Hunderziehung

Liebe/-r Experte/-in,
wir haben eine Hündin aus einem Russischen Tierheim übernommen. Sie ist 2 Jahre alt und hat sich gut eingelebt. Zu meiner Frau / Tocher hat sie ein gutes Verhältniss. Sie ist etwas schüchtern und ängstlich, aber das wird immer besser. Ich gehe täglich mit Ihr mehrere Stunden auf einen 9000 qm großen Hundeplatz wo sie mit einigen Hunden herumtollt. Nun mein Problem, Sie läßt sich nicht an die Leine nehmen, wenn ich sie anleinen will, pullert Sie ein. Dasselbe beim Geschirr.
Auf dem Hudeplatz läßt sie sich auch von mir nicht anleinen und flieht. Ich versuche es zur Teit mit Schleppleine um Ihr den Stress zu nehmen, aber das ist auf Dauer keine Lösung. Was tun ? mfg Inselhunde e. V.

Hallo Inselhunde,

danke für Deine Mail!!

Bitte bedenke, dass ich die Hündin nicht gesehen habe und alles ziemlich spekulativ ist, was ich hier von mir gebe.

Bei vielen Hunden aus dem Ausland ist es ja so, dass sie entweder gar keine Erfahrung mit Menschen gemacht haben oder z. T. auch schlechte. Da Du sagst, dass Deine Hündin zu Deiner Frau und Deiner Tochter ein ziemlich gutes Verhältnis hat, vermute ich, dass es so ist, wie bei einigen Hunden aus dem Ausland:

Dort machen sie mit Männern ehr schlechte Erfahrungen, werden von diesen weggescheucht, z. T. misshandelt, verprügelt. Oft sind es Männer, die die Hunde dort von den Straßen holen. Die Männer werden von den Frauen vorgeschickt.
Frauen sind häufig Touristinnen oder Tierliebhaberinnen, wenn sie denn Kontakt zu den Hunden aufnehmen und somit ehr freundlich.
Abgesehen davon ist die Frage, in wie weit sie überhaupt Kontakt zu Menschen hatten. Nicht selten leben die Hunde entweder wirklich auf der Straße und haben nur sehr sporadisch Kontakt zu Zweibeinern oder sie leben in einer Auffangstation und Menschen sind dort auch nicht unbedingt Bindungspartner. Heißt, diese Hunde haben meistens nicht gelernt, dass man zu Menschen auch eine soziale Bindung aufbauen kann. Das nur am Rande.

Hier sind meines Erachtens nach drei Dinge wichtig:

  1. Geduld und Spucke. Hört sich banal an. Du sagst nicht, wie lange die Hündin schon bei Euch ist. Aber oft brauchen diese Hunde bis zu 12 Wochen, bis sie sich eingelebt haben. Gib ihr Zeit. Ich würde an Deiner Stelle all die Dinge übernehmen, die schön sind, insofern es Dir möglich ist. Gassi gehen, Füttern, streicheln, spielen, üben. Alles mit Geduld, werde niemals laut, schlucks lieber runter.

Die Problematik ist, dass Du im Bereich der Desensibilisierung arbeitest. Diese ist nur dann Erfolg versprechend, wenn der Hund keine schlechten Erfahrungen mehr im zu sensibilisierenden Bereich macht. Hat der Hund z. B. Angst vor anderen Hunden, darf ihm während des Trainings kein Hund mehr Angst machen. Der Weg ist meistens ziemlich lang und nur von kleinen Erfolgen gekrönt, lohnt sich aber. Hat sie also Angst vor Dir oder vielleicht Männer im Allgemeinen, darf sie keine schlechte Erfahrung mit Männern machen.

Vielleicht überlegt Ihr mal, ob Ihr Eure Hündin auf den Clicker konditioniert. Das könnte ich mir gut vorstellen. Dann könntest Du sie gut arbeiten und meistens sind die Hunde da mit Feuereifer dabei. Versuch ists wert.

  1. musst Du lernen, Deine Körpersprache zu kontrollieren. Beuge Dich beim anleinen nicht über sie. Stell Dich nicht frontal nach vorne gebeugt.

Erstmal würde ich ein Ranrufsignal ordentlich konditionieren. Vielleicht ist auch hier eine Pfeife ganz gut. Sie ist emotionslos und kann von allen Personen im Haushalt gut verwendet werden. Gut aufgebaut verbindet Eure Hündin damit viele gute Sachen und somit gute Gefühle. Das ist sicher wichtig für ein zuverlässiges Ranrufsignal. Du benutzt also das Ranrufsignal und gehst in die Hocke und zwar seitlich. Wenn Du ihr ein Leckerchen gibst und sie es überhaupt nimmt, dann nicht zu weit weg von Deinem Körper. (da darf es auch ruhig mal die Leberwurst oder das Katzenfutter sein)Sie muss sehen, dass bei Dir gute Dinge passieren. Leine sie nicht jedes Mal an, wenn sie zu Dir kommt, sondern fass nur kurz ans Halsband oder Geschirr und lass sie wieder gehen. Das solltest Du so oft wie möglich machen.

Denn meistens ist es so, wenn wir unsere Hunde rufen, dass ein gewisser Druck dahinter ist. Wir wollen gehen, die Zeit wird knapp, das Essen steht auf dem Tisch, Termine warten. Also ist das ranrufen, anleinen, weggehen immer irgendwie hektisch. Hunde merken sowas sofort.

Je häufiger Du sie ranrufst, ohne sie anzuleinen, umso lieber wird sie ran kommen.

  1. Stellt klare Ge- und Verbote auf und setzt diese auch durch. Nur weil sie evtl. mal doofe Erfahrungen gemacht hat, muss sie nicht in Watte gepackt werden. Laissez-fairer Führungsstil ist hier nicht angebracht. Das geht nur bei Hunden, die in sich ruhen und denen schwammige Grenzen keinen Stress bereiten. Da ihr einen solchen Hund nicht habt, überlegt Euch, was sie darf und was sie nicht darf und setzt dass dann auch dem Individuum angemessen durch.

Empfehlen kann ich Euch das Buch: Hunde brauchen klare Grenzen von Michael Grewe. Auch Ängstlicher Hund von Martin Rütter ist ganz gut.

Solltet Ihr nicht weiterkommen, schreibt mir ruhig kurz, wo Ihr lebt, dann würde ich dringend empfehlen einen Hundetrainer aufzusuchen. Bei der Suche bin ich gerne behilflich.

Ansonsten könnt Ihr natürlich auch gerne nochmal nachfragen. Manche Sachen sind per Mail aber sehr abstrakt und müssen vielleicht einmal gezeigt werden, damit sie gut funktionieren für ein entspanntes miteinander!

Lieber Gruß
Jenni (Canisterra)

Vielen lieben Dank für die tollen Tips. Na dann werd ich mal loslegen. Danke Micha von Inselhunde ( unser Hundeauslaufplatz)