Fels in der Brandung
Hallo Barbara,
Mir tut sie leid, weil wir merken, dass sie Stress hat (z.B. schluckt oder gähnt sie)
Das sind normale körpersprachliche Signale, die meist auf einen Konflikt hindeuten (Übersprungsverhalten): Wenn der Hund zwischen zwei Impulsen (z.B. gehorchen oder widersetzen) hin und her gerissen ist, reagiert er die Spannung durch Übersprungsverhalten ab.
Mitleid ist ein ganz schlechter Ratgeber. Euer Hund braucht nicht euer Mitgefühl, er braucht Sicherheit. Und zu dieser gehört, dass er möglichst schnell lernen kann, welche Regeln bei euch gelten und was erwünscht und was verboten ist. Je länger ihr ihn „schont“, desto länger bleibt die Unsicherheit bestehen.
Was sollen wir zu ihr sagen, wenn sie sich hinlegt zum Leine anlegen
Geh einen Schritt oder auch zwei von ihr weg, sag freundlich „Aufstehen“ oder „Hoch“ (oder was auch immer, hauptsache immer dasselbe) und klopf dabei auffordernd auf deine Beine oder klatsch in die Hände. Wichtig ist, dass du nicht über sie gebeugt stehst. Wenn sie aufsteht, kurz loben ("„Fein“), dann Leine anlegen. Hält sie still, wieder ein „Fein“. Versucht sie sich hinzulegen, möglichst im Ansatz gleich selbes Spiel wie vorher.
( Kommandos wie Sitz Platz usw. kennt/kann sie nicht)
Dann wird es Zeit, dass sie sie lernt
.
Für Leckerlis macht sie nichts
Die lässt sie liegen bzw. ignoriert sie, wenn sie an die Leine gelegt werden soll.
Das ist typisch für Hunde, die schnell Stress kriegen. Das kannst du verändern, wenn sie nur dann Leckerchen kriegt, wenn dies auch erzieherisch angebracht ist: Wenn sie etwas wunschgemäß gemacht hat. Mit dem „Fein“ kommt auch das Futter, das wird sie schnell raushaben. Wichtig: Niemals vorher das Futter hinhalten. Das bleibt außer Sicht, bis zur Erledigung der Aufgabe. Der Hund soll nicht dem Futter nachlaufen, er soll sich bewusst werden, was er getan hat, damit er das Leckerchen kriegt. Das wird ihm bei den nächsten Wiederholungen helfen, wunschgemäß zu reagieren.
Sie kommt sonst auch nur sehr zaghaft wenn wir ihr das Leckerli direkt vor die Schnauze halten oder vor ihr hinlegen, dann frist sie es, bleibt aber dabei liegen. Höchstens streckt sie den Kopf aus. Wenn wir es etwas weiter weg halten, dreht sie den Kopf weg
Das kennzeichnet einen Hund, der in erster Linie auf Artgenossen sozialisiert wurde: Sie hat gelernt, dass sie keine Ansprüche an die Beute anderer Hunde zu stellen hat. Hunde spielen dieses Spiel von „meine Beute-deine Beute“ bis zum Abwinken.
Sie verhält sich also euch gegenüber so, wie sie es auch gegenüber anderen Hunden tut. Ich würde aus diesem Grund eher nicht davon ausgehen, dass sie Erfahrungen mit Gewalt durch Menschen gemacht hat. Sie hat eher zu wenig Erfahrung mit Menschen überhaupt gemacht und greift auf das zurück, was bei Artgenossen geklappt hat.
Wollen aber nicht dass sie immer diese Unterwürfigkeitsgesten macht, weil sie Angst hat.
Das bedeutet, dass ihr nicht bereit seid, den Hund zu akzeptieren, wie er ist: Unterwürfig und nicht auf Menschen sozialisiert. Sie hat keine Angst vor euch. Sie weiß schlichtweg nicht, wie sie mit euch umgehen soll. Deshalb tut sie das, was ihr von anderen Hunden vertraut ist: Sie beschwichtigt. Ihr Instinkt sagt ihr, dass das ihr Überleben sichert. Das ist kein Grund für Mitleid, sondern verdient Respekt für ihre Überlebensfähigkeit.
Dieses Verhalten wird ihr lebenslang bleiben. Es wird sich natürlich ein Stück weit abschwächen, aber die Prägung und Sozialisation, die sie erfahren hat, sind irreversibel. Damit müsst ihr umgehen lernen, es ist der Preis dafür, einen solchen Hund zu sich zu holen.
Je mehr ihr sie hätschelt, tröstet, auf sie einredet, desto unterwürfiger wird sie sich verhalten. Ihr Hundeverstand begreift das als Bestätigung dafür, dass das Verhalten angebracht ist. Den Sinn eurer Worte versteht sie ja nicht, sie ist auf eure Handlungen angewiesen, um zu lernen.
Die einzige Chance, die ihr habt, ihr Vertrauen zu gewinnen ist, ihr verständlich zu zeigen, was ihr von ihr wollt und was sie nicht tun darf. Ohne Gewalt, ohne laute Worte - aber mit unbedingter Konsequenz.
Wenn sie Angst zeigt, müsst ihr der Fels in der Brandung sein, an dem sie sich orientieren kann. Und dieser Fels tätschelt nicht den sich duckenden Hund und sagt ihm damit: „Fein so, wie du dich duckst“. Der Fels bleibt aufrecht und ruhig und tut entschlossen das, was er möchte: Mit dem Hund (der sich vielleicht angstvoll weigert) weitergehen oder darauf bestehen, dass er sich setzt oder hinlegt. Nicht auf den Rücken wohlgemerkt
. In diesem Fall holt ihr sie an der Leine und mit zwei Schritten vom Hund weg wieder auf die Beine.
Wichtig ist, dass ihr JETZT damit beginnt. Hunde brauchen keine Eingewöhnungszeit. Die Hündin hat von der ersten Sekunde eurer Begegnung an damit begonnen, euch einschätzen zu lernen. Sie beobachtet euch auch weiterhin aufs Genaueste. Und je eher ihr ihr zeigt, wie ihr euch das Leben mit ihr vorstellt, desto leichter hat sie es.
Wenn ihr ihr jetzt alles durchgehen lasst, wird sie lernen, dass ihr das so wollt. Umso schwerer wird sie es haben, wenn ihr dann in ein paar Tagen oder Wochen plötzlich anfangt, etwas anderes von ihr zu wollen. Das wird zu starker Verunsicherung führen. Ihr helft ihr mehr, wenn ihr von Anfang an das von ihr verlangt, was ihr später haben möchtet.
Das wird sie lernen, wird dafür gelobt werden und daraus Sicherheit entwickeln. Je größer ihre Sicherheit im Umgang mit euch, desto weniger nötig wird sie haben, sich in Übersprung und Unterwürfigkeit zu flüchten.
Schöne Grüße,
Jule