Hoffnung als Todsünde?

Hallo!
Gibt es eine religiöse oder philosophische Gedankenrichtung, die dahingeht, die Hoffnung unter die Todsünden einzureihen, mit dem Argument, es wäre vermessen anzunehmen, die „höheren Mächte“ könnten der Menschheit aus Wohltätigkeit dieses Geschenk gemacht haben?

Gruß,
Eva

Petrus Lombardus
Hi Eva,

die Hoffnung unter die Todsünden einzureihen, mit dem Argument, es wäre vermessen anzunehmen, die „höheren Mächte“ könnten der Menschheit aus Wohltätigkeit dieses Geschenk gemacht haben?

Das einzige, was mir dazu einfällt, ist Petrus Lombardus
http://www.eckhart.de/index.htm?personen.htm#Lombard
http://de.wikipedia.org/wiki/Petrus_Lombardus
der mit seinem epochemachenden vierbändigen Werk der Sententiae die systematische Theologie begründete.

In der Christologie (= Band III der Sententiae) argumentiert er, daß Hoffnung außer auf die Gnade Gottes auch auf Verdienste gegründet ist. Daher dann:
Sine meritis enim sperare non es spes, sed prsumptio dici potest
(Ohne Verdienste nämlich zu hoffen, ist nicht Hoffnung, sondern kann Vermessenheit genannt werden)

Auch, wenn die superbia (Hochmut) in der Liste der 7 Todsünden von Gregor I als solche benannt wird, geht aus der Argumentation in den Sententiae aber nicht hervor, daß Lombardus mit presumptio eine Todsünde gemeint hat. Da muß also dein Autor etwas mißverstanden haben, oder er bezieht sich auf irgendeine sonstige suspekte Quelle.

Gruß
Metapher

Hi Eva

*welches* Geschenk? Dein Satz macht so keinen Sinn.
Wenn die Hoffnung ein Geschenk der höheren Mächte wäre, warum wäre sie eine Todsünde? Hä? Kannst du das nochmal genauer formulieren?

lg
Kate

Hallo,

Eva!

Mir fällt da zuerst der Mythos von der Büchse (pithos) der Pandora ein. Es gibt dazu allerdings widersprüchliche Interpretationen.
Hannes

Hi

Mir fällt da zuerst der Mythos von der Büchse (pithos) der
Pandora ein. Es gibt dazu allerdings widersprüchliche
Interpretationen.

Als alter Freudianer würde mir natürlich spontan dazu einfallen, dass die „Büchse“ ja ein vulgärer Ausdruck für das weibliche Geschlechtsteil ist und dass die Büchse der Pandora also u.a. auch das ganze mögliche Unheil antizipiert, wenn man sich zu schnell und zu sehr von derselben anlocken und verführen lässt (von Alimenten für unbeabsichtigten Kindersegen, unglücklicher Liebe bis hin zu profanen Geschlechtskrankheiten).
Gruß,
Branden

total ot

Das einzige, was mir dazu einfällt, ist Petrus Lombardus
http://www.eckhart.de/index.htm?personen.htm#Lombard
http://de.wikipedia.org/wiki/Petrus_Lombardus
der mit seinem epochemachenden vierbändigen Werk der
Sententiae die systematische Theologie begründete.

Und das hast Du komplett gelesen? Im Original vermute ich :wink:

LG

Avera

Und das hast Du komplett gelesen?

Oh nee, das ist ein so umfangreiches Werk, nur ein hauptberuflicher Mediävist oder Theologiehistoriker käme nicht dran vorbei, sich da durchzuwühlen. Und mit mittelalterlichem Latein hab ich eh so meine Probleme.

Ich kenn es nur in Auszügen zu speziellen Themen - im Zusammenhang mit Seminaren, die ich in meinem früheren Leben über Meister Eckardt und Abälard machte.

LG zurück
Metapher

Hallo!

Als alter Freudianer würde mir natürlich spontan dazu
einfallen

Mir fällt da, ebenso spontan, wieder Karl Krausens Dictum ein über die Psychoanalyse als die Krankheit, als deren Heilung sie sich ausgibt. :smile: *

, dass die „Büchse“ ja ein vulgärer Ausdruck für das
weibliche Geschlechtsteil ist

Die „Büchse“ der Pandora ist vor allem ein viel beschrie(b)ener Übersetzungsfehler.
Ob die P. überhaupt eine genuin mythische Gestalt ist oder eine eher misogyne Erfindung des Hesiod, ist noch nicht ausdiskutiert. Er erzählt diese Geschichte als erster und beschreibt die P. als hübsch (und) dumm und gibt damit den Frauen die Schuld an allen Übeln. (Fällt einem da nicht die biblische Eva ein?)
Vorher war dies ein Sakralname für die Erdgöttin und wirkliche Pandora(= „Allgeberin“) Gaia.
Gruß!
Hannes
* Du musst mich aber nicht für einen Banausen halten. „Zeitgemäßes über Krieg und Tod“ habe ich in Auszügen im Unterricht gelesen.

Hi

Mir fällt da, ebenso spontan, wieder Karl Krausens Dictum ein
über die Psychoanalyse als die Krankheit, als deren Heilung
sie sich ausgibt.

Ich mag den Spruch auch, aber wir müssen ihn korrekt wiedergeben:
„Psychoanalyse ist jene Geisteskrankheit, für deren Therapie sie sich hält.“
Warum lege ich auf diesen Unterschied wert?
Weil die Psychoanalyse sich grundsätzlich nicht für irendetwas ausgibt, was sie nicht ist. Sie arbeitet nicht mit Potjemkinschen Dörfern oder falschem Schein. Das sollte man ihr nicht unterstellen - und das tat Karl Kraus auch nicht. Dazu war er zu klar und zu klug.
Wenn sich die Psychoanalyse allerdings für etwas h ä l t, was sie vielleicht nicht ist, dann ist sie keine Betrügerin, sondern allenfalls einem Irrtum aufgesessen. Und das halte ich für ehrenwerter.
Gruß,
Branden

Senf
Hallo!
Ich hätte diesen Stein nicht in den stillen Teich werfen sollen, weil ich gar keine Zeit habe, mich selbst dazu zu äußern - schlechtes Timing von mir, sorry! Werfe aber noch ein paar Kiesel hinterher *g*

Ein junger Mann in dem bewussten Roman stellt für seine Doktorarbeit diese These auf, dass alle Todsünden auf Vermessenheit beruhen und ob es nicht ebenfalls vermessen ist zu glauben, die höheren Mächte, welche auch immer, hätten uns dieses Zuckerl zur Linderung unserer Leiden geschenkt.

Warum haben die Götter eigentlich die Hoffnung zu den Übeln in die „Büchse“* der Pandora gepackt? Tatsächlich als kleinen Trost? Und warum ist sie drin geblieben? Weshalb hat Pandora, nachdem sie im ersten Schreck - der einen Version der Sage nach - den Deckel zugeklappt hatte, gleich nochmal nachgeschaut: „Huch, da rappelt doch noch was, mal gucken - hui, weg isses!“? In meinem kleinen und naturgemäß nicht allumfassenden Lexikon der antiken Mythen und Gestalten steht noch vermerkt, dass es nach einer anderen Version ursprünglich das Gefäß des Prometheus gewesen sein soll (des „vorher Bedenkenden“, sein Bruder, der Pandora geheiratet haben soll, hieß „der nachher Bedenkende“, woraus man schließen könnte, er war der Depp, der den Deckel angehoben hat :wink:, gefüllt mit allen guten Gaben für die Menschheit. Pandora schaut hinein und weg sind sie, unwiederbringlich, nur die Hoffnung, langsamer als die anderen, blieb der Menschheit erhalten.

Und vielleicht ist die Hoffnung, wie wir sie verstehen, wirklich „des Teufels“, weil sie uns von der göttlichen Hoffnung ablenkt, denn „Ist Hoffnung, die grundlegende emotionale Lebenskraft, dann ist sie vielleicht auch, wie Eliot antönt, ihr eigener Gegensatz, der grundlegende Trug: Erwartung und Begierde entfremden uns dem Augenblick.“** und Paulus an die Römer: „… Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung. Was man sieht, wozu soll man es erst hoffen? Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, so harren wir in Geduld.“ „Die Hoffnung im religiösen Sinn meint das Opfer allen Hoffens.“**

Ehrlich gesagt, habe ich über dieses Wort nie groß nachgedacht und fand diese Sichtweisen interessant.

Gruß,
Eva

*http://de.wikipedia.org/wiki/Pandora
daraus:Ursprünglich wurde Pandora möglicherweise nicht mit dem Übel, sondern mit den Gaben der Erde in Verbindung gebracht … Somit könnte die Erzählung Hesiods bereits eine misogyne Verfremdung eines ursprünglicheren Stoffes sein."
Ich füge hinzu, auf die „Büchse“ als Anspielung auf die Vagina bezogen: In erster Linie kommen die vielbegehrten Kinderlein da heraus, künftige Steuerzahler und die Zukunft der Menschheit. Assoziativ gleich an Geschlechtskrankheiten etc. zu denken, finde ich etwas merkwürdig.

**aus: „Selbstmord und seelische Wandlung“ von James Hillman.
Der bewusste junge Mann stellt ebenfalls die These auf, dass Selbstmord gerechfertigt und gottgefällig ist, um sich aus einer zutiefst unmoralischen Gesellschaft zu entfernen.

Gibt es eine religiöse oder philosophische Gedankenrichtung, die dahingeht, die Hoffnung unter die Todsünden einzureihen,…

Ja, die Evolutionisten.

es wäre vermessen anzunehmen,…

„Wer an Christus glaubt, soll ewiges Leben haben“, ist die Hoffnung der Hoffnungen. Warum sind diese Worte des Gottessohnes vermessen?