Hinkucker oder Hingucker

An anderer Stelle wurde sich über „hinkucken“ und „Hinkucker“ in diesem Zitat aufgeregt —>

»Nicht jeder, der irgendwo hinkuckt, ist auch ein „Hinkucker“«

Duden bietet im Wörterbuch den „Hingucker“ an, nicht aber den „Hinkucker“

Bei den Verben sind beide geführt, „hingucken“ und „hinkucken“

Gibt man obiges Zitat in den freien Online-Korrektor ein, dann wird kein Fehler angezeigt, mithin akzeptiert Duden auch den Hinkucker!

Kennt jemand eine Regel, die das verbietet?

Das interessiert mich wirklich stark!

Kennt jemand eine Regel, die das verbietet?

Nein (und nicht nur deswegen, weil die amtliche Rechtschreibung für Otto Normalverbraucher nicht bindend ist). Sowohl ›gucken‹ als auch ›kucken‹ ist eine mögliche Schreibweise des Verbs und damit auch grundsätzlich der allermeisten davon abgeleiteten Wörter. Allerdings muss man beachten, dass die Häufigkeit der zwei Schreibweisen sehr auseinandergeht: ›gucken‹ ist im Wortschatz-Korpus der Uni Leipzig in Frequenzklasse 12 (das heißt: das Wort ›der‹ ist ca. 2¹² mal häufiger als ›gucken‹), während ›kucken‹ bloß in Klasse 17, also wesentlich seltener, ist. Das führt dazu, dass bei einigen Wörtern nur die Form mit ›g‹ üblich ist, zum Beispiel bei ›Ausguck‹ oder ›Guckindieluft‹. Der DUDEN gibt einen Hinweis auf die Häufigkeit und Gebräuchlichkeit der jeweiligen Schreibweise bei anderen Wörtern, aber impliziert in Fällen, die nicht stark lexikalisiert sind, keine Aussage über die Zulässigkeit der anderen Schreibweise. Ein bisschen ist das wohl Ermessenssache und auch ›Hingucker/Hinkucker‹ ist ein Paar, bei dem die ›g‹-Form stark überwiegt (etwa im Verhältnis 1:500). Allerdings sind dessen ungeachtet meiner Ansicht nach beide Formen nicht falsch.

Gruß
Christopher

Weder noch!
Hallo Textakrobat

In der Regel ist der Hingucker ein Blickfänger

Ich habe noch nie erlebt, dass mich eine auffällige Sache angeguckt hat.
Also ist es so, dass ein Plakat oder sonst was meinen Blick auf sich lenken will, also fangen.
Und wenn du fäschlicherweise doch noch den Begriff Hingucker wählst, so wird das immeer noch mit g geschrieben, es wird immer noch geguckt und nicht gekauckt.
Auch wenn so etwas im Duden steht, zeigt das nur dass die Dudenleute aktuell sind, denn der Duden spiegelt nur die Sprachgewohnheiten wieder.

Gruß
R.

Hallo Rentier

Und wenn du fäschlicherweise doch noch den Begriff Hingucker
wählst, so wird das immeer noch mit g geschrieben, es wird
immer noch geguckt und nicht gekauckt.

Wer irrt nun?

http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfis…

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Hallo Textakrobat
Niemand irrt, ich schrob, der Duden spiegelt die Sprachrealität wieder.
Und Zwiebelfisch schreibt von kieken.
Dass ein Wort anders geschrieben wird als gesprochen ist doch im Deutschen nichts Neues; ebenso in anderen Sprachen.
Ich sehe da keinen Widerspruch.

Gruß
R.

Hallo,

Ich habe noch nie erlebt, dass mich eine auffällige Sache angeguckt hat.

stilistische Einwände gegen ›Hingucker‹ – ein Wort, das nicht viel älter als 25 Jahre ist – könnte ich nachvollziehen. Es passt nicht in jeden Text. Das Argument, dass es nicht ›logisch‹ gebildet ist, finde ich dagegen nicht stichhaltig. Auch die Alltagssprache und die alltägliche Bildung von Wörtern machen von Bildern, Symbolen, Metaphern, Metonymien usw. Gebrauch. Ein Wort ist nicht ›falsch‹, weil es auf eine ungewöhnliche Weise gebildet ist. Ungewöhnlich ist der ›Hingucker‹ allerdings in der Tat: Mir fallen nicht viele Nomina Agentis ein, in denen die Handlung beschrieben wird, die nicht durch das Objekt selbst durchgeführt wird, sondern auf es einwirkt. Eigentlich kommt mir spontan bloß der englische ›page turner‹ (nicht das Buch wendet die Seiten, sondern der Leser) in den Sinn. Diese auffällige Bildungsweise macht das Wort, wie gesagt, für manche Kontexte weniger geeignet, aber die Entscheidung darüber – und über die Schreibung, die sich danach richtet, wie der Schreibende es spricht – darf man wohl dem Autor des jeweiligen Textes überlassen.

Übrigens: Wenn jemandem noch mehr Beispiele als Hingucker und page turner einfallen – nur her damit. Und wie nennt man so was?

Gruß
Christopher

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Ich habe noch nie erlebt, dass mich eine auffällige Sache
angeguckt hat. … Und wenn du fäschlicherweise doch noch den :Begriff Hingucker

Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen:

Sprache funktioniert nicht nach logischen Parametern.

Diese Konstruktionen, nach denen aufgrund irgendwelcher mathematisch-logischer Überlegungen richtige Dinge plötzlich falsch sein sollen („Schiller ist eine Perso … deswegen kann man Schiller nicht lesen …“), gehen mir als Sprachwissenschaftler und Sprachliebhaber allmählich auf den Senkel. Es wäre schön, so etwas wenigstens nicht in einem Deutschbrett lesen zu müssen.

Gerade die Wortbildungen mit -er können eine große Bedeutungsvielfalt haben. Das darauf einzuschränken, daß ein Hingucker ausschließlich etwas sein kann, was guckt, aber nichts, auf das geguckt wird, ist eine Sprachverarmung übelster Sorte.

Gruß,
Max

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Hömma, Denker a.D.,

dat find ich schwer in Ordnung von dir so als Wissenschaftler und so datte nich so auf die Kacke haun tust wegen die Regeln. Hauptsache man versteht sich oder? Der Dings, der Waldscheißer da wo später rübergemacht hat nach New York hat auch nach ganz strengen Regeln gemalt. Und? Issat schön? Die ganzen Kwadrate in weiß und gelb und rot und blau mit die schwarzen Linien dazwischen? Ich sach immer, dat könnt mein Neffe aber besser. Hab aber keinen. Also Neffe.

Anderes Beispiel: der Lütte von mein Kumpel auf Arbeit, der hat am Anfang so geschrieben, wie ihm der Schnabel gewachsen iss. War in Ordnung. Getz musser nach die Rechtschreibregeln und so und kricht Noten - und Scheiße is! Wat muss der Schiller lesen. Gefällt dem vielleicht gar nich.

Meine Frau is anne Hauptschule, also als Lehrerin. Hatte sonne Lehrerazubine, die hatte zu ihr gesacht, dasse nächsen Tach nicht kommen kann, weil, da geht sie mit die Hunde. Wat hat meine Frau sich aufgerecht! Und, sach ich, du hast se doch verstanden, also, wat soll der Tullus?

Aber schade, dasse aufgehört hass mit dem Denken, also a.D., weil, das mit dem

Sprachverarmung übelster Sorte.

find ich ja noch scheißer als Hingucker, weil, das ist doch dem seine Meinung, zwingt der doch keinen zu. Lass den doch, kanner „Blickfang“ sagen, wenner will. Nä?

Also, wacker bleiben, Thomas

Diese Konstruktionen, nach denen aufgrund irgendwelcher mathematisch-logischer
Überlegungen richtige Dinge plötzlich falsch sein sollen („Schiller ist eine Perso …
deswegen kann man Schiller nicht lesen …“), gehen mir als Sprachwissenschaftler
und Sprachliebhaber allmählich auf den Senkel. Es wäre schön, so etwas wenigstens
nicht in einem Deutschbrett lesen zu müssen.

Mir scheint, als vermischten sich bei diesem Thema häufig zwei Aspekte, nämlich der Streit um Zustimmung zweier jeweils subjektiver Positionen betreffend den Sprachgebrauch einerseits und andererseits die Diskussion darüber, wodurch der Sprachgebrauch objektiv beeinflusst wird.

Ich nehme an, dass die Ansicht, dass ›unlogische‹ oder ›unzulässig gebildete‹ Wörter aus der Sprache gewehrt und nicht gelehrt bzw. evtl. sogar nicht in Wörterbüchern abgebildet werden sollten, die verbreitetste ist. Zumindest hatte sie in praktisch jeder Unterhaltung, die ich zu diesem Thema mitbekommen habe, die meisten Fürsprecher. Und damit stellt sich die Frage, ob die vorgeblich deskriptive Einschätzung, dass Sprache sich unabhängig von konservativen Vorbehalten oder logischen Einwänden entwickelt und dass es keine ›falschen‹ Wörter gibt, die Situation tatsächlich vollständig beschreibt. Weil: Wer betreibt die Entwicklung der Sprache und entscheidet, was richtig und falsch ist? Die Sprachbenutzer, die allerdings, wie erwähnt, wohl größtenteils der Ansicht anhängen, dass es eben doch richtige und falsche Wörter oder jedenfalls gute und weniger gute gibt. Ob sich ein Wort durchsetzt oder nicht, wird somit zumindest in Sprachen, die so stark standardisiert und kodifiziert sind wie das Deutsche und in denen es einen breiten linguistischen Diskurs gibt, auch durch sprachkonservative Einzelpersonen und Medien bestimmt. Die vertreten ihre Meinung. Und viele Linguisten vertreten – in ihrer Rolle als Sprachnutzer – die ihre. Das ist der erste Aspekt. Hinsichtlich des zweiten müssten die Linguisten als Wissenschaftler dann wohl konstatieren, dass unterschiedliche Kräfte mit mehr oder weniger Erfolg auf die sprachliche Entwicklung einwirken – wobei ich nicht zu beurteilen wage, ob der Punktsieg auf lange Sicht eher an die Progressiven oder die Konservativen geht.

Es erscheint mir jedenfalls ratsam, diese beiden Diskurse getrennt zu halten und als Teilnehmer an beiden klarzumachen, welchen Hut man gerade trägt (um es mit einem Anglizismus zu sagen).

Gruß
Christopher

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Hallo Christopher,

Die
Sprachbenutzer, die allerdings, wie erwähnt, wohl größtenteils
der Ansicht anhängen, dass es eben doch richtige und falsche
Wörter oder jedenfalls gute und weniger gute gibt.

Ich weiß nicht, ob ich Dir hier zustimmen möchte. Wir alle sind SprachbenutzerInnen. Einige nutzen sie nur, andere machen sich aber auch Gedanken darüber und beteiligen sich an Diskussionen wie z.B. dieser hier. Aber nur diese werden wahrgenommen. Das bedeutet, dass Du beim Betrachten der Diskussionen logischerweise nur die wahrnimmst, die sich beteiligen - und die haben eine Motivation, sich zu beteiligen. Das wird meist die Wahrnehmung sein, dass nach den eigenen Kriterien etwas falsch läuft. Und das könnte die der Gebrauch „falscher“ Wörter sein. Blickt man also nur auf die Diskussionen, selektiert man die Leute, die Ansichten und Kriterien haben. Die reinen Nutzer werden ausgeblendet, auch wenn sie den Sprachgebrauch (siehe unten) beeinflussen.

Ob sich ein
Wort durchsetzt oder nicht, wird somit zumindest in Sprachen,
die so stark standardisiert und kodifiziert sind wie das
Deutsche und in denen es einen breiten linguistischen Diskurs
gibt, auch durch sprachkonservative Einzelpersonen und Medien
bestimmt.

Dieser Satz wird durch den Gebrauch von „auch“ so allgemein, dass er nicht falsch sein kann. Ich bin nicht vom Fach, vermute aber, dass Sprache durch Gebrauch gelernt wird, also vornehmlich durch Hören und Lesen. Wenn ich nicht weiß, wie ein Wort geschrieben wird, schließe ich die Augen und stelle mir die verschiedenen Wortbilder vor und wähle dann das, das nicht „seltsam“ aussieht. Da heute jedeR die Möglichkeit hat, sich durch die Verwendung elektronischer Medien schriftlich zu äußern und diese Äußerungen auch eine große Reichweite erlangen können, sollte dieser Aspekt bei der Sprachentwicklung nicht außer Acht gelassen werden. Ich kenne Leute, die Wörter in unterschiedlichen Schreibweisen eingeben und für den eigenen Gebrauch die auswählen, die mehr Treffer hat. Ich weiß nicht, ob dieses Vorgehen „richtig“ oder „falsch“ ist, es könnte aber sinnvoll sein. Und es setzt eine Dynamik in Gang.

Ein Wort noch zur Motivation derjenigen, die Wörter nach logischen Kriterien gebildet sehen wollen: Wenn wir davon ausgehen, dass die Realität von kausalen Zusammenhängen bestimmt wird, dann sollte auch Sprache in ihrer Grundstruktur logisch sein (cum grano salis). Eine konkrete Sprache wird natürlich in bestimmten Teilen willkürlich sein, in anderen nicht. Auf jeden Fall treten durch die Entwicklung einer Sprache viele Inkonsistenzen auf, die das Erlernen einer Sprache zumindest nicht erleichtern. Ich bin der letzte, der den „Gesichtserker“ oder den „Viertopfzerknalltreibling“ einführen will, aber ich bin oft genug im Rahmen eines „Meetings“ (sic!) knietief in leeren Worthülsen gewatet, um Sympathie mit den Leuten zu entwickeln, die logische Kriterien einfordern. Ich habe nämlich das Gefühl, dass heutzutage sehr oft geistige Leere durch die Verwendung pompöser Wörter übertüncht werden soll. Ich habe nichts gegen die Übernahme englischer Wörter dort, wo sie sich eingebürgert haben oder Sachverhalte kürzer und prägnanter beschreiben, als das im Deutschen möglich wäre. Wenn die eigentliche Botschaft bei der Verwendung englischer Wörter aber lautet: „Sehr her, ich bin hip, smart und clever (habe aber weder Ahnung noch ein Konzept)!“, dann brauche ich das nicht. JedeR, der oder die bereits einmal aufgefordert wurde, eine „vorstandstaugliche“ Folie zu produzieren, weiß, was ich meine.

Wenn es nicht darum geht, Inhalte zu vermitteln, sondern zu verdecken, wenn die eigentliche Botschaft in der Konnotation steckt, dann handelt es sich entweder um Kunst oder um Sprachmissbrauch - und ich glaube, dass das auch die eigentliche Motivation vieler Leute ist, sich gegen Teile des aktuellen Sprachgebrauchs zu stellen.

Grüße, Thomas

Die Sprachbenutzer, die allerdings, wie erwähnt, wohl größtenteils
der Ansicht anhängen, dass es eben doch richtige und falsche
Wörter oder jedenfalls gute und weniger gute gibt.

Sicherlich gibt es die. Aber die Begründung, ein Wort sei aufgrund seiner Unlogik schlecht, ist wenig stichhaltig, weil wir mit der gleichen Begründung Zweidrittel unserer Sprache über Bord werfen könnten. Das ist meinen Aufgen ein Pseudoargument, das möglicherweise sogar über das, was einem Wort wirklich kritisiert werden kann, hinwegtäuscht.

Wenn jemand ein Wort nicht gut findet, dann kann er diese Meinung gerne haben. So zu tun, als gebe es eine zwingende logische Notwendigkeit, warum dieses Wort schlecht sein muss, ist aber dennoch Unsinn.

Es erscheint mir jedenfalls ratsam, diese beiden Diskurse
getrennt zu halten und als Teilnehmer an beiden klarzumachen,
welchen Hut man gerade trägt

Eben. Wenn man darüber diskutiert, ob man ein Wort gut oder weniger gut findet, dann sollte man das nicht mit pseudolinquistuischen Begründungen tun. Man kann das Wort Hingucker aus vielen Gründen schlecht finden - aber es gibt keinen linguistischen Grund, warum man dies in diesem Fall tun sollte. Also - warum dann eine (falsche) linguistische Begründung?

Welchen Hut man trägt, hängt auch davon, welchen Hut derjenige schwenkt, der den Disput begonnen hat. Begibt er sich auf linguistisches Terrain, muss er mit linguistischer Antwort rechnen.

Als Sprachliebhaber störe ich mich daran, wenn für die Entscheidung, ob etwas gut oder weniger gut ist, nicht stilistische oder ästhetische Kriterien herangezogen werden, sondern Leute stur nach einer vermeintlichen Logik urteilen.

Gruß,
M.

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Sorry - aber du hast meine Antwort nicht verstanden.

Als Wissenschaftler lege ich wert auf Regeln, DIE AUCH WIRKLICH EXISTIEREN. Und sich nicht von irgendjemandem zusammengereimt werden.

Und als Sprachliebhaber lege ich Wert darauf, dass eine stilistische Diskussion nicht auf der Basis nichtexistenter Regeln geführt wird.

find ich ja noch scheißer als Hingucker, weil, das ist doch
dem seine Meinung

Dann soll er es auch als Meinung kundtun. Und nicht so tun, als wäre es eine zwingende Folge der deutschen Grammatik. Was es nicht ist.

M.

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… und dabei tendiere ich zum „Kucken“ nur, weil ich mich als im Dorf aufgewachsener Oberhesse irgendwie scheue, „Gucken“ zu schreiben oder zu akzeptieren:

Grund:

„Mir Owerhesse duu gugge!“

… und da ist mir G u ck en irgendwie suspekt!

In diesem Sinne:

http://de.wikipedia.org/wiki/Kuck_mal,_wer_da_spricht!

http://de.wikipedia.org/wiki/Was_guckst_du%3F!

Hallo Max,

nach mehrmaligem Durchlesen Deiner beiden Beiträge konnte ich im ersten entdecken, was Du im zweiten schriebst. Also habe ich nicht sorgfältig genug gelesen. Wenn aber Sprache ein Kommunikationsmittel ist, könnte ich auch behaupten, es sei Dein Fehler, wenn ich Dich nicht richtig verstanden habe (zumindest dann, wenn ich Dich nicht argwillig missverstehen wollte, was nicht nicht der Fall war).

Als Nicht-Sprachwissenschaftler darf ich es mir erlauben, den von dir Kritisierten in Schutz zu nehmen. Denn ich habe durchaus Verständnis für seine Position. Sein Unbehagen (und das vieler anderer auch) am modernen Sprachgebrauch speist sich meines Erachtens nach aus zwei Quellen:

  1. Ich vermute, dass wir mit dem Spracherwerb auch den Sprachgebrauch unserer Kindheit und Jugend internalisieren. Die Entwicklung der Sprache kann also zu einer gefühlten kulturellen Entwurzelung führen, die es auszuhalten oder zu bekämpfen gilt.

  2. Wer etwas auf die Verwendung von Sprache achtet, wird feststellen, dass Sprache in vielen Fällen benutzt wird, um Dinge zu verschleiern. Der Satz „Es ist kein Geld da!“ eines Politikers bedeutet in Wirklichkeit: „Es ist sehr viel Geld da. Aber wir haben entschieden, das Geld für etwas anderes auszugeben und ich will diese Entscheidung jetzt nicht mit Ihnen diskutieren.“ Warum auch immer.
    Auch der Gebrauch modischer Wörter oder Anglizismen dient in vielen Fällen dem gleichen Zweck: Um zu verschleiern, dass der Sprecher ahnungs-, ideen- und konzeptlos ist. Und wenn man häufig solche Erfahrungen macht, wird man diesem Verhalten gegenüber natürlich misstrauisch.

Das ist jetzt natürlich verallgemeinernd geschrieben, entspricht aber meinen Erfahrungen.

Grüße, Thomas

Hallo Max,

es hat mir ja keine Ruhe gelassen:

Sprache funktioniert nicht nach logischen Parametern.

So formuliert kann ich Deiner Behauptung nicht zustimmen. Ich bin ja kein Sprachwissenschaftler, aber wenn es eine Realität gibt und wenn diese Realität von kausalen Beziehungen beherrscht wird, dann ist Sprache evolutionär gesehen nur dann sinnvoll, wenn sie in ihren Grundstrukturen auch logisch ist und logisch funktioniert. Auch eine konkrete Sprache muss gewissen Regeln gehorchen:

  • Akzeptanz und Gebrauch durch eine größere Gruppe,
  • die Laute müssen durch den menschlichen Stimmapparat reproduzierbar sein,
  • die Sprache muss geeignet sein, Beziehungen in der Realität zu reproduzieren.

Darüber hinaus herrscht in einer konkreten Sprache natürlich sehr viel Willkür, insbesondere bei den Vokabeln und der Aussprache. Aber auch hier können Notwendigkeiten eine Rolle spielen: so entwickelte sich die Pfeifsprache der Guanchen auf den kanarischen Inseln aus der Notwendigkeit, sich über größere Entfernungen verständigen zu müssen. Die Klicksprache der Xhosa entstand aus dem Versuch, Kommunikation auf der Jagd in natürlichen Umgebungsgeräuschen untergehen zu lassen. Ein Indianerstamm Amazoniens (glaube ich) spricht eine Sprache, in der die Zeit der Entstehung einer Information, die Zeit ihrer Weitergabe und die Zuverlässigkeit dieser Information in die grammatikalische Struktur eingebettet ist.

Aber die Sprachentwicklung fördert natürlich Inkonsistenzen, die eine Sprache kompliziert machen und das Erlernen derselben erschweren. Witze z.B. basieren häufig auf solchen Inkonsistenzen. Es ist faszinieren zu sehen, wie schwer sich Mitbürger mit Zuwanderungshintergrund mit den Scherzfragen am Anfang von „Wer wird Millionär“ tun, auch wenn sie eigentlich fließend deutsch sprechen. Und man versucht ja auch, dieser Inkonsistenzen durch Regeln Herr zu werden, wie z.B. die Rechtschreibreformen zeigen, die mit mehr oder weniger Akzeptanz durch die Sprachbenutzer durchgeführt werden.

Ich gebe Dir natürlich Recht, dass die Anwendung pseudolinguistischer Regeln bei einer Argumentation nicht korrekt ist.

Grüße, Thomas