Hitler = Kanzler durch Hindenburg

Gehört ein bisschen zum Posting zwei Zeilen weiter unten, trotzdem mache ich’s getrennt:
Laut Weimarer Verfassung musste Hindenburg Hitler als Kanzler einsetzen, da er der Führer der Mehrheitsfraktion im Reichstag war - sagen manche. Dann wäre Hitler also ganz demokratisch an die Macht gekommen! Andere sagen, dass H’burg auch andere Möglichkeiten gehabt hätte.
Wer weiss es (fast) genau?
Stucki

Für „ganz genau“ rate ich zu einem Geschichtsbuch - doch als Merksatz dieses:
Hindenburg („Der Steigbügelhalter Hitlers“)hatte andere Möglichkeiten, doch waren die meisten davon ja bereits ausprobiert und gescheitert. (Brüning, Schleicher, von Papen).
Hitler kam so gesehen „demokratisch“ an die Macht, obwohl die NSDAP bei der vorhergehenden Wahl Stimmen verloren hatte. Es war aber eine demokratische Legalität, die keine Legitimität hatte; d.h. praktisch alle Handlungen nach dieser „demokratischen“ Machtergreifung waren darauf gerichtet, die wesentlichen Elemente der demokratischen Weimarer Verfassung auszuhebeln, bzw. auszuhöhlen.
Dass er „demokratisch“ an die Macht kam zielt auf das legale Verfahren und dies darf keineswegs so mißverstanden werden, daß alles andere, was dann kam, ja auch demokratisch legitmiert gewesen sei.
Jürgen

Hallo,

Hitler wurde aufgrund der Notverordnung (Artikel 48 Weimarer Verfassung) zum Reichskanzler ernannt. Demokratisch kann man diesen Vorgang eigntlich nicht mehr nennen, da durch diese Notverordnung die Verfassung zum grössten Teil ausser Kraft gesetzt wurde. Der Reichspräsident hatte sozusagen völlig freie Hand. Weiterhin konnte Hitler das Offiziers-Korps der Reichswehr hinter sich bringen und verfügte mit seiner „Privatarmee“ SA über ein massives (militärisches) Druckmittel gegen Hindenburg. Wahrscheinlich hat Hindenburg eine ähnliche Entwicklung wie 1923.

Nähere Infos gibt´s z.B. bei der BPB (http://www.bpb.de) Online-Publikationen, Heft 251.

Gruss
Peter

Damit hier kein falsches Verständnis aufkommt: Ich suche nicht nach einer demokratischen Legetimität der Machtergreifung. Natürlich war alles nur auf Macht und Diktatur ausgerichtet. Ich hatte in einer Diskussion auch einmal die Meinung vertreten, dass Hindenburg aus einem Holz geschnitzt war, das Hitler gern an die Macht brachte und der sicher auch andere Möglichkeiten hatte. Da wurde mir (von Demokraten!) entrüstet entgegen gehalten, dass das eine Beurteilung aus heutiger Sicht sei, dass das die Weimarer Verfassung vorschrieb und dass er gar keine andere Möglichkeit hatte!
Stucki

Faktisch hat ja die Weimarer Republik als Demokratie bereits am frühen Anfang der Dreissiger Jahre aufgehört zu existieren - Brüning, Schleicher und von Papen regierten eine präsidiale Republik, die von einigen monarchistischen und konservativen Kräften äußerst gern gesehen wurde.

Hindenburg selber - nun will ich mal für den greisen Feldmarschall eine virtuelle Lanze brechen - hat nie sonderlich viel von Hitler gehalten. Gegenüber Vertrauten ließ er einmal verlauten, daß man diesen „österreichischen Obergefreiten höchstens zum Postminister“ ernennen könne - aber nicht zum Reichskanzler. Daß er es schließlich trotzdem getan hat liegt nicht zuletzt an den Winkelzügen von Schleicherund von Papen, die bis zuletzt glaubten Hitler unter Kontrolle halten zu können. Die Quittung bekam Deutschland postwendend mit der in diesem Rahmen unerwarteten Machtübernahme der Nazis - Schleicher und Konsorten erst ein wenig später: In der „Nacht der langen Messer“ 1934 wurden viele des damaligen Kabinetts verhaftet und hingerichtet.

Ich glaube, der entscheidende Punkt ist noch nicht genannt worden. Die Koalition, die Hitler im Reichstag unterstützte, hatte dort eine Mehrheit. Seit dem Rücktritt der Regierung Müller 1930 hatten die Reichsregierungen bestenfalls auf die Tolerierung des Parlaments zählen können, aber keine einzige hatte eine Mehrheit hinter sich.

Insofern lag leider eine gewisse Unausweichlichkeit (man könnte fast sagen Tragik) in der Ernennung Hitlers. Alles anderen Varianten (ausgenommen der Staatsstreich, aber der war mit Hindenburg dann wohl doch nicht zu machen) waren ja schon durchgespielt.

Der Artikel 48 WRV ermöglichte der Regierung im Zusammenspiel mit dem Reichspräsidenten Gesetze zu erlassen.
Durch die Direktwahl des Präsidenten war dieses Verfahren hinreichend legitimitiert. Auch Ebert hat davon reichlich Gebrauch gemacht.
Im übrigen hatte der Reichstag die Möglichkeit, entsprechende Art.-48-Verordnungen mit Mehrheit wieder abzuschaffen.

Die Regierungsbildung hatte mit dem Art. 48 nichts zu tun.

Andreas

P.S.: Standardwerk zum Thema von Karl Dieter Bracher, Der Untergang der Weimarer Republik

Hindenburg hatte eine andere Möglichkeit, nämlich eine große Koalition aus allen anderen Parteien außer KPD oder allen anderen Parteien außer DNVP unter Tolerierung der KPD, denn die NSDAP hatte nie die absolute Mehrheit. Hindenburg wollte als Vertreter der Konservativen Hitler nicht zum Kanzler machen, denn dieser war zwar rechts, aber doch sehr revolutionär. Nicht zu vergessen ist aber auch, dass Hindenburg als seniler Präsident von über 80 Jahren immer mehr auf seine Berater angewiesen war, unter denen sich einige Vertreter der NSDAP befanden. Soweit, g.14