Hundezucht: Mutation oder nicht?

Wie bereits unten diskutiert, gibt es genetische Mutationen auf verschiedenen Ebenen. Diese spielen für das Verständnis der Evolution eine Rolle, aber da ist mir eine Sache unklar :

Wenn ich richtig verstanden habe, gibt es auch Mutationen, die eigentlich gar keine sind. Bei der Hundezucht z.B. geht es nur darum, „sowieso“ im Wolf vorhandene genetische Alternativen (Allele) immer neu zu mischen, per Paarung neu zu kombinieren und dann die - aus Sicht des Züchters - besten Kombinationen auszuwählen. Die verschiedenen Hunderassen wären also keine „mutierten“ Wölfe, sondern nur verschiedene Kombinationen von Wolfsmerkmalen im Rahmen des Polymorphismus einer Art.

Stelle ich mir das richtig vor ?
Wie ist die Bedeutung beider Mechanismen (Mutation oder Allel- Rekombination) im Verhältnis zueinander in der Evolution ?

mfg
Klaus

Hallo Klaus,

ich versuche mal eine Erklärung (ohne, daß ich spezielle Evolutionsgenetikerin wäre):

Ich mache die Annahme, daß der Hund ein domestizierter Wolf ist. Näheres dazu siehe auch hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Haushund
http://www.tk-logo.de/aktuelles/thema-der-woche-05/t…

So, und nun die Genetik.
Auch bei den Wölfen gab es schon für die einzelnen Gene, die den Phänotyp (also das Aussehen) bestimmen jeweils verschiedene Allele. Beispiel: die Fellfarbe. Zwar ist diese nicht durch ein einziges, aber doch durch wenige Gene bestimmt - ich will es nur etwas vereinfachen. Aus der Kombination einiger Gene mit jeweils mehreren Allelen wird letztlich die Farbe des einzelnen Tiers bestimmt.
Ähnliches gilt für andere Merkmale - Größe, Knochenbau, Statur, etc.

Der Begriff Mutation (und ich beziehe mich hier auf die Genmutation) bezieht sich eigentlich immer auf ein Ausgangsallel, den sogenannten Wildtyp. Wobei das mit „Wild“ im Sinne von Wolf/Hund nix zu tun hat.
Neue Allele entstehen in der Regel durch Mutation, das ist das Werkzeug der Evolution. Da man in natürlichen Populationen selten das wahre Ur-Allel, also den Wildtyp kennt, bezeichnet man schlicht und einfach alle auftretenden Mutanten eines Gens als Allele.

Bei sexueller Kreuzung kommt es immer zu Rekombination, also zur Neuverteilung des väterlichen und mütterlichen Erbguts. Nun ist es auch noch so, daß Tiere oft heterozygot für viele Gene sind, das heißt sie besitzen zwei Allele für das Gen. Welche Variante sich davon durchsetzt im Phänotyp hängt mit dem Dominanzgrad zusammen (Stichwort dominanter / rezessiver / intermediärer Erbgang). Wir haben also an einem gegebenen Locus (Gen) verschiedene Möglichkeiten der Kombination bei der Entstehung des Embryos.
Außerdem wechselwirken auch noch viele unterschiedliche Gene miteinander und schon hast du beliebig viele Kombinationen (und damit Phänotypen). Dazu braucht es zunächst noch keine Mutation.

Mutationen passieren aber dennoch mit einer gewissen Rate ständig. Durch Umwelteinflüsse, durch Fehler bei der Replikation der DNA, durch Zellgifte. Und schon haben wir neue Allele, die auch munter mitmischen - vorausgesetzt, die Mutationen können sich in der Population durchsetzen oder zumindest erhalten. Die Natur sortiert nämlich alles aus, was unter den jeweiligen Umweltbedingungen einen Selektionsnachteil bietet.

So, zurück zum Hund und zum Wolf.
Der Mensch hat nun zum Teil durch gezielte Selktion bestimmter Allele / Mutationen solche Abartigkeiten (meine persönliche Meinung) wie den Chihuahua oder den Chinesischen Schopfhund gezüchtet. Inwieweit sich solche Hunde unter dem Einfluss natürlicher Selektion entwickelt hätten sei einmal in Frage gestellt. Stichwort, Kälte, Fruchtbarkeitsrate, Hüftgelenksdysplasien etc. (näheres hier: http://hen.hundezeitung.de/).

Im Prinzip kann man schon davon ausgehen, daß die Mehrzahl der Allele, die man in verschiedenen Hunderassen findet auch beim Wolf bereits vorhanden war. Vielleicht aber mit geringer Frequenz innerhalb einer Population oder als rezessives Allel, das nie phänotypisch zum Vorschein kam. Und natürlich traten/treten auch im Verlauf der Evolution des Hundes, seit er dem Menschen dienen muß immer wieder Mutationen auf. Manche Mutationen fanden die Menschen wohl schick (Zwerghunde, Nackthunde, gesprenkeltes Fell, Schlappohren, ewig langes Rückgrat etc.) und versuchten diese Mutationen innerhalb einer Rasse zu manifestieren.

Dadurch, daß man einen Idealtyp bestimmt und dann immer wieder ähnliche Individuen miteinander paart entstehen letztlich die Rassen. Innerhalb der Rasse ist das Aussehen sehr ähnlich, lediglich Fellfarbe ist oft noch als Variation erlaubt. Die natürliche Evolution spielt beim Aussehen der Hunderassen daher nahezu keine Rolle mehr. Lediglich wirkliche Letalmutationen werden quasi aussortiert. Evolution spielt sich primär in freier Natur ab, nicht unter der Fuchtel des Menschen. Der hätschelt und tätschelt seine Zuchtprodukte, verpaßt ihnen Wärmedecken, betreibt gezielte Zuchtwahl und läßt körperliche Defekte vom Tierarzt behandeln.

Ich hoffe, deine Fragen so halbwegs beantwortet zu haben - trotz einiger Exkursionen.

Viele Grüße
Eva

Hallo Klaus,

die Eva hat das schon sehr schön und ausführlich erklärt.

Laß mich nur das Problem weshalb sich Deine Frage ergab kurz auf den Punkt bringen:
es gibt nämlich Verworrenheit bei der Verwendung des Begriffs Mutation.
Im original molekularbiol.Sinne ist es eine Veränderung des genetischen Materials EINES Individuums; das kann ein einzelnes Gen sein (also ein „neues“ Allel) oder auch mehr betreffen (z.B.ganze Chromosomen).
Wenn sich derartige Mutationen (durch die natürliche oder vom Menschen künstlich gesteuerte Selektion) anhäufen und in einer Teil-Sippe (oder auch der ganzen Art) durchgesetzt haben, dann wird dieses Ergebnis des beschriebenen Vorgangs auch als eine „Mutation“ bezeichnet.

Gruß,
Peter

Hallo Klaus
Nach meinen Informationen bietet die aktuelle Biologie noch keinen anderen Mechanismus für die Entstehung von genetischen Inhalten als die Mutation.
Also, ist es bereits im Wolf vorhanden gewesen oder eine Mutation?
Nun, alles im Wolf ist biologisch gesehen aus Mutation uns Selektion entstanden.
Möglicherweise verwundert es manch einen, wie denn wohl diese oder jene Hunderasse aus dem „Wolf“ entstanden sein könnte.
Es gibt aber nicht nur den Wolf als zur Gruppe der sogenannten „Hundeartigen“ gehörend, und dazu gehören auch der Bär und der Fuchs (das sind die, die mir einfallen).
Das heißt, aus dieser Richtung kann ebenfalls mal Erbgut gekommen sein.

Die meisten natürlichen Mutationen sind schädlich und mindern die Lebensfähigkeit. Die vorhandenen überlebenden Mutationen müssen viele Millionen(Milliarden?) Jahre gebraucht haben.
Eine Neuzucht einer neuen Hunderasse mit Hilfe eines Genpools mittels Züchtung gelingt jedoch innerhalb von wenigen Hundegenerationen. Hier liegt der Hauptunterschied.

Allgemein abgelehnt wird dagegen die Vorstellung, das zum Beispiel der Wolf durch „politische“ Domestizierung im jahrtausende währendem Zusammenleben sich selbst zum Dackel verändert habe.
Eine Art von „selbstgesteuerter Genvariator“ ist hierfür noch nicht nachgewiesen.

MfG
Matthias

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

die Eva hat das schon sehr schön und ausführlich erklärt.

Allerdings ! Die Erklärung ist phantastisch.

Trotzdem habe ich noch eine Zusatzfrage:

Können sich grundsätzlich (also genetisch) alle Hunderassen miteinander fortpflanzen ?

Gehören also alle Hunde biologisch zur selben Art („Eine Art ist alles, was sich paart“)

mfg
Klaus

Können sich grundsätzlich (also genetisch) alle Hunderassen
miteinander fortpflanzen ?
Gehören also alle Hunde biologisch zur selben Art („Eine Art
ist alles, was sich paart“)

Genau das !

In den Fällen, wo sich Rassen nicht mehr kreuzen können, liegt das an besonders ausgeprägter Abänderungen; diese sind im Fall von echten Rassen jedoch relativ erst kurzfristig entstanden, sodaß sie (obwohl sie sich nicht MEHR kreuzen) noch als Rassen ein und derselben Art anzusehen sind.
Im Fall der Hunde sind, betrieben durch den Menschen in besonders stark ausgeprägter Zuchtwahl, „künstlich“, morphologisch sehr unterschiedliche Formen vorhanden, die dann natürlich aus rein praktischen Gründen sich kaum paaren können; aber: rein theoretisch, genetisch gesehen, sind alle kreuzbar.

Bei den Hunden und unserem Wolf gilt: sie gehören alle zu einer einzigen Art: Canis lupus

„Der Haushund“ ist eine Zusammenfassung verschiedenster Rassen und Rassenkreise, was in der theoretischen Systematik als Untergruppe der Art bezeichnet wird: sog.Form: Canis lupus forma familiaris

Gruß, Peter