Hallo,
ich beschäftige mich gerade mit Abraham bzw. seiner historischen Einordnung.
Bei wikipedia kann man lesen:
_Außerhalb der biblischen Erzählungen und davon abhängigen Traditionen existieren keine Nachweise für die Existenz Abrahams. […] Die erwähnten historischen Verhältnisse erlauben auch keine eindeutigen Rückschlüsse auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund der biblischen Erzählungen.
[…]
war der chaldäische Hirte Abram aus seiner Heimat der sumerischen Stadt Ur in Chaldäa nach Harran gewandert, weil die Stadt Ur von Feinden besetzt worden war.
Es […] um 1900 vor Beginn der heutigen Zeitrechnung._
In der Diskussion dazu: Alles ziemlich dünn und etwa auf dem Stand des Brockhaus von vor 100 Jahren. Kein ernst zu nehmender Bibelforscher glaubt heute noch, daß Abraham - wenn er denn eine historische Figur war - um 1.900 v.C. im chaldäischen Ur geboren wurde. Damals gab es in Ur nämlich noch gar keine Chaldäer. Vielmehr dürfte er aus dem - heute kurdischen - Urfa nahe Harran stammen, wo er aufwuchs. Alles andere haben sich die Verfasser des AT im Babylonischen Exil ausgedacht, wo der Name Ur halt einen besseren Klang hatte. Man sucht den historischen A. heute im späten 11. Jahrhundert v.C. - ist freilich auch da noch nicht so recht fündig geworden.
Was sagt ihr dazu? Was ist der aktuelle Stand der „ernstzunehmenden Bibelforscher“? Kann ich den irgendwo nachlesen, so, dass es auch für einen Laien verständlich ist?
Man sucht den historischen A.
heute im späten 11. Jahrhundert v.C. - ist freilich auch da
noch nicht so recht fündig geworden.
Was sagt ihr dazu? Was ist der aktuelle Stand der
„ernstzunehmenden Bibelforscher“?
ich habe hier ein Buch: „Universalgeschichte der Juden“ (Eli Barnavi) aktualisierte Neuausgabe 2002 ISBN:3-85498-284-4 Buch anschauen
„die einzige zeitgenössische ägyptische Quelle, die tatsächlich Israel erwähnt, ist die Stele von König Mernephta aus dem fünften Jahr seiner Herrschaft (1207 v.Chr.)“
Wenn um 1200 v.Chr. Israel erwähnt wird, kann Abraham nicht erst im 11.Jhdt. gelebt haben.
Man legt halt heute nicht mehr so viel Wert auf Personen die bereit sind innere Stimmen als Stimmen Gottes zu erklären und diese zum Anlass nehmen ihre eigenen Söhne zu ermorden.
MfG George
man ist nicht sicher - um es ganz kurz zu machen -, ob man Abraham als eine historische Gestalt ansehen darf.
So sind z.B. die Versuche W.F. Albrights, ihn archäologisch nachzuweisen, von allen Fachkollegen für gescheitert erklärt worden.
Albrecht Alt hat eine „nomadische Väterreligion“ vermutet und neben A. die anderen Väter (Isaak, Jakob) als Kultstifter und Offenbarungsempfänger gesehen, deren Traditionen in den vorisraelitischen Sippen gepflegt und später in den JHWH-Glauben integriert wurden. Auch dagegen hat es, wiewohl diese These als genialer Entwurf die Diskussion lange bestimmt hat, später begründete Einwände gegeben.
Endlich scheinen weitere Beobachtungen mindestens gegen die Ansetzung Abrahams in eine so frühe Zeit (1900 - 1700 v. Chr.) zu sprechen: Das Kamel wurde erst um 1200 v. Chr. domestiziert, kann also in der Geschichte A.s so früh keine Rolle gespielt haben. (Evangelikale Kreise um die Zeitschrift „Faktum“ suchen freilich gerade nach Beweisen, dass es das Kamel als Haustier doch schon um diese frühe Zeit gegeben habe!)
Insgesamt: Die Geschichten um Abraham verfolgen alle sog. „ätiologische“ Zwecke, d.h. sie sollen begründen, warum bestimmte Dinge, Namen, Zustände jetzt so sind, wie sie sind und wie sie das wurden, was sie sind. Solche Ätiologien setzen aber immer den bekannten Endzustand voraus und wollen seine Genese erklären. Die Wahrscheinlichkeit ist also hoch, dass sie erst in der Zeit des bekannten Endzustandes verfasst worden sind. Mithin können sie in keinem Fall ein Beweis für die Existenz Abrahams sein.
vielen Dank, dass du genau auf meine Frage geantwortet hast- so macht w-w-w- Spaß!
Man legt halt heute nicht mehr so viel Wert auf Personen die
bereit sind innere Stimmen als Stimmen Gottes zu erklären und
diese zum Anlass nehmen ihre eigenen Söhne zu ermorden.
Welche Bibelforscher (nach denen hatte ich ja gefragt) vertritt denn diese These?
vielen Dank für deine Antwort. Du hast mir viele Ansatzpunkte zum Weiterlesen gegeben (z.B. hatte ich vorher noch nie von Albrecht Alt gehört).
man ist nicht sicher - um es ganz kurz zu machen -, ob man
Abraham als eine historische Gestalt ansehen darf.
Ganz kurz werde ich mir das so merken.
Insgesamt: Die Geschichten um Abraham verfolgen alle sog.
„ätiologische“ Zwecke, d.h. sie sollen begründen, warum
bestimmte Dinge, Namen, Zustände jetzt so sind, wie sie sind
und wie sie das wurden, was sie sind. Solche Ätiologien setzen
aber immer den bekannten Endzustand voraus und wollen seine
Genese erklären.
Auch wenn ich jetzt abschweife:
Was heute würde denn mit der Abraham-Erzählung zum Beispiel begründet werden können?
Und was Abraham angeht: Die bekannteste Ätiologie ist doch die, dass Menschenopfer durch Tieropfer ersetzt werden, erzählt in der Geschichte von der „Opferung“ (christlich) oder „Bindung“ (jüdisch) Isaaks.