Hallo Kathleen,
das nenn’ ich mal 'ne Beschäftigung am hellichten Vormittag
. Ich will mal versuchen, das aus meiner Sicht der Dinge zu erklären, ohne dabei den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben zu wollen.
Bei unserem Eintreffen schmeißt er sich regelrecht an die Hunde ran und rennt ihnen hinterher…Wenn ich abends mit den Hunden auf unsere Wiesen gehe, rennt besagter Kater gurrend hinterher und buddelt mit den Hunden in den Mäusegängen. Warum macht er das?
Ich vermute stark , dass der Kater im Welpenalter mit Hunden sozialisiert oder sogar auf Hunde geprägt wurde. Man kann bei vielen Tierarten, die die Prägungs- und Sozialisationsphase bei einer anderen Tierart verbrachten beobachten, dass sie deren Verhaltensweisen übernehmen. Manchmal nur teilweise, manchmal geht es so weit, dass sie sich sich für ein Tier dieser Art halten. Eigene Instinkte bleiben davon grundsätzlich unberührt, können sich aber deutlich abgeschwächt zeigen.
Es kommt so häufig vor, dass mein Hund sich an der Tür bemerkbar macht. Aber er will nicht rein - sondern der Kater.
Das würde ich für gelerntes Verhalten des Hundes halten. Zum einen weiß er, was er tun muss, damit du die Tür aufmachst. Zum anderen hat er gelernt zu verstehen, was der Kater will, wenn er ein bestimmtes Verhalten zeigt. Das ist eine der bemerkenswerten Fähigkeiten von Hunden, die in dieser Form von keiner anderen Tierart zu finden ist.
Ich würde dabei einen Hund erwarten, der stark durch Beobachtung lernt. Wenn ich mich recht erinnere, hast du einen Bordercollie, dessen Arbeitswille und Beobachtungsfähigkeit ausgeprägt genug ist, um sich so zu verhalten. Möglicherweise hast du ein einziges Mal gelacht oder sonstwie freudig reagiert, als du die Tür geöffnet und das Ergebnis beobachtet hast und damit die Bestätigung für den Hund geliefert. Die Triebfeder würde ich eindeutig stärker in der Arbeitsmotivation sehen als darin, dass er dem Kater einen Gefallen tun will. In dem Moment, wo du die Tür öffnest, ist sein Job erledigt.
Mein Alt-Kater hat einmal eine „nette“ Blessur am Kopf davon getragen. Mein Hund hat ihn regelmäßig abgeleckt
Das Belecken von Wunden ist Instinktverhalten. Hunde - aber gelegentlich auch andere Tiere - zeigen dies auch gegenüber anderen Arten. So versuchen Hunde z.B. oft, die Wunden von Menschen zu belecken. Das Lecken wiederum gewährt Linderung und ist angenehm. Deswegen hält der Kater auch still - zumal dieses Verhalten grundsätzlich auch für ihn artspezifisch ist.
…saß mein Hund (damals ca. ein Jahr alt) die ganze Zeit neben ihm und hat seinen Kopf auf seinen Schoß gelegt. Als mein Vater gestorben ist und mir es wirklich schlecht ging, tat er häufig/regelmäßig selbiges bei mir. Warum tat er das?
Der Hauptgrund für solches Verhalten ist, dass Hunde bei solchen Gemütszuständen vermehrt Zuwendung und Streicheleinheiten bekommen. Ein weiterer Grund ist, dass Hunde, die nicht in Überlebensnot sind, manchmal schwache Rudelmitglieder schützen. Wenn das „Rudel“ (was eine Mensch-Hund-Beziehung nicht wirklich ist, ich verwende den Begriff aber mal der Einfachheit halber) klein ist, dient dieses Verhalten u.U. auch dem eigenen Überleben.
Man kann das aber auch völlig gegensätzlich erleben: Viele Hunde meiden Menschen in extremen Gefühlszuständen eher und kommen bestenfalls widerwillig zu ihnen, wenn sie gerufen werden. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Mensch insgesamt nicht als starker, verlässlicher Partner gesehen wird, und der Hund primär darauf angewiesen ist, für sich selbst zu sorgen. Das Schlimmste, was einem Hund passieren kann ist, bei einer psychisch instabilen Person zu leben.
Sobald ich zu meinem Hund sage, dass XY gleich kommt, fängt er an zu miefen, rennt zum Hofzaun…
Das würde ich ganz klar bei gelerntem Verhalten einordnen: Der Hund kann aufgrund einiger Wiederholungen den Namen der betreffenden Person/ dem Hund zuordnen und verknüpft diese beispielsweise mit Action. Zudem weiß er, dass die Betreffenden durchs Tor kommen. Beim Nennen des Namens wird die entsprechende Erwartungshaltung geweckt. Die Reaktion auf das Wort „Gassi“ oder auch nur das Anziehen bestimmter Kleidung ist dem vergleichbar. Verstärkend wirkt vermutlich zudem der Tonfall, in dem du das sagst. Probier mal aus, irgendeinen Unfug in demselben Ton und mit der selben Körpersprache zu sagen, mit der du sonst deine Freundin ankündigst. Ich vermute, der Hund wird sogar ohne die Schlüsselwörter entsprechend reagieren.
Wenn die alte Hündin meiner Mutter mitbekommt, dass es bald losgeht, kläfft sie wie verrückt. Mein Hund, der die Hündin (da 6 Jahre älter) in der Hierarchie sehr hoch einordnet, geht sie dann an (soll heißen, er „kneift“ sie in den Hals…Warum traut er sich, obgleich er sonst einen großen Bogen voller Respekt um sie macht.
Das ist Stimmungsübetragung. Die Hündin verbreitet Aufregung, die deinen Hund ansteckt. Während sich die Hündin durch Bellen abreagiert, tut dein Hund das, indem er sie kneift, was insgesamt wieder in das Bild des Hüte-Borders passt. Hierarchien spielen in diesem Fall keine Rolle.
Wenn ich zu meinem Hund sage: Wir müssen der Mama helfen, hole den „anderen“ Stock (obgleich seiner vor ihm liegt), rennt/schwimmt er los und holt ihn -
Weil er es gelernt hat. Er reagiert auf Schlüsselworte, den Tonfall - ja unter Umständen sogar nur auf die Körpersprache, die ihm erlauben, den Stock zu bringen. Action mit dem anderen Stock im Wasser ist viel besser als der „tote“ Stock vor ihm. Dass er ihn zu deiner Mutter bringt, hat er ebenfalls gelernt, weil dies vermutlich irgendwann mal gelobt wurde. Da du vermutlich einen Hund hast, der extrem schnell lernt, reicht u.U. ein einziges Mal, um zu begreifen, was er soll.
Probier doch mal aus, was er macht, wenn du unmittelbar vor dem Schlüsselsatz seinen eigenen Stock nimmst und damit so agierst, als wolltest du diesen werfen und das dann auch tust. Wenn du deine Körpersprache entsprechend überzeugend einsetzt, sollte er eher darauf reagieren und seinen eigenen Stock aus dem Wasser holen als den der Hündin.
Wenn ich mal ein paar Tage im Urlaub bin (meine Mutter kümmert
sich dann um die Katzen) und ich nach Hause komme, muss mein Alt-Kater nur meine Stimme hören und er kommt an und „klettert“ an mir hoch. Warum macht er das?
Ich würde vermuten, er begrüßt dich. Sollte das der Kater sein, der auch auf mit den Hunden buddelt, könnte ich mir sogar vorstellen, dass er das „Hochspringen“ zur Begrüßung als Welpe von Hunden gelernt hat. Aber auch sonst können Katzen durchaus genügend Menschenbezug entwickeln, um sie zu begrüßen. Ich habe eine Maine Coon aus dem Tierschutz, die sofort aus jeder Ecke des Grundstücks zu mir gerannt kommt, um mich zu begrüßen und die kilometerweit mit mir spazieren geht. Mit anderen Katzen hingegen konnte sie erst mal nichts anfangen und hat wochenlang nur um sich gehauen. Hier hat vermutlich eine extreme Menschenprägung stattgefunden.
Aber unterschätzen wir Menschen die Tiere nicht auch so manches Mal, indem wir sie gerade auf ihr „Tier-Sein“ und der „wissenschaftlichen“ Kenntnis ihrer Verhaltensweisen reduzieren?
Das glaube ich bei Tierarten, die vergleichsweise gut erforscht sind - so wie Hunde und Katzen - eher weniger. Besonders Hunde haben im Zusammenleben mit Menschen Verhaltensweisen entwickelt, die sich an menschlichem Verhalten orientieren. Im Zusammenhang mit ihren Sinnesleistungen, ihrer Lernfähigkeit und ihrer Bereitschaft zur Kooperation zeigen sie Dinge, die manche ihrer Verhaltensweisen „menschlich“ erscheinen lassen. Letzten Endes lassen sich aber alle Verhaltensweisen auf Instinkt, Lernen oder Sinnesleistungen zurückführen.
Der große Unterschied zu allen anderen Tierarten ist ihre Fähigkeit zur Kooperation - und auf diese wurden Hunde über Jahrtausende selektiert. Die Tatsache, dass es sich um Rudeltiere handelt, bedingt zusätzlich soziale Verhaltensweisen, die denen von Menschen in ihren Grundzügen ähnlich sind. Letzteres trifft auch auf bestimmte Affenarten zu, deren Sozialverhalten sich aber auf die eigene Art beschränkt.
Und was die „menschlichen Werte“ betrifft, sind diese wohl niemals von der menschlichen Interpretation zu trennen. Wir sehen das, was uns vertraut ist und was wir sehen wollen. Das Video ist ein gutes Beispiel dafür. Der rührselige Kommentar eines Reporters reicht, um Millionen von Menschen davon zu überzeugen, dass der Hund ein edler Retter ist. Umgekehrt reicht eine entsprechend negative Berichterstattung als Grund für unsägliche Hundeverordnungen. Wenn wir eine Bestie sehen wollen, tun wir das mit der gleichen Überzeugung, wie wenn wir einen Helden feiern möchten.
Nach meiner Erfahrung sind die unglücklichsten Hunde die, deren Besitzer in ihnen den verständnisvollen Freund sehen wollen. Da man davon ausgeht, dass der Hund „versteht“, bringt man ihm Dinge nicht so bei, dass er sie lernen könnte. Das Ergebnis sind in der Regel zutiefst verunsicherte Hunde.
Und: Würden Hunde nicht stubenrein werden, hätte dieser simple Unterschied vermutlich ausgereicht, sie niemals zu diesem Stellenwert in der menschlichen Gesellschaft kommen zu lassen
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Schöne Grüße,
Jule