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Die NPD ist eine verfassungsfeindlicheb Partei, rassistisch, in der Tradition der NsDAP, .Die AFD ist eine Partei, die zwar meines Erachtens unzweifelhaft teilweise rechtsextreme und rassistische Flügel beheimatet, aber in sowhl nach meiner Auffasung als wohl auch nach Auffassung der verfassungsschützenden Bwhörden und auch nach bislang vorliehender Rechtsprechung der höchsten Bundesgericher in ihrer Gänze nicht dergestalt ist. Wenn du die Wähler der AFD pauschal mit den Wählern der NPD gleichsetzt, dann fehlt bei dir ein Gedankenschritt.

Teilweise ähnlich ist nich dasselbe wie identisch.

Guckstu Duden.

Freund-Feind-Schemata sind nicht immer hilfreich.

Ich bin absolut bei dir, dass die AFD keine wählbare Partei ist, aber mit der NPD würde ich sie nicht gleichsetzen.

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Wenn man dem ein „noch“ einfügt, könnte man dem zustimmen, aber das ist nur noch eine Frage der Zeit…

Mit den Vorraussagen ist das halt immer so ein bisschen schwierig. Wenn man mir 1995 gesagt hätte, dass 2019 irgendein Atomabkommen mit dem Iran Gegenstand internationaler Streitereien zwischen den Weltmächten werden würde, während sich gleichzeitig eine 16jährige Asperger-Autistitin emmissionsfrei über das Weltneer schippern läßt, dann ich denjenigen sicher als bescheuert bezeichnet.

Ich finde Greta übrigens absolut klasse. Meine Stimme für den Nobelpreis hätte sie. Und ihr sprödes Charisma finde ich absolut interessant, obwohl das bitte nur als unsachliche Nebenbermerkung gewertet werden sollte

Was du schreibst, könnte genauso für die NPD stimmen. Denn bislang ist es keine verbotene Partei, mithin gibt es in ihr verfassungsfeindliche Tendenzen, aber es ist eben keine in sich verfassungsfeindliche Partei.

Das Bundesverfassungsgericht hat das anders entschieden, aber trotz verfassungsfeinlicher Tendenzen ein Verbot nicht erlassen. Somit ist das leider falsch, was du schreibst. Verfassungsfeindlich ja, verboten nein. Widersprüche, mit denen ein Demokrat umgehen können muss.

Demokratie (und die damit verbundene Toleranz gegenüber Andersdenkenden) ist echt hammerhart, nur schwer zu ertragen, echt schwer.

Entschuldige bitte, ich sollte nicht so feinselig sein, aber ich konnte nicht anders SCNR!

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Danke, besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können. ramses90

Das finde ich keinen schlechten Witz, war es doch Kretschmer selbst in seiner Regierungserklärung, der die These „Klar ist: Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd und es gab keine Pogrome in dieser Stadt“ vorgebracht hat - vor Maaßens BILD-Interview am 06.09., wenn ich das richtig sehe.

Um deine Frage zu beantworten: Nein, das wird auf die Wahl keinen Einfluss haben.
Die Distanzierung von Maaßen zur völligen Unzeit dagegen, auf die nun auch Kretschmer eingeschwenkt ist, wird der CDU wohl eher ein paar Prozentpunkte kosten.

Gruß
F.

Er hat aber dunkle Mächte hinter dem Video vermutet, und das als Verfassungsschutzpräsident. Komischerweise hört man ja neuerdings auch von rechtsextremen Vorfällen im Staatsapparat, nachdem Maaßen zurückgetreten wurde. Auch der Ultra-Bot bei www ist seitdem verschwunden.

Da ein ähnliches Verfahren (Verbot betreffend) für die AfD noch nicht geführt wurde, kann man darüber spekulieren, zu welchem Ergebnis das Verfassungsgericht kommen würde.

Natürlich kann man wild wie man will spekulieren. Früher wurde auch immer wieder von spekulierenden Mitbürgern ein Verbot der Jusos gefordert, weil sie an der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes gezweifelt haben und damit im Widerspruch zur Verfassung standen, zumindestens galt das für Teile der Jugendorganisation. Wie du sehen kannst, ist es gute demokratische Kultur geblieben, Parteien und politische Organisationen nicht leichtfertig, insbesondere nicht der Stimmungslage der öffentlichen Meinung folgend, zu verbieten. Das Bundesverfassungsgericht war sich bislang da seiner Verantwortung sehr bewusst und hat das Instrument des Parteienverbotes nur mit der allerhöchsten Zurückhaltung genutzt. Ich halte das auch für richtig, denn in einer Demokratie sollen Wähler entscheiden, wer im Parlament sitzt, dies sollte nicht vorab durch Parteienverbote eingeschränkt werden.

Wenn die Partei darauf hinarbeitet, die Verfassung in wichtigen Teilen zu ändern, dann halte ich ein Verbot für überdenkenswert.

Es wird immer wieder darüber diskutiert, dass der politische Dialog in den letzten Jahren rechtsextremes Gedankengut salonfähiger gemacht hat, als das bislang der Fall war. Das halte ich für zutreffend. Aus diesem Grund sehe ich eine Einschränkung nicht als prinzipiell negativ, obwohl mir durchaus bewusst ist, dass dies ein Instrument ist, das mit Vorsicht anzuwenden ist.

Grüße
Siboniwe

Mit der allerhöchsten Vorsicht, denn das aktive und passive Wahlrecht ist eine der Säulen der Demokratie. Wer daran rüttelt, spielt mit dem Feuer.

Demokratien sind sehr leistungsfähig, denn durch den Wettbewerb der Parteien und Bewerber sind diese gezwungen, Ergebnisse zu liefern. Das gewünschte Ergebnis beinhaltet Wohlstand, Sicherheit (innere, äußere, soziale, ökologische), Stabilität, individuelle Freiheit und darüber hinaus vielleicht ein paar folkloristische Elemente. Demokratien schaffen es, dies besser zu gewährleisten, als Diktaturen, denn diese schränken insbesondere die individuelle Freihet stark ein und sind mangels Wettbewerb von Parteien, Bewerbern und mangels öffentlicher Kontrolle durch freie Medien auch oft in anderen Bereichen ineffizient, beispielsweise durch Korruption und Vetternwirtschaft und durch mangelnde Rechtssicherheit.

Somit ist Vorsicht geboten, wenn man das Wahlrecht einschränken möchte.

Das verursacht Stress, denn man muss irgendwelchen Arschlöchern im Fernsehen zuschauen und -hören, wie sie Müll erzählen, aber ohne diesen Stress funktioniert Demokratie eben nicht.

Welche Ergebnisse hat die AfD denn bisher geliefert?

Genau. Um mal Jan Böhmermann zu zitieren:

Für diese linksfaschistischen Volksverhetzer ist jeder ein NAZI!

Man muss differenzieren:

Hitler - rechtsradikal
Goebbels - rechtspopulistisch
Göring - national-sozial
Himmler - rechtsextrem
Speer - rechtsliberal
Hess - besorgt ums Vaterland
Eichmann - Verwaltungsangestelllter

Schon klar.
Ich wollte auf Kretschmers kurzes Gedächtnis hinweisen.

Dass Maaßen den Posten räumen musste, war einzig richtig und für die CDU auch sinnvoll.
Dass in den Wochen vor wichtigen Wahlen von der Parteispitze aus eine innerparteiliche Diskussion um ihn (stellvertretend für einen ganzen Parteiflügel) eröffnet wurde, war, naja, „linkisch“ :wink:

Zeitgleich mit dem Abstieg des HSV?

Gruß
F.

Der Aufstieg der AfD liegt wohl eher daran, dass die Parteien der Mitte nicht im gewünschten Maß geliefert haben. Viele Menschen scheinen eine gewisse Entfremdung zu spüren, insbesondere in den hochemotionalen Bereichen „Ersparnisse“ und „Sicherheit“ (hier entstand die AfD ja erst, aufgrund der gefühlten Bedrohung einer Vergemeinschaftung von Währung und Staatsschulden mit befüchteter Entwertung der Ersparnisse und der Kaufkraft der Inländer) und „kulturelle Identität“ (oft auch mit dem Thema innere Sicherheit vermischt).

Die Konzepte der AfD, insbesondere im Bereich der Sozial. und Wirtschaftspolitik, sind nach meinem Dafürhalten eher lächerlich, aber wer keine wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnisse hat, erkennt das nicht unbedingt gleich. „Die (Griechen, Asylbewerber, Italiener usw.) bekommen ohne eigene Leisiung das, was wir erwirtschaftet und aufgebaut haben, und uns werden dafür Leistungen vorenthalten“, so lautet meines Erachtens das gefühlte Empfinden vieler Menschen mit Affinität zur AfD.

Da die „etablierten“ Parteien diese Befindlichkeiten weitgehend ignoriert haben, werden sie an der Wahlurne abgestraft. Hauptschuld trifft meines Erachtens die CDU mit der Kanzlerin, die sich soweit in die Mitte (blöder Begriff, weil leider inhaltlich völlig beliebig) bewegt hat, dass rechts ein Vakuum entstanden ist. Diesen Raum hat die AfD ausgefüllt, und dem Anschein nach scheint sie sich dort festzusetzen. Früher hatte die CDU einen Alfred Dregger, heute hat die CDU nichts.

Mal schauen, wie die Landtagswahlen ausgehen.