Higgs-Boson für Dummies

Hallo Wissende,

kann mir mal bitte jemand erklären, was dieses neu entdeckte Teilchen macht, und warum es so wichtig ist? Warum ist es so eine Sensation, dass das entdeckt wurde?

Schöne Grüße

Petra

Hallo,

kann mir mal bitte jemand erklären, was dieses neu entdeckte
Teilchen macht,

Es gibt anderen Partikeln (und sich selbst) Masse.

und warum es so wichtig ist? Warum ist es so
eine Sensation, dass das entdeckt wurde?

Es war vorher nicht klar, welcher Mechanism dafuer sorgt, dass Massebehaftete Teilchen ihre Masse kriegen. Das ist mit dem Nachweis des Higgs-Bosons jetzt geklaert.

Da die Frage nach der Masse schon eine recht fundamentale ist, gibt es um die Beantwortung der Frage auch etwas Wirbel.

Gruesse,
Moritz

Hallo!

Neben dem Teilchen selbst (was Moritz beschrieben hat), hat die Entdeckung auch eine Bedeutung darüber hinaus. Es ist ein bisschen wie beim Sudoku-Spiel: Mit Bleistift schreibst Du zunächst die Ziffern in das Raster und denkst Dir: „Wenn das eine 4 ist, dann kann hier nur eine 1, 2 oder 3 stehen. Wenn es eine 1 ist …“. Sicher bist Du Dir nie. Je länger Du spielst, umso weniger vertraust Du Deinen Annahmen. Und am Schluss ist nur noch ein Kästchen frei und Du hast nur noch eine Ziffer übrig. Wenn die hineinpasst, dann stellt sich plötzlich ein Gefühl der Erleichterung ein.

Bei der Teilchenphysik existierte schon recht lange ein Modell, das den ganzen Teilchenzoo erklärte, das so genannte Standard-Modell. Es sagte vorher, dass da noch ein Teilchen fehlt, das Higgs. Durch diesen letzten Puzzle-Stein zeigte sich, dass das Modell als Ganzes tragfähig ist. Man könnte auch sagen: Was die Reise des Maghellan für die Geografen ist das Higgs für die Teilchenphysiker - Das letzte Stückchen, was eine gute Vermutung zu einer Gewissheit werden lässt.

Michael

PS: Das gilt es nun gebührend zu feiern. Wenn ich jetzt 1 Euro darauf wette, für welche Entdeckung es den Physik-Nobelpreis 2012 geben werden wird, dann kriege ich vermutlich 1,00 Euro ausbezahlt. :wink:

Hallo Michael und Moritz,

danke für die Erklärungen. Es bleiben viele Fragen, wie etwa

  • Wie sieht das Modell der Welt nun aus?
  • Wie macht das Higgs-Teilchen das, anderen Teilchen Masse zu geben?
  • Wie hat man das Higgs-Teilchen überhaupt „sichtbar“ gemacht?

Weiß jemand von euch vielleicht einen guten, allgemein verständlichen Artikel, der auf diese Fragen eingeht? (Ich hab mal kurz die Artikel von bild.de und welt.de angeklickt, aber nicht so viel davon verstanden).

Schöne Grüße

Petra

Deswegen meidet man die Springerpresse auch, liebe Petra :smile:

Der Wikipedia-Artikel ist angenehm laienhaft geschrieben.

http://de.wikipedia.org/wiki/Higgs-Boson

Hallo!

  • Wie sieht das Modell der Welt nun aus?

Es gibt nur eine Handvoll elementarer Teilchen und vier Wechselwirkungen, die sie beeinflussen: Elektromagnetismus, Gravitation, Schwache und Starke Kernkraft. Alle diese Kräfte werden über so genannte Austauschbosonen erklärt (das sind im Prinzip auch nur Teilchen). Alle fundamentalen Gesetze der Physik ergeben sich aus Symmetriebetrachtungen. Das ist jetzt ein bisschen kompliziert. Da werden dann solche Sätze formuliert wie „Aus der Isotropie des Raumes folgt der Drehimpulserhaltungssatz“.

Nur eine Eigenschaft der Teilchen schien nicht so recht in dieses Modell zu passen. Während sich die Ladungen, die Spins, usw. jeweils als das ganzzahlige Vielfache einer Naturkonstante herausstellte, galt das für die Masse nicht. Das Proton hat eine Masse, die 1836,152…mal so groß ist wie die Masse des Elektrons. Das Higgs-Teilchen wird uns nun helfen zu verstehen, warum genau solche krumme Zahlen herauskommen (wenn ich es richtig verstanden habe).

Weiß jemand von euch vielleicht einen guten, allgemein
verständlichen Artikel, der auf diese Fragen eingeht? (Ich hab
mal kurz die Artikel von bild.de und welt.de angeklickt, aber
nicht so viel davon verstanden).

Das wird damit zusammenhängen, dass die Autoren, die solche Artikel schreiben, entweder selbst nicht verstehen, worum es geht oder nicht die Fähigkeit besitzen, etwas so kompliziertes wie Theoretische Physik anschaulich zu erklären.

Wenn wir das Wort „Teilchen“ hören, denken wir unwillkürlich an eine kleine farbige Kugel, weil man uns - als wir noch Kinder waren - kleine farbige Kugeln gezeigt hat, wenn es darum ging, das Teilchenmodell zu verstehen. Selbst ein promovierter Physiker wird sich nie von dieser gänzlich falschen Vorstellung trennen können und Teilchen sich so vorstellen „wie sie wirlich sind“. Jede Veranschaulichung wird in gewisser Weise unzulänglich sein und diese Unzulänglichkeit ist umso größer, je mehr wir in die Welt der Quanten vorstoßen.

Ich kann Dir weder einen guten Artikel noch selbst eine Antwort zu geben. Um ehrlich zu sein: Weil ich es selbst nicht so genau weiß und mich auch nur auf die Bilder verlassen kann, die mir irgendjemand mal in mein Hirn gepflanzt hat.

Michael

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Deswegen meidet man die Springerpresse auch, liebe Petra :smile:

Springer ist nicht gleich Springer :wink:
http://www.springer.com/physics/particle+and+nuclear…

Michael

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in der Tat.

Zusatzfrage
Hallo,

falls sich die Existenz des Teilchens bestätigt: Lässt sich dann praktischer Nutzen draus ziehen? Oder beschränkt sich der „Nutzen“ auf die Freunde einiger Fachleute, etwas Neues herausgefunden zu haben?

Wenn die Entdeckung des Teilchens in einem Beitrag mit der Entdeckung der Magellan-Straße verglichen wurde: Die Entdeckung hatte den praktischen Nutzen, dass der Weg um Südamerika herum kürzer und ungefährlicher wurde.

Grüße
Carsten

Der Professor aus München hilft wie immer:

Was ist ein Higgs-Teilchen?
http://www.youtube.com/watch?v=qTVb5n36csw

Tschö

Hallo Petra,

  • Wie sieht das Modell der Welt nun aus?

Das wird sich erst noch zeigen.

Bisher gabs zwei grosse Unekannte:

  1. Keiner wusste ob das Higgs-Boson nur ein Hirngspinst ist, und somit die Theorie falsch, oder ob es wirklich existiert.

  2. Die Parameter des Higgs-Bosons mussten schlicht und einfach geraten werden. Als der LHC eingschaltet wurde, wusste deshalb keiner ob man das Higgs-Boson damit nachweisen kann oder ob man für den Nachweis eine noch grössere Maschine bauen muss, weil man schlecht geschätzt hatte.

Jetzt hat man erstmalig Messwerte und nicht nur geratene Werte.

Diese Werte kann man jetzt in den Formel einsetzen und neue Experimente erstellen, welche weiteres Wissen erzeugen werden.

Heute hat Forschung auch viel mit Geld zu tun. Daher ist es auch schwer Geld für ein Experiment zu bekommen, wenn man wichtige Parameter gar nicht kennt. Jetzt kann man den Leistungsbearf für manche Experimente besser berechnen und kann somit besser belegen, dass ein Experiment zum gewünschten Erfolg führt.

MfG Peter(TOO)

Hallo Carsten,

Lässt sich
dann praktischer Nutzen draus ziehen? Oder beschränkt sich der
„Nutzen“ auf die Freunde einiger Fachleute, etwas Neues
herausgefunden zu haben?

Wie bei der Grundlagenforschung üblich, weiss das heute keiner.

Der Tunnelefekt wurde 1897 entdeckt, heute könntest du ohne den Tunneleffekt hier keine Fragen stellen :wink:

(Der Tunneleffekt ist z.B. die Basis für EPROMs, bzw. Flash-Speicher. Ohne BIOS-ROM würde also dein PC gar nicht staren. Und die ganzen Geräte welche die Möglichkit für ein Software-Update haben, benutzen den Tunneleffekt.)

1916 erstellte Einstein die Theorie des Lasers. 1928 gelang dann der erste experimntelle Nachweis. 1960 wurde dann der erste Laser gebaut. Die Forscher freuten sich da auch wie Kinder und schossen damit kleine Löcher in Rasierklingen. Die nächsten 10 Jahre gabs dann keine verbreiteten Anwndungen für Laser. Heute gäbe es z.B. keine CD/DVD ohne Laser.
Und das Internet wäre ohne Laser auch eine Lahme Ente, Glasfaser ohne Laser funktioniert auch nicht.

MfG Peter(TOO)

MfG Peter(TOO)

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Hallo!

falls sich die Existenz des Teilchens bestätigt: Lässt sich
dann praktischer Nutzen draus ziehen? Oder beschränkt sich der
„Nutzen“ auf die Freunde einiger Fachleute, etwas Neues
herausgefunden zu haben?

Warum muss alles immer einen praktischen Nutzen haben? Unser Weltbild hängt an solchen Dingen. Als Kopernikus die Sonne in den Mittelpunkt stellte (statt der Erde) gab es dafür auch keinen praktischen Nutzen. (Es ist sogar schwer, in heutiger Zeit einen praktischen Nutzen dieses Meilensteins abzuleiten). Neugier ist ein wesentliches Element unserer Kultur und wenn der menschliche Geist so etwas wie das Higgs-Teilchen ersinnen kann, das erst 50 Jahre später tatsächglich gefunden wird, dann ist das eine außerordentliche Leistung. Die Ägypter bauten Pyramiden. Bach schuf unsterbliche Musik. Und unsere Zivilisation entdeckt die Welt. Das ist ein ganz wesentlicher Teil des menschlichen Erbes.

Wenn die Entdeckung des Teilchens in einem Beitrag mit der
Entdeckung der Magellan-Straße verglichen wurde: Die
Entdeckung hatte den praktischen Nutzen, dass der Weg um
Südamerika herum kürzer und ungefährlicher wurde.

Bitte genau lesen: ich verglich es nicht mit der Entdeckung der Magellan-Straße. So etwas Profanes hat wenig mit der Entdeckung des Higgs-Teilchens gemeinsam. Ich verglich die Entdeckung mit der ersten Weltumseglung durch Magellan. Er bewies die Kugelgestalt der Erde, die zuvor nur in den Köpfen der Menschen existierte.

Michael

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Hallo carsten,

falls sich die Existenz des Teilchens bestätigt: Lässt sich
dann praktischer Nutzen draus ziehen?

Da bin ich eher skeptisch. Je weiter man sich den Grundlagen der Weltordnung nähert, desto weniger handhabbarer werden sie. Man kann nicht mal eben Energien im Maßstab unseres Sonnensystems nutzen, mit Teilchen, die fast unendlich geringe Lebensdauern haben.

Oder beschränkt sich der
„Nutzen“ auf die Freunde einiger Fachleute, etwas Neues
herausgefunden zu haben?

Ein Fachmann bin ich wirklich nicht. Aber ich freue mit. Weil ich erahne, oder - wenn man die mathematischen und symmetrischen Spitzfinigkeiten außen vorlässt - erfühle, wie unser Verständnis der Welt dadurch wächst.

Ganz nebenbei, wenn du nie ein Glücksgefühl dabei hattest, etwas zu verstehen, einzuordnen oder gut zu machen, tust du mir leid.

Wenn die Entdeckung des Teilchens in einem Beitrag mit der
Entdeckung der Magellan-Straße verglichen wurde: Die
Entdeckung hatte den praktischen Nutzen, dass der Weg um
Südamerika herum kürzer und ungefährlicher wurde.

Dazu wurde das nötige ja schon gesagt.

Und auch wenn du es nicht nachvollziehen kannst, Forschung und Bildung gehört für mich zu den vornehmsten und wichtigsten Aufgaben einer wohlhabenden Gesellschaft, abseits der unbestrittenen ökonomischen Vorteile.

Ich jedenfalls würde mein letztes Hemd dafür hergeben, würde ich dadurch die letzten Geheimnisse unserer Welt lüften können. Nur sind leider alle meine Hemden wenig wert.

Aber egal, du hast wahrscheinlich ein Auto, vielleicht ein Navi, ziemlich sich Internet, alles Sachen, die du vor 30 Jahren als unnützt abgestempelt hättest.

Du profitiertst also schamlos von der Neugier und der Kreativität des Menschen, und maßt dir ein Urteil an, wenn für dich nichts dabei rausspringt?

Gruß, Zoelomat

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Springer ist nicht gleich Springer :wink:
http://www.springer.com/physics/particle+and+nuclear…

Das ist ja auch keine Presse und heisst nicht Axel.

Gruß
T.

Hallo Petra,

kann mir mal bitte jemand erklären, was dieses neu entdeckte
Teilchen macht, und warum es so wichtig ist?

Nein. Es gibt ja 4 Grundkräfte der Natur, die starke (Kernkraft), die die Kerne und deren Bestandteile zusammenhält, die schwache (Kernkraft), die die Umwandlung von Neutronen in Protonen und im Gegenzug von Elektronen in Neutrinos bewirkt, den Elektromagbetismus, der die Anziehung bzw. Abstoßung zwischen elektrisch geladenen Teilchen bewirkt, daneben die Vielfalt der Elektromagnetischen Strahlung, von Radio über Mikrowellen, Infrarot, Licht, UV, Röntgen bis zu Gammastrahlen.

Die Gravitation ist die vierte und bislang ausgelassene.

Nun mal zum speziellen. Die Photonen, die Austauschteilchen der Elektromagnetischen Wechselwirkung haben die Ruhemasse 0. Wenn es darum geht, Ladung zu übertragen, von einem Kernbestandteil auf ein Lepton, sind Teilchen im Spiel, die eine deutiche Masse haben, die W- und Z-Bosonen.

Im Dunstkreis der Vereinheitlichung der Elektromagnetischen mit der schwachen Wechselwirkung zur Elektroschwachen Wechselwirkung tauchte der Higgs-Mechanismus wohl zuerst auf, zumindest in der minimal gebildeten Presse.

Warum ist es so eine Sensation, dass das entdeckt wurde?

Das kannst du nicht verstehen, und wirst es nie verstehen können. Ich habe nach 30 Jahren eine Ahnung, mehr nicht.

Gruß, Zoelomat

Hallo Petra,

einen wirklich schönen Vortrag zum Thema, der in die Teilchenphysik und „worum es dabei geht“ einführt gibts hier

hth,

Stefan

Moin,

falls sich die Existenz des Teilchens bestätigt: Lässt sich
dann praktischer Nutzen draus ziehen? Oder beschränkt sich der
„Nutzen“ auf die Freunde einiger Fachleute, etwas Neues
herausgefunden zu haben?

es gab in den 50ern eine Arbeitsgruppe, die sich mit den Leitungsbändern von exotishen intermetallischen Phasen beschäftigte. So ein richtig exotisches, theoretisches, nur für absolute Spezialisten interessantes Thema.
Ein paar Monate später sah die Sache schon ganz anders aus, die Ergebnisse dieser Arbeiten waren die Grundlagen des Transistors und mithin die der gesamten Halbleitertechnik.

Oder in den späten 80ern arbeitet ein Team am Forschungszentrum Jülich an einem quantenmechanischen Effekt, der durch die Spinabhängigkeit der Streuung von Elektronen an Grenzflächen Effekte an dünnen Schichten erklärt konnte.
Quantenwas?
Ach ja, keine moderne Festplatte ohne diesen komischen Effekt.

Du siehst, man kann bei der Entdeckung solcher Sachen kaum sagen, wozu sie zu nutzen sind.

Vieleicht kann man mit dieser Entdeckung demnächst die Schwerkraft austricksen und neue Antriebe entwickeln. Wer weiß?!

Solche Fragen nach dem Nutzen von Forschung sind auf jeden fall recht sinnfrei, denn der Fortschritt lebt von solchen Arbeiten.

Gandalf

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