HRE Fiasko #2

Hallo,

die HRE ist ja 2009 im Zusammenhang mit der weltweiten Bankenkrise als einzige deutsche Bank verstaatlicht worden.

Jetzt braucht sie schon wieder drastische Zuschüsse aus Steuermitteln. Was ich aber den Presseberichten nicht entnehmen kann:

Beruht dieser Finanzbedarf auf Fehlern, die sie vor 2009 gemacht hat?
Wenn ja, warum hat sie damals nicht schon das Geld oder eine entsprechende Garantie bekommen?

Oder hat sie sich, diesmal unter der Ägide ihres neuen Herrn, der Bundesregierung, erneut verzockt?

Grüße
Carsten

Hallo Carsten,

wenn ich die akktuellen Meldungen richtig verstanden habe, dann geht es um weitere Garantien/Bürgschaften, die der Staat (in Form des Soffin) für die Schulden der HRE gibt, nicht um Geld, das zu diesem Zeitpunkt tatsächlich fließt.

Das ist wenig verwunderlich. Eine Bank leiht sich Geld, um es weiter zu verleihen. Die Laufzeiten für das gelíehene Geld laufen irgendwann aus und sie muss sich das Geld erneut leihen (refinanzieren). Ein alltäglicher Vorgang in der Finanzwelt.
Da der Kapitalmarkt nunmal weiß, dass der Staat für die Schulden der HRE garantiert, wird er ihr ohne diese Garantie auch nichts leihen. Also muss der Staat, jedesmal wenn eine Refinanzierung ansteht, seinen Schutzschirm aufspannen.
Das hat nichts mit erneutem Gezocke zu tun. Wenn man die Schuldenstruktur der HRE kennen würde, könnte man heute schon sagen, wann und in welcher Höhe das wieder sein wird … .

Aber für die Medien ist eine neue spektakuläre Meldung natürlich interessanter… .

Gruß vom Money-Schorsch

Nein, es reicht nicht aus die Finanzierungsstruktur der HRE zu kennen. Bsp. Die HRE leiht sich 100 von Bank/Staat. Diese legt sie in Schrottpapier A mit Wert 100 an. Ist das Schrottpapier A dann nur noch 50 Wert müssen die 50 finanziert werden, da den Schulden (100) nur noch Schrottpapiere (also Guthaben) von 50 gegenüberstehen.

Abwicklungsanstalt FMS Wertemanagement
Hallo,

Beruht dieser Finanzbedarf auf Fehlern, die sie vor 2009
gemacht hat?

der Mittelbedarf steht im Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögensgegenständen im Volumen von Euro 210 Mrd. Euro auf die frisch gegründete Abwicklungsanstalt FMS Wertmanagement.

Hintergrund ist, daß die HRE bei einigen Geschäften Liquidität als Sicherheit hinterlegen muß. Da deie Übertragung nicht von jetzt auf gleich möglich ist, muß für eine Übergangszeit die Sicherheit doppelt hinterlegt werden (einmal für die HRE und einmal für die FMS). Diese Doppelbelastung beziffert man auf 20 Mrd. Euro.

Die andere Hälfte des Betrages dient als Puffer für Turbulenzen den Märkten (insbesondere Währungen und Staatsanleihen) für die Zeit nach der Abspaltung, um etwaige Investoren davon überzeugen zu können, daß die Bank zukünftig auch in schwierigen Zeiten hinreichend mit Eigenkapital und Liquidität ausgestattet ist.

Oder hat sie sich, diesmal unter der Ägide ihres neuen Herrn,
der Bundesregierung, erneut verzockt?

Verzockt hast sich die Bank eigentlich gar nicht, sondern nur - aus heutiger Sicht - falsch finanziert. Wenn die Märkte aufgrund der Immobilienkrise in den USA, mit der die HRE nur wenig zu tun hatte, nicht völlig außer Rand und Band gewesen wären, hätte die Bank (bzw. die irische Tochter Depfa) bis zum Ende aller Tage so weitermachen können.

Gruß
Christian

Hallo Christian et al.,

„falsch finanziert“ ist sehr freundlich formuliert. Die Depfa hat aus wirtschaftlichem Kalkül ihre Refi nicht fristenkongruent gehalten. Schließlich brachte eine breitere Fristentransformation eine deutlich höhere Marge. Dabei wurde im Grunde auf eine bestimmte (stabile) Zinsstruktur gewettet.

Das ist - das wissen wir heute - gründlich daneben gegangen. „Verzockt“ ist schon ganz richtig. Schließlich waren die Sollbruchstellen spätestens seit 2003 - da gab es eine einschlägige Konferenz unter Leitung von Peer Steinbrück - der Bundesregierung und den großen Banken bekannt.

Viele Grüße
Oliver H.

Hallo,

„falsch finanziert“ ist sehr freundlich formuliert.

wenn Du mich schon zitierst, dann bitte vollständig. Ich schrieb „aus heutiger Sicht falsch finanziert“. Das Problem war nicht die nicht fristenkongruente Finanzierung, sondern die nicht fristenkongruente Finanzierung am Kapitalmarkt. Kreditinstitute haben doch gerade die volkswirtschaftliche Aufgabe der Fristentransformation.

Diese wird auch von allen Kreditinstituten durchgeführt. Von manchen exzessiver, von manchen weniger exzessiv. Entscheidender ist aber, wo bzw. bei wem man sich kurzfristig refinanziert. Die HRE hats dummerweise am Kapitalmarkt gemacht, der entgegen aller Erwartungen auf einmal begann herumzuzicken. Die meisten anderen Institute refinanzieren sich kurzfristig über Spar- und andere Einlagen.

Um noch einen Schritt weiterzugehen: auch Gebietskörperschaften finanzieren ihre langfristigen Anlagen kurzfristig, was so lange funktioniert, wie die Gläubiger keine Zweifel an deren Bonität bekommen. Auf das, was passiert, wenn sich das ändert, haben wir im Frühjahr einen ersten Vorgeschmack bekommen.

Kurzum: vor dem Hintergrund der langjährigen Erfahrungen hat die HRE alles richtig gemacht. Der Kapitalmarkt war bis vor zwei Jahren ein scheinbar versiegender Quell billiger Liquidität. Damit, daß sich das so plötzlich ändert, konnte so ohne weiteres nicht gerechnet werden, zumindest nicht, wenn man die gültige Finanzmarktordnung und -struktur nicht infrage stellte.

„Verzockt“ ist schon ganz richtig. Schließlich waren die
Sollbruchstellen spätestens seit 2003 - da gab es eine
einschlägige Konferenz unter Leitung von Peer Steinbrück - der
Bundesregierung und den großen Banken bekannt.

Von der Konferenz ist mir nichts bekannt, wohl aber davon, daß sich die großen Banken bis heute kurzfristig finanzierungen und der Staat das zu einem nicht unerheblichen Teil auch so handhabt.

Die HRE hat nichts besonderes gemacht. Sie wurde lediglich eines der ersten Opfer eines Paradigmenwechsels am Kapitalmarkt: der Beginn des Endes des Glaubens an die uneingeschränkte Bonität der Kreditinstitute und Gebietskörperschaften.

Gruß
Christian