Hundeerziehung, Leinenaggression

Hallo,
wir haben seit einem halben Jahr eine türkische Hütehund/Jagdhund-Hündin aus dem Tierheim. Sie ist jetzt 14 Monate alt und war seit ihrem 4ten Lebensmonat im Tierheim.
Nun zum Problem, seit sie bei uns ist, zeigt sie eine extreme Leinenaggression (auch nicht angeleint) gegenüber anderen Hunden, so sehr, dass sie sich durch nichts beruhigen läßt. Im Tierheim hat sich sich mit allen Hunden bestens vertragen und mit unserem Ersthund auch auf anhieb.
Von ihrem vorigen Leben wissen wir so gut wie nichts.
Wir sind ziemlich ratlos und hoffen hier auf Hilfe.
Im Voraus schonmal vielen Dank!

Max

Gefahrenpotential
Hallo,

was genau ist in deinem Mix drin? Sollte da - was wahrscheinlich ist - ein türkischer Herdenschutzhund mitgemischt haben, wäre das Verhalten nicht sehr ungewöhnlich. Ich würde dir in diesem Fall dringend dazu raten, dir ein Herdenschutzhundforum zu suchen, denn das kann richtig gefährlich werden.

Herdenschutzhunde neigen dazu, Revier und Menschen stark zu verteidigen und dabei sehr selbstständig zu entscheiden, wann das nötig ist. Mit 14 Monaten werden die Tierchen allmählich erwachsen und das Verhalten zeigt sich zunehmend ausgeprägter. Neben guter Erziehung wirst du möglicherweise gut daran tun, deinen Vierbeiner an einen Maulkorb zu gewöhnen, um in den kommenden Jahren Schäden bei Vier- und Zweibeinern zu verhindern.

Dass sie sich mit anderen Hunden zunehmend weniger versteht, hat ebenfalls mit Alter und Rasse zu tun.

Schwächen in der Führung verzeihen Herdenschutzhunde in der Regel nicht. Nicht ohne Grund haben sie an und für sich in der Hand eines deutschen Normale-Hundebesitzers nichts verloren. Leider können es diverse selbsternannte Tierretter nicht lassen, solche Hunde ins Land zu holen und sie den künftigen Besitzern gegenüber auch noch schön zu reden.

Wenn der Hund aus der Türkei kommt, dürfte der beteiligte Jagdhund eine Bracke sein, welche auch nicht unbedingt für ihre Führigkeit berühmt sind.

Alles in allem also möglicherweise eine ziemlich explosive Kombi. Sucht euch guten Rat, sonst sind die Probleme bald deutlich größer als der Hund.

Schöne Grüße,
Jule

tja…
…als erstes würde ich zeitnah mit dem th kontakt aufnehmen, inwieweit die hilfestelltung geben können/wollen.

als nächstes drängt sich die frage auf, ob ihr mit dem kleinen hundeschule bzw. einzeltraining gemacht habt? und wenn nein: warum nicht?

genaueres (erst recht den eh’ sinnlosen versuch, die mixtur rauszufinden) kann man im netz kaum leisten. sucht euch dringend, am besten gestern einen trainer.

die vorgeschichte zu ergründen ist übrigens -und das sage ich sowohl aus hundesicht, als auch aus menschensicht- bei sowas allenfalls schmückendes beiwerk. weder kannst du die vergangenheit ändern, noch würde das entsprechende wissen etwas am bevorstehenden trainingsaufwand ändern.

in einem punkt hat jule allerdings recht: leider mussten viele hsh-rassen als modehund herhalten. und wenn man dann einen aus einer arbeitslinie bekommen hat, gut’ nacht, marie…ich behaupte mal, mit fast allem, was die vierbeiner einem so bieten fertig zu werden. aber selbst ich halte mich bei arbeits-hsh brav raus, die sind ein ganz anderes kaliber.

so mal wieder das gleiche sagend,

nils

Hallo Jule959,
ich schätze deine Ausführungen und Tipps hier sehr und finde sie normalerweise absolut to the point und fachlich korrekt. Und den dringend Rat an den TE sich Hilfe zu suchen kann ich auch nur zustimmen.

… türkischer Herdenschutzhund, …wäre das Verhalten nicht sehr ungewöhnlich.

doch das wäre es. Da ich seit kurzem auch so ein Exemplar hier sitzen habe, habe ich mir inzwischen einiges an Infos gesucht und gefunden, habe mich bei einem Verein der sich ausschließlich Hütehunden widmet umgesehen und mir einen Trainer von dort zur Seite genommen.
Und alle Leute die ich bis jetzt sprach, die einen Hütehund, auch Kangals haben und auch von etlichen Problemen berichtet haben - aber ‚Aggression‘ war nicht dabei.

Es wurde wohl berichtet, dass

Herdenschutzhunde neigen dazu, Revier und Menschen stark zu
verteidigen und dabei sehr selbstständig zu entscheiden,

aber mit aggressivem Verhalten ist das nicht gleich zu setzen.

…Mit 14 Monaten werden die Tierchen allmählich
erwachsen

Besonders Kangals aber auch andere Hütehunde werden erst oft sehr viel später erwachsen, manchmal sogar erst mit vier Jahren. Und in diesem Fall kann ich mir schon vorstellen, dass es ein Tierheimproblem ist. 10 Monate dort und dann auch noch als Welpe sehe ich als Problem.

Neben guter Erziehung wirst du möglicherweise gut daran tun,
deinen Vierbeiner an einen Maulkorb zu gewöhnen, um in den
kommenden Jahren Schäden bei Vier- und Zweibeinern zu
verhindern.

Vielleicht kann das in diesem Fall nötig sein - und eine gute Erziehung braucht imo jeder Hund und wenn’s ein großer ist sowieso. Hier in der Gegend gibt es z.B. einen Goldie - eigentlich der Inbegriff von ‚nett‘ der alles anpöbelt und zur Sau macht was seinen Weg kreuzt…

… Nicht ohne Grund haben sie an und für sich in der
Hand eines deutschen Normale-Hundebesitzers nichts verloren.

Na ja, in der Hand eines deutschen ‚Normal-Hundebesitzers‘ hat ja so gut wie kein Hund was verloren.

Leider können es diverse selbsternannte Tierretter nicht
lassen, solche Hunde ins Land zu holen und sie den künftigen
Besitzern gegenüber auch noch schön zu reden.

Das ist ja wohl eine andere Diskussion.

… Sucht euch guten Rat, sonst sind die Probleme bald
deutlich größer als der Hund.

Imo nicht nur Rat, ein kompetenter Hundetrainer, der sich schwierigen Hunden und am Besten Hütehunden auskennt wäre noch besser.
otherland

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Hallo, otherland,

ich denke, du bist dir dessen bewußt - lass mich bitte dennoch - weil die Begriffe immer wieder verwechselt werden - darauf hinweisen, dass es einen Unterschied zwischen _Hüte_hund
und _Herdenschutz_hund gibt, die beide unter den Sammelbegriff „Hirtenhund“ fallen.

Als erste kleine Orientierung für Mitleser möge Wiki dienen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Herdenschutzhund
http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%BCtehund

Herzlichen Gruß, Maresa und Kuvasz Bebop

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ich denke, du bist dir dessen bewußt - lass mich bitte dennoch

  • weil die Begriffe immer wieder verwechselt werden - darauf
    hinweisen, dass es einen Unterschied zwischen _Hüte_hund
    und _Herdenschutz_hund gibt, die beide unter den Sammelbegriff
    „Hirtenhund“ fallen.

Du hast natürlich vollkommen Recht!
(Da ich inzwischen fast nur noch Niederländisch rede wird mein Deutsch immer schlechter :frowning: )

Herdenschutzhunde
sind keine Hütehunde.

Hallo,

  • aber ‚Aggression‘ war nicht dabei.:Es wurde wohl berichtet, dass Herdenschutzhunde neigen dazu, Revier und Menschen stark zu verteidigen und dabei sehr selbstständig zu entscheiden, aber mit aggressivem Verhalten ist das nicht gleich zu setzen.

Was bitte ist das Verteidigen von Ressourcen anderes als Aggression? Du setzt - wie viele Hundehalter - Aggression offensichtlich mit einem Verhalten gleich, das einer „bösen“ Absicht dient. Aggression per se ist bei einem Hund aber weder „gut“ noch „böse“, sondern schlicht und ergreifend ein Mittel, um seine Ansprüche durchzusetzen. Die Reizschwelle entscheidet darüber, wie schnell er zu diesem Mittel greift.

Ein Hund, der nach vorne geht, um seinen Menschen, sich selbst oder sein Revier zu verteidigen, ist aggressiv.

Besonders Kangals aber auch andere Hütehunde werden erst oft sehr viel später erwachsen, manchmal sogar erst mit vier Jahren.

Das ist grundsätzlich richtig, bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass izum jetzigen Zeitpunkt noch keine Rückschlüsse auf sein späteres Verhalten gezogen werden könnten. Besonders Verhaltensweisen wie territoriale Aggression prägen sich letztlich nur noch deutlicher aus.

Und in diesem Fall kann ich mir schon vorstellen, dass es ein Tierheimproblem ist. 10 Monate dort und dann auch noch als Welpe sehe ich als Problem.

Zum einen war der Hund mit 4 Monaten kein Welpe mehr, aber zu jung, um bereits ausgeprägtes Schutzverhalten zu zeigen. Zum anderen gab es wohl einfach niemanden, den zu verteidigen es lohnte.

… Nicht ohne Grund haben sie an und für sich in der
Hand eines deutschen Normale-Hundebesitzers nichts verloren.

Na ja, in der Hand eines deutschen ‚Normal-Hundebesitzers‘ hat ja so gut wie kein Hund was verloren.

Das sehe ich anders. Die meisten Hunderassen sind gut zu handeln, wenn man sich ein wenig Mühe gibt. Ein Herdenschutzhund nicht. Der wird sehr schnell zu einer ziemlichen Gefahr, wenn man die gleichen Fehler macht, die z.B. ein Schäferhund, ein Terrier oder ein Retriever ohne große Probleme verzeihen würden.

Besitzer bestimmter Rassen neigen dazu, ihre Hunde zu unterschätzen bzw. sich gefährliche Verhaltensweisen schön zu reden. Ganz nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Wer einmal in der Türkei vor einem arbeitenden Kangal stand, wird ganz sicher nicht vom Kuschelfaktor dieses Hundes schwärmen, auch wenn er das Glück hatte, unverletzt aus dieser Begegnung zu gehen.

Mein Südrusse war in meiner Gegenwart durchaus bereit, sich von Fremden streicheln zu lassen und entwickelte dabei sogar hin und wieder echte Begeisterung. Wären dieselben Menschen eine halbe Stunde später ohne Begleitung in eine von ihm bewachte Ponykoppel marschiert, hätten sie dieses Zusammentreffen zumindest mit heftigen Blessuren bezahlen müssen.

Der Hund war so erzogen, in meiner Anwesenheit nicht alleine zu entscheiden. Er war aus jeder Situation abrufbar und ließ sich, wenn ich ihm das sagte, z.B. vom Tierarzt überall anfassen, ins Maul schauen, hochheben oder auf den Rücken drehen. Dennoch wäre ich nie auf die Idee gekommen, ihn ohne Maulkorb außerhalb meines Grundstücks zu führen. Ich wusste um die potentielle Gefährlichkeit dieses Hundes und habe nicht riskiert, möglicherweise einmal langsamer gewesen zu sein, als er.

Deshalb: Ein Herdenschutzhund ist eine besondere Kategorie Hund und man tut sich und anderen keinen Gefallen, ihn zu unterschätzen.

Schöne Grüße,
Jule

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Hallo,
erstmal vielen Dank für die jetzt schon rege Teilnahme.
Hier mal ein paar Details zu Ronja. Als wir Ronja im Tierheim entdeckt hatten, war für uns das Hauptkriterium, der neue Hund muß sich mit Ike dem Ersthund 3 1/2 Jahre alt(Mutter: Hovawart/Terriermix, Vater: deutscher Schäferhund)verstehen und vertragen. Dies traf auf Anhieb auf Ronja zu. Wir sind dann bestimmt 5 oder 6-mal zum Tierheim gefahren um mit Ronja und Ike spazieren zu gehn, bis wir sie dann für einen Probetag mit nach Hause genommen haben. Auch dort lief alles bestens, bereits nach ca. 20 Minuten kam es uns vor, als wäre sie schon immer da gewesen. Wir hatten anfangs eher wegen Ike bedenken (fremder Hund in seinem Garten). Aber die beiden verstanden sich so gut, dass die Entscheidung schnell feststand, Ronja soll es sein.
Der Tag kam also, an dem Ronja für immer zu uns kam. Doch schon am zweiten Tag, fing ihr Aggrodasein an. Die erste Begegnung war ein Pferd aus der Nachbarschaft, Ronja stieg voll in die Leine. Dann die erste Katze, Ronja stieg in die Leine. Und bei fremden Hunden, das gleiche Schauspiel. Bei Menschen dagegen, ist sie immer freundlich, schwäntzelt macht sich klein und verbiegt sich als wollte sie sich selbst verknoten, nur um ihre Streicheleinheiten zu erhaschen. Ganz egal ob sie diese Person bereits kennt oder nicht, ganz egal ob auf der Straße oder bei uns auf dem Grundstück, zu Menschen ist sie immer freundlich.
Nun zum Tierheim, die einzige Info die wir über Ronja bekamen war, Hütehund/Jagdhundmix aus der Türkei, Abgabe/Fundtier, anfangs sehr ängstlich (was auch so war, bei den verschiedensten Geräuschen zuckte sie zusammen, auch mußte man sehr auf die Tonlage beim Sprechen achten. Wenns mal etwas lauter wurde, hat sie sich schon ziemlich erschreckt. Die Ängstlichkeit und Unsicherheit, hat sich weitestgehend gelegt. Was die Erziehung angeht, hat das Tierheim ein „bisschen“ vorarbeit geleistet. Grundkomandos, wie Sitz und Platz konnte sie schon. Die erste Woche ging sie nur an der langen Schleppleine, das erstemal rennen durfte sich dann auch nur mit losgelassener Schleppleine, ein paar Tage später dann schon ganz ohne Leine. Sie hat sich doch sehr an Ike orientiert. Und mittlerweile sind wir doch recht zufrieden was den Gehorsam angeht, nach dieser doch relativ kurzen Zeit.
Zu guter Letzt, über uns: wir sind beide nicht Hundeunerfahren, wir sind beide mit Hunden und auch anderen Tieren mehr oder weniger aufgewachsen. Ich selbst hatte von Kindesbeinen an Hunde in der Familie. Die rassen reichten von dackelgroßen Mischlingen über Cocker bis zum deutschen Schäferhund. Meine Frau hat Erfahrung mit, Rodesian Ridgeback, Dalmatiner, Pitbull, Spitz/Colliemix, Riesenschnautzer, Skyterrier. Wie man sieht sind wir nicht das, was man als Anfänger versteht. Dennoch stoßen wir mit Ronja fast an unsere Grenzen.
Ans Tierheim haben wir uns ziemlich schnell gewandt, haben mit der Trainerin gesprochen die Ronja angeblich kannte, die meinte, es läge daran, dass sie in der Pubertät sei (Pubertät??? Von jetzt auf nachher???von einem Tag auf den anderen???). Hundetrainer gibt es ja mittlerweile wie Sand am Meer, und fragt man zehn Trainer bekommt man zehn verschiedene Antworten. Schade… ist aber leider so. Hundeschule??? naja, wir sind beide keine Freunde, Waldorf- und Leckerlihundeschulen.

… Du setzt - wie viele Hundehalter - Aggression
offensichtlich mit einem Verhalten gleich, das einer „bösen“
Absicht dient.

Nein, setze ich nicht.

Aggression per se ist bei einem Hund aber weder
„gut“ noch „böse“,

ach nee? echt?

Zum einen war der Hund mit 4 Monaten kein Welpe mehr,

Da sind die Meinungen allerdings verschieden. In einiger (Fach)Literatur werden Hunde bis zu 6Monaten, ca. bis nach dem Zahnwechsel als Welpen bezeichnet.

Das sehe ich anders. Die meisten Hunderassen sind gut zu
handeln, wenn man sich ein wenig Mühe gibt.

Richtig, ‚wenn man sich ein wenig Mühe gibt‘
bei Herdenschutzhund gibt es - wie bei anderen Rassen individuelle Unterschiede. Und was Kangals im besonderen anbetrifft - in der Türkei wurden und werden gegen den Menschen aggressive Tiere sofort getötet.

Der wird sehr schnell zu einer
ziemlichen Gefahr, wenn man die gleichen Fehler macht,

imo kann jeder (große) Hund zu einer ‚ziemlichen Gefahr‘ werden wenn man entsprechende Fehler macht. Die sind wahrscheinlich von Rasse zu Rasse etwas verschieden, aber den grundsätzlichen Unterschied sehe ich da nicht.

Besitzer bestimmter Rassen neigen dazu, ihre Hunde zu
unterschätzen

Das ist sicher richtig. Ich kenne das besonders von Leuten mit Retrievern und Deutschen Schäferhunden.

… Ganz nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht
sein darf.

Das ist doch Bloedsinn. Diese Art von Menschen gibt es bei jeder Hunderasse und das auf Herdenschutzhunde begrenzen zu wollen ist imo reichlich daneben

Wer einmal in der Türkei vor einem arbeitenden…

War ich mal, dort habe ich diese Hunde das erste Mal gesehen, von aggressiv habe ich da nichts gemerkt. Sie waren aufmerksam und zurückhaltend. Haben gebellt und sich anderem zugewandt als der Schäfer zu uns kam um mit uns zu reden.

Deshalb: Ein Herdenschutzhund ist eine besondere Kategorie
Hund und man tut sich und anderen keinen Gefallen, ihn zu
unterschätzen.

Jeder Hund ist imo ‚eine besondere Kategorie‘. Besonders einen großen Hund sollte niemand unterschätzen. Und ja, es ist richtig sich nach den jeweilig rassetypischen Merkmalen zu informieren und damit Rechnung zu halten. Aber jedem Herdenschutzhund von Vornherein einen Maulkorb verpassen zu wollen … na ja, ich hör hier auf.
(ich bin übrigens einmal in meinem Leben - als Kind - von einem Hund der aus einer Einfahrt geschossen kam ohne Vorwarnung ziemlich schlimm gebissen worden - war ein Dackel)

Hallo,

Aggression per se ist bei einem Hund aber weder
„gut“ noch „böse“,

ach nee? echt?

Warum die Polemik? DU hast behauptet, Herdenschutzhunde würden zwar verteidigen, seien aber nicht aggressiv. In diesem Zusammenhang interessiert mich: Wodurch unterscheidet sich ein Hund, der aufgrund seines ausgeprägten Schutztriebes verteidigt von einem, der angreift, weil seine Drohgebärden ignoriert wurden?

Und was Kangals im besonderen
anbetrifft - in der Türkei wurden und werden gegen den
Menschen aggressive Tiere sofort getötet.

Herdenschutzhunde in der Türkei sind Arbeitsgeräte, die zu funktionieren haben. Dazu gehört, dass sie zunächst mal ihren Besitzer zu respektieren haben. Hunde, die das nicht tun, leben nicht lang. Ebenso wenig Hunde, die sich an den Schafen vergreifen oder sich streunend zu weit von der Herde entfernen und dabei wahllos Menschen angreifen. Hunde mit Jagdpassion haben ebenfalls keine hohe Lebenserwartung.

Im Vordergrund steht dabei in erster Linie immer der Nutzen, den der Hund zu erbringen hat. Die primäre Funktion eines Herdenschutzhundes ist es, die Herde zu schützen. Dazu braucht er Aggression. Gerade aus der Türkei ist bekannt, dass dort eine deutliche Tendenz besteht, die Reizschwelle von Kangals zu senken und damit ihre Bereitschaft zu aggressivem Verhalten zu erhöhen. Das geht natürlich immer mal wieder daneben und dann wird es nötig, die allzu angriffslustigen Exemplare auszusortieren.

Dennoch wage ich zu behaupten, dass die Reizschwelle eines typischen türkischen arbeitenden Kangals deutlich zu niedrig wäre, um hier bei uns problemlos zurechtzukommen. Hunde, die für den deutschen Markt gezüchtet werden, werden in der Regel anders selektiert, da für die Verwendung als Familienhund eine hohe Reizschwelle gefordert ist.

Wohin dies führt, kann man schon seit vielen Jahren beim Kuvasz beobachten, der aufgrund entsprechender Selektion mehr und mehr zum Familienhund avanciert ist. Viele Hunde dieser Rasse, denen man bei uns begegnet, haben mit einem Herdenschutzhund nicht mehr viel gemein. Und viele Besitzer solcher Hunde würden sich vermutlich sehr wundern, wenn sie plötzlich einem arbeitenden Exemplar „ihrer“ Rasse gegenüberstünden, wie derzeit z.B. in Rumänien zu finden.

imo kann jeder (große) Hund zu einer ‚ziemlichen Gefahr‘
werden wenn man entsprechende Fehler macht. Die sind
wahrscheinlich von Rasse zu Rasse etwas verschieden, aber den
grundsätzlichen Unterschied sehe ich da nicht.

Ich schon. Ein Hund, der eigenständig entscheidet, wann „Verteidigung“ angesagt ist und zudem über große Körperkraft verfügt, ist schlicht und ergreifend schwerer zu kontrollieren als beispielsweise ein DSH, der seit unzähligen Generationen auf Unterordnungsbereitschaft selektiert wurde.

War ich mal, dort habe ich diese Hunde das erste Mal gesehen,
von aggressiv habe ich da nichts gemerkt. Sie waren aufmerksam
und zurückhaltend. Haben gebellt und sich anderem zugewandt
als der Schäfer zu uns kam um mit uns zu reden.

Die interessante Frage wäre, was gewesen wäre, wenn der Schäfer nicht da gewesen wäre. Und genau das ist der Punkt, an dem Herdenschutzhunde sich von anderen Hunden unterscheiden. Wenn die Führung fehlt, übernehmen sie. Und in Bezug auf das, was sie als Führung anerkennen, sind sie äußerst anspruchsvoll.

Aber jedem Herdenschutzhund von Vornherein einen Maulkorb verpassen zu
wollen …

Davon war nicht die Rede. Es ging darum, das Potential seines Hundes realistisch einschätzen zu können.

Schöne Grüße,
Jule

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