Liebe Hundefreunde und Hundefreundinnen,
ich habe einen neun Monate alten Mischlingshund. Die Bindung zwischen uns ist sehr groß und innig. Wir lieben uns abgöttisch. Er hat viele Freiheiten und Privilegien, er schläft im Bett und sitzt neben mir am Tisch, begrüßt mich leidenschaftlich wenn ich vom Einkaufen komme, wir essen auch meist zeitgleich (ich am Tisch, er an seinem Napfständer) und ich bin seine Bezugsperson. Die bisherige Hundeerziehung habe ich ohne die Hilfe einer Hundeschule gemacht, was mir im Großen und Ganzen ohne Gewalteinwirkung (Ausnahme in einem Notfall: Zwei mal ein Schnauzengriff als der Hund ca. 16-20 Wochen alt war und zu fest in meine Hand gebissen hat, und das bereue ich heute noch) auch gut gelungen ist.
Im August ist mein Hund während einem Spaziergang ohne Leine einem Auto mit Pferdeanhänger hinterhergerannt, das hat er zuvor noch nie gemacht und Pferde kennt er auch. Er rennt nicht immer Autos hinterher, aber immer öfter - und das macht er teilweise auch bei Traktoren, Joggern, Rollschuh-Fahrer; praktisch stellt jetzt alles was sich bewegt eine Gefahr dar weil man immer damit rechnen muß, daß der Hund hinterher rennt. Darum laufen wir seit geraumer Zeit auch neue, unbekannte Strecken auf denen weniger Gefahren lauern.
Auf neuen, ihm unbekannte Strecken ist ein Spaziergang ohne Leine noch möglich, aber durch den Jagdtrieb der jetzt erst so richtig ersichtlich wird, ist auch das mit großer Vorsicht zu genießen. Auf alten Strecken kennt sich mein Hund bestens aus und wenn er dort ohne Leine läuft, kann es leider immer wieder vorkommen, daß er unterwegs irgendetwas findet (Maiskolben, Holzstöckchen, Birne, Apfel) das er dann ganz schnell und zielstrebig nach Hause trägt.
Sowohl beim Hinterherrennen von Autos und als auch beim Abhauen nachdem er einen Maiskolben gefunden hat, habe ich versucht mit einem interessanten Spielzeug seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen und ihn dadurch von seinem Vorhaben abzubringen. Aber selbst dann wenn ich mit einem gebratenen Hühnchenfleisch winke, kommt er auf meinen Zuruf nur sehr selten zu mir. Oft bleibt er noch stehen und dreht sich ein paar mal um, aber zurückkommen tut er kaum. Nicht mal dann wenn andere Hunde auf der Wiese mit dabei sind, obwohl er sonst sehr gerne mit denen spielt. Wenn er dann doch kommt, belohne ich ihn und freue mich riesig, er wurde nie bestraft nachdem er diese Aktionen gemacht hat.
Etliche Leute haben mir empfohlen, den Hund nach diesen Aktionen zu bestrafen indem ich mit ihm schimpfen soll, am Nackenfell hochzuheben, schütteln. Dies entspricht nicht meinem Erziehungsstil. Was würden Sie mir raten bzw. wie sieht die „Therapie“ aus die Sie in diesem Fall anwenden würden?
Am Wochenende habe ich vor, mit Hilfspersonen die ich mit einer Wasserspritzpistole ausstatte, meinem Hund das Hinterherrennen von Autos abzugewöhnen. Ich denke, daß das Hinterherrennen meinem Hund keinen Spaß mehr macht, wenn er aus dem Auto heraus mit Wasser bespritzt wird und das er das dann nach etlichen Versuchen (anderes Auto, andere Leute, andere Gegend) nicht mehr macht.
Der Versuch, meinem Hund das Abhauen (mit gefundenem Maiskolben abzugewöhnen) sah so aus: Er lief an der langen Schleppleine und wenn er etwas gefunden hat, rief ich „Halt“. Im Normalfall reagiert er auf dieses Signal mit stehenbleiben. Wenn er nicht stehen blieb, hielt ich ihn an der straffen Leine bis ich bei ihm war und sagte „Aus“ damit er es mir gibt.
(Dazu muß ich erklären, daß ich meinen Hund generell nicht an der Leine ziehe weil mir diese Art von Machtausübung widerstrebt, abgesehen davon finde ich es peinlich und tierquälerisch wenn manche Leute den (liegenden!) Hund am Halsband und der Leine hinter sich herziehen. Ich habe kein Problem damit, den Hund auch mal selbst entscheiden zu lassen, welchen Weg wir gehen.)
Ist er also auf meinen Zuruf gekommen, lobte ich ihn und gab ihm ein Super-Leckerlie. Ich machte also eine Art Tauschgeschäft, aber seine Beute bekam er dann gleich wieder. Ich will ihm das ja nicht wegnehmen. So hatte ich das eine Zeit lang gemacht, das ging ganz schnell und sehr gut.
Sobald er aber nicht mehr an der Leine ist, macht er nicht mehr mit. Er überlegt zwar, hält kurz inne, läuft Richtung Heimat, dreht sich vielleicht noch ein paar mal um oder kommt ein Stück zu mir, dann aber rennt er Heim und vergräbt seine Beute oder nagt daran rum. Er kann etliche Maiskolben, Holsstückchen und Obst sein Eigen nennen, keiner nimmt es ihm weg; gegen seine Sammelleidenschaft hab ich nichts, aber das Heimrennen durch die Straßen ist gefährlich - und das hetzen von Autos auch.
Was soll ich nur tun? Ein Leben an der Leine ist nicht das wahre und wenigstens in ruhigen Gebieten möchte ich meinem Hund ein Toben fern ab der Leine ermöglichen. Und ich habe nicht vor, ihm zukünftig das Bett oder sonst was zu verbieten; er soll nicht leben wie mein Untertan und deshalb bitte keine Antworten von Alpha-Menschen - nur von Herrchen und Frauchen mit echten Führungsqualitäten UND liebevollem Verhalten zu Tieren!
Gruß Anja aus Stuttgart