Ablenkung? Böse Falle!
Hi, Sara,
wie Du schon geschrieben hast: Es ist scheinbar nicht auszuschließen, dass Du ihm irgendwo völlig unbeabsichtigt - und auch unvorbereitet - begegnest. Wie soll ablenken da helfen? Er kennt Dich, und er weiß genau, welche ‚Schalter‘ er betätigen muss, um in Dir gewünschte Regungen auszulösen.
Ich sehe die größte Herausforderung für Dich im Widerspruch zwischen Deinen Gefühlen - Deiner Liebe zu ihm - und Deiner Entscheidung, ihn nicht mehr sehen zu wollen.
Nun hast Du voller Überzeugung und wohlüberlegt beschlossen, ihn aus Deinem Leben zu verbannen. Dieser Plan scheitert offensichtlich an Deinen Gefühlen, die sich unverkennbar widerwillig kontrollieren lassen. Derartige Gefühle zu unterdrücken ist ebenso wirkungsvoll, wie ein Pflaster über einer unbehandelten Stichverletzung.
Meines Erachtens gibt es nur einen Weg: Setze Dich so genau wie möglich mit Deiner Liebe zu ihm auseinander. Das ist eine harte Nummer, aber wenn Du Deine Gefühle nicht genau kennst, kannst Du sie auch nicht beeinflussen. Mach diesen Job nur mit Dir alleine, oder mit jemandem, der in solchen Belangen ein absolut brauchbarer und zuverlässiger Ansprechpartner ist. Befasse Dich voller Offenheit Dir selbst gegenüber mit dem, was Du für ihn empfindest. Versuche Deine Liebe zu ihm möglichst konkret darzustellen.
Als ich Deinen Text gelesen habe, fühlte ich mich an meine aktive Zeit im Thaiboxen erinnert. Es gab für mich regelmäßig ‚Angstgegner‘ - Typen, die ich für nahezu unbesiegbar hielt. Wann immer man mir mitteilte, dass ich im nächtsten Wettkampf genau einem solchen Kämpfer begegnen würde, wurde mein Vorbereitungstraining zur Farce: Ich trainierte wie ein irrer, konnte an nichts anderes denken, doch im Wettkampf war ich unfähig mein Leistungsvermögen und meine Erfahrung ausreichend einzubringen. Kaum stand der Gegner mir gegenüber war ich überwältigt von seiner Ausstrahlung und dem, was ich über ihn zu wissen glaubte. Meist unterlag ich dann - trotz stattlicher Größe und viel Erfahrung.
Dann hatte ich irgenwo - in einem völlig anderen Zusammenhang - vom Gegner im Kopf gelesen. Ich fing an darüber nachzudenken, und erkannte langsam, was mein Problem war: Ich beurteilte diese Angstgegner keinesfalls nach ihren tatsächlichen Eigenschaften, sondern nach dem, was ich - meist völlig unbewußt - in sie hineininterpretiert hatte. Da genügte schon ein schlechter Ruf oder eine verwegene Ausstrahlung. Mit der Zeit begann ich, die Angstgegner zu analysieren. Anfangs fiel mir das nicht leicht, da mir schon der Gedanke an diese Jungs unangenehm war. Tatsächlich zeigte sich aber schon rasch in kleinen Ansätzen, das der Weg richtig war. Zunächst wirkte sich das auf meine Siegquote kaum aus, doch ich fühlte mich schon vor dem Kampf erheblich besser. Hinzu kam, dass ich irgenwann feststellte, keine Angstgegner mehr zu haben, und das manch einer von früher letztendlich doch besiegbar war.
Im Sport ist der Begriff des Gegners durchaus angebracht, in partnerschaftlichen Belangen eher nicht. Wenn Du mich jedoch bitten würdest, Deinen Angstgegner zu benennen, würde ich ohne zu zögern Deine Liebe zu ihm als solchen bezeichnen. Versuche - und jetzt wird es wahrscheinlich ziemlich theoretisch - Dir in Deiner Liebe zu ihm mit allen Details bewußt zu werden. Schritt für Schritt sollten allgemeine Formulierungen konkreten Aspekten weichen. Nimm Dir Zeit, auch wenn Du es verständlicherweise eilig hast. Solch ein Dialog mit sich selbst ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die keiner spontan beherrscht, aber eigentlich hat jeder Mensch das Potential dazu.
Aber dies ist meines Erachtens Deine beste Chance: Deine Liebe zu ihm in allen Details zu erkennen, um mit ihr bewußt umgehen zu können. Setze Dich auch damit auseinander, wie er auf Dich wirkt, und warum. Möglicherweise wird sich dadurch einiges relativieren, was Dir letztendlich die Möglichkeit geben kann, völlig ungezwungen mit Ihm umzugehen, ohne ständig mit Dir selbst in Konflikt zu sein.
Ich wünsche Dir Ausdauer, Kraft, Glück und Liebe.
PM
Du merkst wahrscheinilch, dass ich mich in bestimmten Punkten ehrer allgemein ausdrücke. ‚Jeder Jeck is anders‘ sagt der Kölner. Mit meiner Antwort möchte ich kein Rezept unterbreiten, sondern Dir ein paar Gedanken zukommen lassen, die Du auf Deine Art und Weise in Dein weiteres Denken und Handeln einfliessen lassen kannst.
Vielleicht erfahre ich irgendwann, wie es Dir dabei geht