Moin,
Schwierigkeiten vor größeren Gruppen aufzutreten haben viele Leute. Bei manchen legt sich das Lampenfieber - so wie beschrieben - mit der Zeit, bei manchen auch nicht.
Entwicklungsbiologisch kann man sich vorstellen, dass es für den Frühmenschen absolut tödlich war aus seiner Gruppe ausgeschlossen zu werden. Wer sich prominent aufstellt wird von den anderen Gruppenmitgliedern bewertet und diese Bewertung kann schlecht ausfallen, was wiederum einen Gruppenausschluss nach sich ziehen kann. Daher haben wir alle bessere Antennen für negative Bewertungen als für positive.
Mögliche negative Bewertungen bedeuten Stress. Stress wiederum hat immer die gleichen körperlichen Reaktionen. Genau die, die du beschreibst:
… ich war aufgeregt,
hoher Adrenalin- und Cortisollevel und anderer Hormone
ich konnte Nächte lang nicht schlafen, ich hatte Magenkrämpfe,
Durchfall …
Starke Aktivität des Sympatikus- und des Parasymatikussystems
Diese köperlichen Reaktionen bereiten den Körper eigentlich auf Flucht oder Verteidigung vor. Der Neokortex wird ‚ausgeschaltet‘ und wir fahren auf ‚Autopilot‘. Daher auch…
… dass ich noch schneller, als sonst,
sprach und ich mich mit meinen Worten selbst überholt habe,
mich regelmäßig verhaspelt habe und unter
Wortfindungsstörungen litt ich auch noch.
Erstmal kann man sagen: dein Verhalten ist ‚gesund‘ - nur halt leider in der modernen Zeit oft nicht mehr nützlich.
Du hast das Problem erkannt, der erste Schritt zur Verbesserung. Da du solch starke Reaktionen gezeigt hast, wirst du es nur mit Übung wahrscheinlich nicht schaffen. Denn jeder Vortrag ist für dich ein Horrorereignis, das kann (muss nicht) sich mit der Zeit immer weiter verstärken.
Als erstes ist es gut, wenn du dich mit dem Phänomen beschäftigst. Finde soviel wie möglich dazu heraus. Unsere Reaktion auf unterschiedliche Lebenssituationen ist interessant und, dass wir sie haben, hat einen Grund (gehabt).
Dann kannst du dir klar machen, dass du dich in solchen Situationen als totales ‚Objekt‘ empfindest. Völlig dem Publikum ausgeliefert. Ein Objekt erleidet, hat keine Einflussmöglichkeiten. Du fühlst dich letztlich wie das Karnickel und das Publikum ist die Schlange.
Frag dich ob du das Publikum magst? Die sind da um DICH zu hören. Wenn du leidest, merkt das Publikum das. Sie werden versuchen ‚abzutauchen‘, sich ‚unsichtbar‘ zu machen. Denn sie wollen dir ja nichts böses. Merken aber, dass du Angst vor ihnen hast. Es kann sein, dass sie unruhig werden, tuscheln… sie ziehen ihre Aufmerksamkeit von dir ab - denn dass strahlst du aus, das ist es was du willst.
Wenn du deine Einstellung zum Publikum änderst hast du schon viel gewonnen. Fange deinen Vortrag ruhig mit der Bemerkung an, dass du nervös bist. Du kannst sagen, dass Leute jederzeit Fragen stellen können oder, wenn dir das lieber ist, bitte sie bis zum Ende deines Vortrags zu warten.
Wenn eine Koryphäe im Saal ist, von der du weißt, dass der sich in dem Gebiet besser auskennt als du - sag das ruhig: ‚Ich hab heute das große Glück, dass Herr X anwesend ist, der zu dem Thema wahrscheinlich viel mehr zu sagen hätte als ich. Ich hoffe Herr X wir mich sofort unterbrechen, falls ich etwas falsches sage.‘
Mach dir klar, dass man nie alles zu einem Thema wissen kann. Auf Fragen die man nicht beantworten kann ist es besser zu sagen: ‚Das ist eine interessante Frage… und ich habe keine Ahnung wie die Antwort sein könnte, kann mir vielleicht jemand aus dem Saal helfen?‘
Oder du versprichst dich um eine Antwort zu kümmern und sie dem Fragesteller zukommen zu lassen…
als Blödsinn zu stammeln und so zu tun als wüsste man wovon man redet.
Mach dir klar, dass es nicht ‚hier das Publikum und da ich‘ heißt. sondern dass du und das Publikum gemeinsam eine Zeit zusammen habt und das toll ist. DIR hören Leute zu! DU kannst deine Sicht darlegen! Welche Gelegenheit!
Allein die Beschäftigung wird wahrscheinlich nicht genug sein. So wie schon vorgeschlagen, Übung gehört auch dazu.
Einen ganz wichtigen Punkt hast du schon mal sehr gut gemacht: Du hattest dich gut zum Thema vorbereitet. Das ist die halbe Miete.
Dann brauchst du …
… zukünftig nicht mehr unter diesen Problemen [zu]
leiden…?

Erfolg…lux