Hume:Skeptische Zweifel in Betreff der Thätigkeite

Nach Hume doch tabula rasa bei der Geburt?

Ich habe die nächsten 5 Seiten gelesen, zusammen nun 1- 19.
„Skeptische Zweifel in Betreff der Thätigkeiten des Verstandes.“
Abschnitt II. bis Ende

Es schien im vorigen so, als ob der Mensch nach einer ihm doch vorgegeben Weltanschauung, nämlich alles Geschehen der Welt geschähe nach dem Kausalitätsprinzip von Ursache und Wirkung, jedem Geschehen eine Ursache zu unterstellt, bzw. jeder Ursache eine Wirkung, was jedoch den Eindrücken und Vorstellung nicht zu entnehmen sei, sondern ihnen vom Menschen aufgrund dieser angeborenen Weltanschauung angetragen oder angedichtet würde.

Hume bestreitet genau dies. Man übertrage ungerechtfertigt Regeln der Mathematik, Allgebra und Geometrie auf die Verknüpfung der Tatsachen der normalen Eindrücke und Erfahrungen im Alltag und dann auf unsere Vorstellungen.

Mit dieser Konsequenz erweist sich Hume als großer Philosoph, der bis zur Gegenwart aktuell ist.
Er lässt bisher offen, ob die Welt, die wir wahrnehmen, samt unserem Körper, unserem Gehirn und (auch der DNS) Außenwelt der Seele ist, oder umgekehrt, ob die Welt, von der wir nur durch Wahrnehmung und Erkenntnis wissen, samt Himmel und Kosmos, samt Geschichte und Mitmensch nur unsere Innenwelt ist.

Friedhelm

Hallo Friedhelm

Fuer mich ist das Wesentliches dieses Abschnittes die Formulierung
des Induktionsproblems:
Schon jedes Kind verallgemeinert von einer Reihe gleicher Erfahrungen
auf eine Gesetzmaessigkeit und auch Hume selbst wuerde keinen echten
Zweifel daran haben, dass ein losgelassener Stein auch dieses Mal
wieder zu Boden falle; jedoch macht er darauf aufmerksam, dass es ihm
voellig unklar ist, mit welchem Mittel wir von den Einzelerfahrungen
auf die Gesetzmaessigkeit schliessen. Jeder tut dies, aber die
Methode nach welcher er dies tut, ist nach wie vor unentdeckt.
Und wenn es kein Verfahren gibt, das so unfehlbar waere wie z.B. ein
syllogistischer Schluss, dann darf man den Verfahren, die man
offenbar anwendet, nicht vollstaendiges Vertrauen schenken.

M.a.W.: Induktionsschluesse sind logisch nicht zu begruenden und
koennen fehlgehen.
Auf ihnen jedoch ist jede empirische Wissenschaft gebaut.

Gruss, Tychi

Hallo Tychi,
Du hast recht. Genau dieses lebensnotwendige Schließen von vielen gleichen Erfahrungen auf die Wahrscheinlichkeit, dass sich bei gleicher Konstellation auch das prinzipiell Gleiche wieder ereignen wird, ist hier das Zentralthema. Von Hume wird jedoch in Frage gestellt, dass aus solcher Erfahrung der Schluß berechtigt ist, dass es das Prinzip oder Gesetz von Kausalität ist, wie es seit Aristoteles allgemeingültig ist, die jede Wirkung mit einer Ursache verbindet, wie es bis heute Grundlage jeder empirischen Wissenschaften ist.
Genau dieses Fragezeichen bei Hume führte dann später bei Kant zu der sog. „Kopernikanischen Wende“, der dann behaupten kann, dass solche Gesetze wie überhaupt jedes Aussehen eines Dings nicht der Erfahrung bzw. der Affektion entnommen wird, sondern umgekehrt vom Menschen artifiziell dieser übergestülpt, quasi angedichtet wird. Dabei ist die Kausalität nur eine der 4 bzw. 12 Kategorien.
„Kant unterscheidet Kategorien der Quantität (Einheit, Vielheit, Allheit), der Qualität (Realität, Negation, Einschränkung), der Relation (Substanz, Ursache, Gemeinschaft) und der Modalität (Möglichkeit, Dasein, Notwendigkeit).“
Diesem allen legt Kant a priori Zeit und Raum zugrunde.
Bis zu Gerold Prauss noch im 20 Jahrhundert konnte jedoch der Einwand gegen Kant nicht widerlegt werden, dass es sich bei Kant um einen Zirkelschluß handele, weil er so die Ursache der Kausalität kausal begründe und sie somit voraussetze.(G.Prauss, „Die Welt und wir“ Metzler, Bd II/1, Seite 310-311)
Mit der Analogie zum „induktiven“ Schluß innerhalb der empirischen Wissenschaft als Gegensatz zum „deduktiven“ Schluß, wie Du es in Bezug auf Humes Fragezeichen thematisierst, habe ich allerdings Schwierigkeiten, weil sich allgemein der induktive Schluß keineswegs nur auf das Kausale gründet, auch wenn dies sprachlich (x weil y) oft so formuliert wird: „Dieser Schimmel ist weiß, weil alle Schimmel weiß sind.“ :smile: Oder einfacher: Für jemand, der nur schwarze Katzen kennt, heißt es dann: „Diese Katze ist schwarz, weil alle Katzen schwarz sind.“ Genau genommen lautet aber der induktive Schluß (wenn x dann y): „Wenn alle Katzen schwarz sind, dann ist diese Katze ebenfalls schwarz.“ Hier muß man das „Wahrscheinlich“ jedoch der Prämisse anhängen. Dies gilt jedoch auch dem sog. „deduktiven“ Schluß, wie: „Die Winkelsumme im Dreick beträgt 180 Grad.“ , wenn dieses „wahrscheinlich“ für ein ebenes Dreieck gemeint ist.

Wie würdest Du hier den induktiven Schluß im Gegensatz zum deduktiven definieren? Meint Hume nicht vielmehr statt den induktiven Schuß selbst nur die Interpretation der Induktion als Annahme einer Kausalität?

Herzlichen Gruß
Friedhelm

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Hallo Friedhelm

Ich glaube hier bringst du die Begriffe durcheinander.
Ein induktiver Schluss ist: Bisher ging jeden Tag die Sonne auf, also
wird sie es morgen wieder tun, oder mehr noch: sie wird es immer tun.

Mit der Analogie zum „induktiven“ Schluß innerhalb der
empirischen Wissenschaft als Gegensatz zum „deduktiven“
Schluß, wie Du es in Bezug auf Humes Fragezeichen
thematisierst, habe ich allerdings Schwierigkeiten, weil sich
allgemein der induktive Schluß keineswegs nur auf das Kausale
gründet, auch wenn dies sprachlich (x weil y) oft so
formuliert wird: „Dieser Schimmel ist weiß, weil alle Schimmel
weiß sind.“ :smile:

Das ist ein schlecht gewaehltes Beispiel, weil ein Schimmel, so sagt
es die Wortbedeutung, nicht anders als weiss sein kann.
Nehmen wir aber ein beliebtes anderes Beispiel: Dieser Schwan ist
weiss, weil alle Schwaene weiss sind.
Hierbei haben wir es, so glaube ich, mit einem Syllogismus zu tun,
bei dem es zunaechst egal ist, ob seine Voraussetzung ‚alle Schwaene
sind weiss‘ wahr ist. Natuerlich kann man auch mein Beispiel mit der
Sonne in diese Form bringen, aber es ist nicht besonders klug die
Frage nach der Wahrheit einer Voraussetzung (Induktionsproblem) mit
den aus ihr folgenden Schluessen (Syllogismus) zu verwechseln.

Oder einfacher: Für jemand, der nur schwarze
Katzen kennt, heißt es dann: „Diese Katze ist schwarz, weil
alle Katzen schwarz sind.“ Genau genommen lautet aber der
induktive Schluß (wenn x dann y): „Wenn alle Katzen schwarz
sind, dann ist diese Katze ebenfalls schwarz.“

Nein, nein: Das ist wieder ein Syllogismus. Der Induktionsschluss
lautet: Weil alle Katzen, die ich bisher sah, schwarz waren, werden
wohl auch alle Katzen, die ich noch nicht sah, schwarz sein.
Das ist ein Schluss vom Speziellen auf’s Allgemeine. Was du hingegen
tust, ist ein Schluss vom Allgemeinen (alle Katzen) auf’s Spezielle
(diese Katze hier). Diese Schlussweise heisst Deduktion und ist der
Form nach ein Syllogismus.

Hier muß man
das „Wahrscheinlich“ jedoch der Prämisse anhängen. Dies gilt
jedoch auch dem sog. „deduktiven“ Schluß, wie: „Die
Winkelsumme im Dreick beträgt 180 Grad.“ , wenn dieses
„wahrscheinlich“ für ein ebenes Dreieck gemeint ist.

Hier haben wir wieder das Gleiche wie beim Schimmel: Ein ebenes
Dreieck hat per definiton 180 Grad Innenwinkelsumme. Das muss man
nicht schlussfolgern.

Wie würdest Du hier den induktiven Schluß im Gegensatz zum
deduktiven definieren? Meint Hume nicht vielmehr statt den
induktiven Schuß selbst nur die Interpretation der Induktion
als Annahme einer Kausalität?

Das laeuft wohl auf dasselbe hinaus, denn wenn eine Kausalitaet
existiert, dann kann der Schluss nicht fehlgehen. Da er aber
fehlgehen kann, muss man auch die Kausalitaet in Frage stellen. D.h.
die Berechtigung induktiver Schluesse anzuzweifeln ist
gleichbedeutend damit, das Vorhandensein von Kausalitaet anzuzweifeln
(ich schraenke ein: anzuzweifeln, dass die von uns vermeintlich
erkannte Kausalitaet die richtige sei).

Gruss, Tychi

Hallo Tychi,
Danke für Deine ausführliche Information. Abgesehen von der Winkelsumme des Dreiecks und dem weißen Schimmel, muß ich Dir wohl recht geben. Meine Schwierigkeiten sind jedoch geblieben, - und ich stehe wohl nicht allein damit, wie ich mir „ergoogelt“ habe. :smile:
Im Meyers Lexikon lese ich:

induktiv [lat.J, V) nach Art der Induktion vom Einzelnen zum Allgemeinen hinführend.
Deduktion [lat.], Ableitung einer Aussage aus anderen Aussagen (Hypothesen) mit Hilfe von log. Schlußregeln. Vom Allgemeinen zum Einzelnen.
Syllogjsmus [griech.j, deduktiver Schluß, der von zwei Prämissen ausgeht, um über einen beiden gemeinsamen Mittelbegriff den gültigen Schlußsatz (Konklusion) abzuleiten. Die Syllogistik ist das auf Aristoteles zurückgehende Kernstück der traditionellen Logik.

Im Internet kann man sich hundert oder tausend Seiten zu diesem Thema ansehen. Hume kannte sicher die scholastische Tradition und hat bislang wenigstens diesen Begriff vermieden.
Das Logische oder das nur scheinbar zurecht Logische z.B. des induktiven Schlusses braucht eben nicht eine Kausalität zu meinen. Ich brachte das Beispiel der Winkelsumme im Dreieck von 180°. Irgendwann hat man sich per Definition geeinigt, den Kreis in 360° einzuteilen. Vielleicht dachte man an die Tage eines Jahres beim Umwandern der Erde um die Sonne. Die Winkelsumme eines Dreiecks als die Hälfte des Kreisradius, lässt sich errechnen und somit eigentlich „induktiv“ für alle Dreiecke beweisen, so es ein ebenes Dreieck ist. Ich kann aber trotzdem „deduktiv“ folgern, weil alle Dreiecke die Winkelsumme von 180° haben müssen, deswegen hat auch dieses einzelne, ebene Dreieck hier 180 Grad. Dies hat mit Kausalität aber nichts zu tun.

Induktiv oder „deduktiv“ ist hier nur die Bezeichnung meines denkerischen Verhaltens und sagt nichts aus über das Verhältnis des einzelnen Dreiecks zu allen möglichen, - und schon gar nicht über ein richtiges oder falsches kausales Verhältnis.

Genau mit dieser viel grundsätzlicheren Fragestellung durchbricht Hume ja das formal scholastische und gar das empiristische Gefängnis von Newtons „Uhrwerk“ des Kosmos.

so viel heute

Ganz herzlich
Friedhelm

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Hallo Tychi, alle!
bevor wir im Text weitergehen, möchte ich noch schnell einen grundsätzlichen Gedanken bei Humes aufgreifen.
Ich zitiere Humes: „Kurz, jede Wirkung ist von ihrer Ursache verschieden; sie kann deshalb in dieser nicht gefunden werden, und jede Erfindung oder Vorstellung derselben a priori muss völlig willkürlich bleiben. Und selbst wenn die Wirkung gekannt ist, bleibt die Verbindung ihrer mit der Ursache gleich willkürlich, weil es eine Menge anderer Wirkungen gibt, welche dem Verstande ebenso möglich und denkbar erscheinen.“

Tychi hatte natürlich recht: Immer, wenn man von Erfahrungen ausgehend auf ein allgemeines Gesetz schließt, handelt es sich um einen induktiven Schluß.
Dies bezeichnet eine bestimmte Art des „logischen“ Schließens und kann bei Prämissen, die sich verallgemeinern lassen, wie bei einer Winkelberechnung und in der Mathematik, durchaus zu einer wahren oder richtigen Erkenntnis oder Aussage berechtigen, was in den empirischen Wissenschaften (seit Popper) jedoch nur als These gilt, bis zur Widerlegung, die niemals ausgeschlossen sein kann.

Sicher werden wir noch viel über Logik diskutieren.
Humes geht es jedoch um das Phänomen, woraus sich Kausalität ableitet.

ganz herzlich
Friedhelm