Hi!
Man kann ja zu Münteferings „Heuschrecken-Diskussion“ stehen, wie man will, aber interessant ist es schon, was in den letzten Tagen so alles abgeht und irgendwie zu diesem Thema passt
Da kommt ein Hedgefond namens TCI aus der Deckung, und schwupp sind beim DAX-Unternehmen Deutsche Börse AG zwei Posten frei: die vom Chef (Werner Seifert) und die vom Aufsichtsratsvorsitzenden (Rolf Breuer).
Frisst da die Globalisierung etwa ihre eigenen Propagandisten?
Ganz nebenbei bemerkt: Werner Seiferts Vertrag wäre Mitte nächsten Jahres ohnehin ausgelaufen. Bei einem Jahressalär von 2,6 Millionen Euro und sonstigen Zuwendungen wie Aktienpapier, kostenlose Leistungen (Dienstwagen, Fahrer, etc. pp.) wäre wohl ein Betrag von 4 Millionen Euro zusammengekommen. Seiferts Abfindung beträgt 10 Millionen. Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt.
Ach ja. Rolf Breuer. Der war mal der Chef der Deutschen Bank. Und in Deutschland gibt es einen wirtschaftlichen Groß-Modul, der auf den schönen Rolf gar nicht gut zu sprechen ist: Leo Kirch. Denn nach Kirchs Auffassung trägt Breuer die Hauptverantwortung für die Pleite des Kirch-Imperiums. Weil Breuer ohne Not Kirch in die Zahlungsunfähikeit getrieben hat. So Kirch. Und so die Gerichtsurteile zugunsten Kirchs in zwei Instanzen.
Ortswechsel.
Das Mikrofon der ARD wird mehreren Menschen in der Londoner Innenstadt unter die Nase gehalten. Was denn die hiesige Finanzszene von der „Heuschrecken-Diskussion“ in Germany hält.
Natürlich nichts. Die Deutschen sehen immer alles so verbissen. Verkrampft. Ideologisiert. Kapitalismus ist doch gut. Weil es Erfolg bringt. Die Engländer machen es den Deutschen doch gerade mal wieder vor.
Ein paar Tage später.
Massenauflauf in Manchesters Innenstadt. Demonstranten schwenken Protestplakate. Verbrennen symbolisch eine Puppe. Drohen mit Boykott. Die nicht gerade zimperliche britische Presse titelt mit der Schlagzeile „Erdolcht!“. Was ist geschehen?
Der in London eben noch gelobte Kapitalismus hat in Manchester zugeschlagen. Eine „Heuschrecke“ (so würde Müntefering sagen) hat kurzerhand über die bekannten Finanzwege den Fußballverein „Manchester United“ übernommen. Aktienpakete wurden so lange hin und her geschoben, bis der US-amerikanische Investor Malcolm Glazer mehr als 70% des Aktienkapitals besaß. Die restliche Prozente, um die Sperrminorität von 25% zu verhindern, kauft er sich gerade zusammen. Mannschaft, Vorstand, Trainer und Fans laufen Sturm gegen diese feindliche Übernahme. Mit den Konsequenzen, dass einige Führungsköpfe bei „ManU“ ihre Koffer packen können. ManU’s Trainer-Idol Sir Alex Ferguson steht ganz oben auf der Abschussliste. Außerdem wird der bisher finanziell gesunde Verein mit 315 Millionen Pfund (= 513 Millionen Euro) Schulden aus den Büchern Glazers belastet. Das Stadion „Old Trafford“, bisher in Vereinsbesitz und für die Fans eine Reliquie, dürfte in Kürze verkauft werden, um die aufgelaufenen Schulden abzudecken. Glazer selbst gibt ganz offen zu, dass er weder vom Fußball noch vom Fußballgeschäft Ahnung hat. Aber das stört ihn nicht. Die Fans jedenfalls kündigten Glazer einen „Zermürbungskrieg“ an.
Also ich find’s prima, wenn Globalisierungsbefürworter die negativen Folgen auch mal am eigenen Leib zu spüren bekommen.
Und ihr?
Grüße
Heinrich