Ich-Ideal bei Konfliktlösungen

Was hat für Euch höhere Priorität bei der Lösung gesellschaftlicher Konflikte, die Realität (Ist) oder normative Vorstellungen (Soll)?

Grüße mki

Das kann man natürlich nicht trennen. Soziale Realität ist immer schon geprägt durch bestimmte Idealvorstellungen, die bis zum 18. Jahrhundert die Interessen von mächtigen Minderheiten wiederspiegelten (Aristokratie) und dann im Interesse des Allgemeinwohls in eine demokratische Richtung korrigiert wurden. Dieses demokratische Ideal steht nach wie vor im Konflikt mit den partikularen Interessen einer Minderheit (die reiche Schicht), welche sich um eine lobbyistische Steuerung der Politik bemüht, wobei sie sich Figuren wie Merkel, Gabriel und Konsorten bedient. Was sich heute „Demokratieverdrossenheit“ nennt, betrifft nicht die Demokratie als ideelles System (das absolut unverzichtbar ist), sondern deren Realisierung auf der sozial-materiellen Ebene, auch „soziale Realität“ genannt.

Die von dir genannte Trennung von „Ist“ und „Soll“ ist also trügerisch - das „Ist“ ist immer schon von einem „Soll“ mitgeprägt, nur eben unvollkommen, da die chaotische menschliche Natur keine vollkommene Umsetzung von Idealen zulässt, was - je nach Ideal - bedauerlich oder begrüßenswert ist.

Nachtrag:

Der Ausdruck "Ich-Ideal" in Thread-Titel ist im thematischen Kontext unpassend, da er sich im psychoanalystischen Sinn auf die Seinsweise bezieht, die das Über-Ich dem Ich als anzustrebendes Ideal der persönlichen Existenzweise hinstellt. Das hat nichts mit der Idealität eines sozialen Systems zu tun (worauf sich die „normativen Vorstellungen“ beziehen, von denen du sprichst).

1 Like

Einspruch. Man kann. Und das ist immer wieder nötig.

Das tust Du gerade hier. Leider nur ziemlich verschwörerisch. Die Einteilung der Welt in Gut und Böse.

„Bedient“. Ausnahmslos?! Ach! Dies lässt alle Menschen außer Acht, die sich hier um Reformen bemüht haben.

Sagst Du. Und dann isses so. Demokratieverdrossenheit ist zunächst und offenkundig Dein persönliches Problem.

Reine Behauptung. So dreht sich jeder die Welt so zurecht, wie sie ihm passt. Klare Sache, Du stellst normative Vorstellungen (Soll) über die Realität (Ist).

Nein. Ein Phänomen. Und völlig normal.

Grüße mki

Einspruch. Das ist absolut stimmig. Die von Dir streng vorgenommene Einteilung der Welt in Gut und in Böse hat etwas mit Deinem Ich-Ideal zu tun, damit, wie Du gewissermaßen ´gestrickt´bist. Und daher würde jedem bei aller Unterschiedlichkeit der Meinungen, ganz gut tun, wenn hier im Forum mehr Selbstreflektion geübt würde.

Grüße mki

Hat nichts damit zu tun, macht keinen Unterschied!!!

Der Begriff „Ich-Ideal“ im Sinne des „Über-Ichs“ ist ja kein Monopol der Freud’scher PA. Deswegen kann der UP den Begriff in seinem gemeinten sozialen Kontext m. E. sehr wohl explizit benützen, wobei sein gemeinter Begriff des „Ich-Ideals“ der heutige westliche RATIONALISMUS ist, begründet auf dem vorherrschenden GLAUBEN seit der Antike, mit Vordenkern wie beispielsweise Pythagoras und Demokrit u. v. a., der Scholastik des MAs, bis hin zum Höhepunkt der klassischen Naturwissenschaft durch Galilei, Newton, Keppler, Descartes, Bacon, und ihrem sogenannten, materialisierten „mechanistischen Weltbild“.

Hierbei ist das „Ich-Ideal“ aber eine SPALTUNG der Natur schlechthin (Objekt und Subjekt). Und dies hat insbesondere zuerst Schopenhauer, dann verstärkt Nietzsche - und der Philosoph Yong-Soo Kang, in seiner Dissertation „Nietzsches Kulturphilosophie“ - thematisiert.

Zitat unter der Überschrift „Disziplinierung“ aus dieser Dissertation: „Im Anschluss an die Antike und das Mittelalter ist die neuzeitliche Philosophie mit der Aufgabe konfrontiert, die tradierte Sellen-Körper-Problematik neu zu bedenken.“

Genau das ist ja der eigentliche Kern auch der Frage des UPs, die ich aus meiner Sicht damit beantwortete, dass das vorherrschende „Ich-Ideal“ der dogmatische RATIONALISMUS ist. Das ist eine SPALTUNG der Natur, was gerade Nietzsche in seiner Kulturphilosophie ewig kritisierte und in der zuvor erwähnten Dissertation explizit als „Nietzsches Kulturphilosophie“ thematisiert wird.

Ich zitiere weiter aus der oben erwähnten Doktorarbeit über „Nietzsches Kulturphilosophie“: - „Die neuen Erklärungsmodelle dieser Beziehung [hier gemeint Seele-Körper-Problematik, die ja im RATIONALISMUS seit Descartes ganz eindeutig als soziales Konstrukt und „Ich-Ideal“ den mathematischen Geist verabsolutiert und den natürlichen trieb-gesteuerten Körper dagegen sozusagen „eliminiert“] sind vor allem Dualismus und Mechanismus charakterisierbar.“

Wie es kommt, dass dieses soziale „Ich-Ideal“ unser heutiges mathematisch-physikalisches Weltbild aufgrund der TECHNISIERUNG DER WELT absolut dominiert???

Diese Frage hat der Holländer Eduard Jan Dijksterhuis wie kein zweiter Wissenschaftler „wertneutral“ herausgearbeitet, mit seinem Werk „Die Mechanisierung des Weltbildes“ (das Buch kostet neu so ca. 130 Euro , ich habe mir leider ein gebrauchtes Exemplar für etwas über 60 Euro bei Amazon gekauft, das hätte ich NICHT tun sollen. Das Buch, das ich erhalten habe, stinkt wie nach einer verwesten Leiche, ekelhaft - es hätte sich gelohnt, mehr als das Doppelte des Preises auszugeben, es ekelt mich einfach so sehr, dass ich das Buch am liebsten gar nicht in die Hand nehmen möchte, grauselig!).

Der Holländer Eduard Jan Dijksterhuis ist prädestiniert wie kein Zweiter, über das uns heute allgemein dominierende „mechanistische Weltbild“ aufzuklären, er war die meiste Zeit ein promovierter Mathematiklehrer an verschiedenen Gymnasien und lehrte danach als Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Universität Utrecht und Universität Leiden.

Prof. Dr. Dijkterhuis war u. a. auch Regierungsberater für „Erziehungsfragen“ und wurde in die Königlich-Niederländische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Außerdem erhielt er für sein Buch „Die Mechanisierung des Weltbildes“ den niederländischen Staatspreis für Literatur verliehen.

Normalerweise werden wir alle nach diesem „mechanistischen Weltbild“ kulturell geprägt als „Ich-Ideal“, ohne dass die Mehrheit der RATIONALISTEN die historischen Zusammenhänge ihres eigenen, von der Kultur geprägten Denkens jemals in ihrem Leben hinterfragen würden und über die philosophischen Grundannahmen des mechanistischen Weltbildes etwas WISSEN.
CJW

1 Like