Hallo,
ich würde das Problem auf zwei Ebenen sehen: Der innerartlichen - also zwischen Hund und Hund - und der zwischen Hund und Mensch.
Die Beziehung zu anderen Hunden ist auch meiner Ansicht nach deutlich von Unsicherheit geprägt. Das Fixieren und Belauern ist bei nicht-Hütehunden als Sequenz des Jagdverhaltens zu sehen. Dabei wird das Gegenüber zunächst als „Beute“ behandelt.
Die Endhandlung ist aber nicht das Packen und Töten, wie es beim echten Jagen der Fall wäre, sondern die Kontaktaufnahme mit dem anderen Hund. Dieses Verhalten in seinem Gesamtbild entstammt dem Spiel, mit dem Junghunde Jagdverhalten einüben.
Es gibt Golden-Retriever-Linien, bei denen stark auf Aggressionsfreiheit selektiert wurde. Das Ergebnis sind häufig Hunde, die lebenslang welpenhaftes Verhalten zeigen. Das Welpengeschrei in Konfliktsituationen ist eine häufige Erscheinung dabei.
Mir scheint, dass das Verhalten deiner Hündin gegenüber Artgenossen stark von widersprüchlichen Intentionen geprägt ist. Zum einen verhält sie sich in der Annäherung welpen- bzw. junghundhaft, zum anderen zeigt sie aber die Dominanzansprüche eines erwachsenen Hundes. Diese äußern sich im Knurren, wenn der andere Hund ohne ihr Einverständnis die Situation verlässt. Den dadurch auftretenden Konflikt kann sie aber nicht erwachsen lösen - sie müsste dann angreifen - also reagiert sie sich mit Schreien und Abschnappen ab. Es wäre auch denkbar, dass sie in einer solchen Situation nach dir schnappt, wenn du in ihrer Nähe bist.
Diesem Verhalten kannst du eigentlich nur begegnen, wenn du verhinderst, dass deine Hündin auf einen anderen Hunden zuläuft. Abzugewöhnen ist es ihr nicht mehr. Du hast lediglich die Entscheidung, ob du sie zu einem anderen Hund rennen lässt oder nicht.
Und damit wäre ich bei der Beziehung zwischen euch beiden. Dass sie sich an der Leine aufführt zeigt, dass ihr der Respekt vor deiner Führung fehlt. Begegnen kannst du dem, indem du ab sofort diesem Getue keinen Raum mehr gibts.
Heißt: Nicht stehenbleiben und sie fixieren oder gar hinlegen lassen. Stattdessen mit einem einzigen Kommando - z.B. „Weiter“ - ansagen, dass sie der andere Hund nicht zu kümmern hat und stur und zielstrebig weitergehen. Du wirst zunächst gegen den heftigen Widerstand des Hundes arbeiten müssen, aber du darfst dem keinesfalls nachgeben. Schlepp sie mit (ohne weiter mit ihr zu reden) und wenn sie wieder an lockerer Leine neben dir geht, wird sie kurz gelobt und kriegt ein Leckerchen. NICHT vorher mit Futter ablenken wollen! Mit jedem Versuch wird das Getue des Hundes weniger werden.
Hilfe kann dir vielleicht ein Halti bieten, allerdings solltest du dir die Handhabung von jemandem erklären lassen, der Ahnung hat. Verkäufer in Zoofachgeschäften haben sie in aller Regel nicht.
Schöne Grüße,
Jule