Hungergefühl - pharmakologische Beeinflussung

Hallo,

mich interessiert, woran es liegt, daß es noch kein wirksames pharmakologisches Mittel gegen Hungergefühl gibt. Im Prinzip kann man ja schon sehr gut in einige Hirnfunktionen eingreifen. Es gibt Schlafmittel, Beruhigungsmittel, Stimmungsaufheller, Antidepressiva, Schmerzmittel, etc. Einige davon wirken recht effektiv mit vertretbaren Nebenwirkungen.
Warum gibt es keinen nebenwirkungsarmen Appetitzügler (oder ein Mittel, das den Hunger vorübergehend ausschaltet, außer Amphetamine, die abhängig machen und auch sonst gefährlich sind) ? Wo liegt das medizinische oder pharmakologische Problem ?
Oder gibt es das schon, aber es wird nicht propagiert, damit nicht noch mehr Anorektiker sich zu Tode hungern ?
Im Prinzip könnte sich doch die Pharma-Industrie eine goldene Nase damit verdienen. Es müßte also ein Interesse bestehen, so etwas auf den Markt zu bringen.

Ich verstehe etwas Neurobiologie und Physiologie und freue mich über Antworten, die darauf Bezug nehmen. Ich interessiere mich für die biologischen und medizinischen Hindernisse, die einer „Anti-Hunger-Pille“ im Weg stehen.
Es geht mir nicht darum, eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Appetitzüglern zu eröffnen oder Ratschläge hierzu zu bekommen !
Danke für Euer Verständnis.

Gruß,
Dendrite

Hallo Dentrite,

Es gibt Schlafmittel, Beruhigungsmittel,
Stimmungsaufheller, Antidepressiva, Schmerzmittel, etc. Einige
davon wirken recht effektiv mit vertretbaren Nebenwirkungen.

definiere ‚vertretbare Nebenwirkungen‘

Warum gibt es keinen nebenwirkungsarmen Appetitzügler (oder
ein Mittel, das den Hunger vorübergehend ausschaltet,…

definiere ‚Hungergefühl‘
Ist doch ein Regelkreislauf. ‚Hunger‘ setzt sich aus unterschiedlichen Meldungen die vom Körper kommen zusammen: der Magen knurrt, manchmal wird einem regelrecht übel vor Hunger, da der Blutzuckerspiegel sinkt wird einem oft leicht schwummrig… usw.

Ich verstehe etwas Neurobiologie und Physiologie

also ich verstehe Englisch ganz gut und Niederländisch, Französisch geht so und etwas Italienisch. :wink:

…einer „Anti-Hunger-Pille“ im Weg stehen.

Es gib unterschiedlichste Ansätze. Z.B. Pillen die im Magen-Darm-Trakt aufquellen und suggerieren sollen gegessen zu haben bis zu den sog. Anorektika die direkt auf das Hungerzentrum/Sättigungszentrums im Hypothalamus wirken. Bei Tante Wiki findest du mehr
http://de.wikipedia.org/wiki/Anorektikum

Guten Appetit…lux

Danke, gleichfalls.

definiere ‚vertretbare Nebenwirkungen‘
http://de.wikipedia.org/wiki/Anorektikum

Den Wikipedia-Artikel kannte ich schon. Einige der Anorektika mußten vom Markt genommen werden, was normalerweise nicht so schnell passiert (vor allem bei Medikamenten, die sich gut verkaufen lassen), deswegen nehme ich in meiner grenzenlosen Naivität an, daß ihre Nebenwirkungen schlimmer waren als die Nebenwirkungen verschiedenster anderer Medikamente, die nicht vom Markt genommen werden (müssen).

Meine Frage ist immer noch unbeantwortet. Ich stelle sie mal so: Warum ist es anscheinend einfacher, Menschen einschlafen zu lassen (oder sogar kontrolliert ins Koma zu versetzen und wieder aufwachen zu lassen), als ihr Hungergefühl zu unterdrücken ? Wo ist das Problem genau ?

Meine Frage ist immer noch unbeantwortet. Ich stelle sie mal
so: Warum ist es anscheinend einfacher, Menschen einschlafen
zu lassen (oder sogar kontrolliert ins Koma zu versetzen und
wieder aufwachen zu lassen), als ihr Hungergefühl zu
unterdrücken ? Wo ist das Problem genau ?

Hier: nach der Einnahme eines Schlafmittels hast du geschlafen - vielleicht nicht perfekt, aber immerhin. Wenn du was gegen Hunger nimmst, hast du aber keineswegs was gegessen, du wirst also nachher umso mehr Hunger haben.

Vorübergehend funktioniert aber z.B. Coca-Kauen ganz gut, wie man in den Anden sehen kann, löst aber das Ernährungsproblem genausowenig.

Gruss Reinhard

Reinhardt hat schon einen wichtigen Punkt genannt.
Wenn du den Wiki-Artikel kennst, dann müsstest du dir die Frage selbst beantworten können.

… ihr Hungergefühl zu unterdrücken ? Wo ist das Problem genau ?

Da essen - anders als z.B. schlafen auch soziale Komponenten hat, die Anlage zu ‚dicker‘ sein zum großen Teil genetisch mitbestimmt ist und der Wunsch nach einer Gewichtsreduktion auch noch kulturell bestimmt wird ist die Entwicklung einer solchen Pille unmöglich. Auf welchen Gehirnanteil soll sie denn wirken? Zumal ein bisschen ‚depressiv‘ evolutionär nicht so schlimm ist, Schlafprobleme sind eher eine Zivilisationskrankheit, ‚Hunger‘ dagegen ist ein wirklich dramatisches und auf kurze Frist lebensbedrohliches Problem. Kein Futter - tot.

Das Ziel von Antidepressiva ist, den Patienten soweit zu aktivieren, dass wieder eine Aktion stattfinden kann, die dann die Aufgabe der Beeinflussung der Hirnchemie ‚übernimmt‘. ‚Nur‘ die Einnahme von Antidepressiva ohne z.B. einer Verhaltenstherapie ist nicht sinnvoll.

Die üblichen Anorektika greifen tief in sehr allgemeine Körpersysteme ein z.B wird versucht den Grundumsatz zu steigern.
Da der Sympatikus und damit Neurotransmitter wie Noradrenalin, Dopamin und Serotonin, bzw. Rezeptoren dafür allgemein sind, dh. im ganzen Körper vorkommen, sind auch die Auswirkungen sehr allgemein.
Dabei ist noch nicht genau geklärt was am Hungergefuehl alles beteiligt ist. Das Glucoseniveau spielt anscheinend eine wichtige Rolle. Zu unterscheiden ist auch noch ‚Hunger‘ von ‚Appetit‘ - und der hat oft mit Hunger gar nichts zu tun - Viele Menschen in den Industriestaaten haben nie ‚Hunger‘ - sie sind dick weil sie ‚Appetit‘ haben - jetzt kommt das Limbische System auch noch ins Spiel.
Guten Appetit…lux

Hallo Dendrite: Ein wichtiger Regulator des Hungergefühls ist Leptin, ein Proteohormon (167 Aminosäuren). Leptin wurde 1994 von Jeffrey Friedman entdeckt. Wenn das Fettgewebe zunimmt, hemmt ausgeschüttetes Leptin die Nahrungsaufnahme und die Fettsynthese und regt die Oxydation von Fettsäuren an. Verringerte Leptinproduktion begünstigt die Nahrungsaufnahme. Bei fettleibigen Personen wurde oft ein hoher Leptin-Wert gefunden; offenbar reagiert bei solchen Personen der Leptinrezeptor nicht mehr optimal auf Leptin.
Weitere Informationen findest Du im Nelson/Cox, Lehninger Biochemie, 4. Aufl., 2009, S. 1228,1231-1233 und bei Wikipedia unter „Leptin“.
Viel Spass und einen hohen Lerneffekt wünscht Paul.