Ideen zu C.Baudelaires Widmung in seinen'BlumenDe

Title: Links/Sekundärliteratur/Tipps zur Widmung C. Baudelaires in seinen „Blumen des Bösen“. (Betreffzeile war zu klein)

Hallo,

ich hoffe das richtige Brett für meine Frage gefunden zu haben, meine Frage betrifft genau die Literaturwissenschaft.

Ich wollte wissen, wer mir Hinweise zur Interpretation der Widmung in Baudelaires „Fleurs du Mal“ geben kann. Gerne Hinweise zu Sekundärliteratur oder auch allgemein gute Seiten zu dieser Gedichtsammlung!
Genau genommen geht es mir um den Wortlaut „diese kränkelnden Blumen“ (welche mit den Gefühlen tiefster Demut gewidmet werden).
Original: „ces fleurs maladives“.

Meine ersten Überlegungen (teils stichwortartig):

  • Anspielung auf Titel kränkelnde Blumen VS Blumen des Bösen
    „des Bösen“ = neg. Konnotation in „kränkeln“ noch nicht gegeben, deshalb noch an der Schwelle/Kippe zum Bösen/Krankheit/Tod/…?

  • wenn Anspielung auf Krankheit/Tod. Zu weit hergeholt diese Blumen als Personifikation zu sehen für Menschen, die kränkeln? --> „Krankheit“ des Spleen schon hier zu erahnen?

  • kränkelnde Blumen = Vergänglichkeit. Brücke zur Vergänglichkeit der Menschen?

  • kränkelnde Blumen = welke Blumen. Brücke zu „welken“ Menschen = depressiven (! moderner/heutiger Begriff !) Menschen?

Wie sind eure Meinungen? Welche meiner Ideen haltet ihr für vertretbar bzw. was würdet ihr vorschlagen?

Vielen Dank für alles Hilfen,
mit bestem Gruß,
McFly

Hallo,

Deine Interpretationsansätze halte ich durchaus für nachvollziehbar. Du solltest außerdem bedenken, dass maladif im Frz. nicht nur kränkelnd, kränklich bedeutet, sondern auch krankhaft, ungesund, (im konkreten wie übertragenen Sinn, z.B. krankhafte Angst), wie besessen, bis hin zu morbide. Ähnlich wie wir im Deutschen sagen „Das ist doch krank“.
Ich denke schon, dass Baudelaire mit der Mehrdeutigkeit des Begriffs spielt.
Schau dir im Link die Bedeutungen und Beispiele an, ab B. −[Sur le plan psychique]
http://www.cnrtl.fr/definition/maladif

Der frz Titel „Les Fleurs du Mal“ geht meines Erachtens ebenfalls in diese Richtung: Blumen, die aus dem Krankhaften, dem (Welt-)Schmerz, dem Übel gewachsen sind. Der in D. üblich gewordene Titel „Die Blumen des Bösen“ halte ich für recht unglücklich, weil er die Bedeutung des frz. „mal“ zu einseitig wiedergibt.

_„Les Fleurs du mal“ => projet poétique de Baudelaire : extraire la beauté du mal, transfigurer par le travail poétique l’expérience douloureuse de l’âme humaine en proie aux malheurs de l’existence (Baudelaire dit : " tu m’as donné ta boue, j’en fais de l’or ").
Le mal fait référence à quatre types de mal :

  • mal social (être déchu)
  • mal moral (goût pour le crime et le sadisme)
  • mal physique
  • mal métaphysique (âme angoissé car il ne croit pas en Dieu)
    Oxymore : Fleurs/mal
    (…)
  • Spleen : mot anglais qui désigne la rate : en effet, on croyait autrefois, selon la théorie des humeurs d’Hippocrate, que le sentiment de mélancolie était d’origine physiologique et, plus précisément, qu’il venait de la bile noire sécrétée par la rate. Le mot Spleen traduit donc chez Baudelaire l’ennui et le dégoût généralisé de la vie._
    http://www.bacdefrancais.net/fleursdumal.html

Melde dich, falls Du Probleme beim Verständnis der frz. Links hast!
Grüße
Pit

Hallo Pit,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort, die mir wirklich weiterhalf!!

außerdem bedenken, dass
maladif im Frz. nicht nur kränkelnd, kränklich
bedeutet, sondern auch krankhaft, ungesund, (im
konkreten wie übertragenen Sinn, z.B. krankhafte Angst),
wie besessen, bis hin zu morbide. Ähnlich wie
wir im Deutschen sagen „Das ist doch krank“.

Danke für den Hinweis. Obwohl ich auch die frz. Ausgabe neben mir liegen hab und wir in dem entsprechenden Seminar eine Auswahl an Gedichten in ihrem Original untersuchten, dachte ich nicht mehr an dies. War wohl zu festgefahren von/bei der dt. Übersetzung.
Mit dieser Mehrdeutigkeit kann ich meine Interpretationen noch weiter festigen…

Schau dir im Link die Bedeutungen und Beispiele an, ab B.
−[Sur le plan psychique]
http://www.cnrtl.fr/definition/maladif

Merci! Kannte die Seite schon, kam jetzt aber nicht selber darauf, andere Übersetzungen für maladif zu suchen/mir die genauen Definitionen anzusehen.
Die Verbindung, die du zum eigtl. Titel „du Mal“ siehst kann ich nachvollziehen und finde den Gedanken sehr interessant und passend.

„Les Fleurs du mal“ => projet poétique de Baudelaire :
extraire la beauté du mal, transfigurer par le travail
poétique l’expérience douloureuse de l’âme humaine en proie
aux malheurs de l’existence (Baudelaire dit : " tu m’as donné
ta boue, j’en fais de l’or ").

http://www.bacdefrancais.net/fleursdumal.html

Vielen Dank, für diesen Link, auf die Seite bin ich auch schon gestoßen und ich finde sie sehr aufschlussreich!
Französisch verstehe ich soweit sehr gut, trotzdem noch eine Verständnisfrage zu dem oben stehen gelassenem Zitat (extraire la beauté etc.):
Was meint B. hier mit „beauté“? Und zu „transfigurer“: könnte hier ein Lösungsansatz von B. gegeben sein, um aus diesem Zustand der Melancholie herauszukommen? --> Schreiben als Therapie?
Ähnlich wie das „Beten und Singen“ als Lösung der Mönche um der Versuchung des Teufels zu widerstehen, falls sie in seine Versuchung kommen (–> Mönchskrankheit, vgl. auch „Le mauvais moine“)?

Vielen Dank aber schon jetzt für die große Hilfe und interessanten Links und einen (virtuellen) Stern für deinen Artikel!!

Viele Grüße,
McFly

Was meint B. hier mit „beauté“? Und zu „transfigurer“: könnte
hier ein Lösungsansatz von B. gegeben sein, um aus diesem
Zustand der Melancholie herauszukommen? --> Schreiben als
Therapie?

Für B. persönlich kann man das wohl so sehen. Oder auch allgemeiner: er setzt dem Mal (mit allen Bedeutungsnuancen) die Schönheit der Poesie entgegen, die Ästhetik.
Ein weiterer Aspekt: er sucht das Schöne, das sich auch im Mal verbirgt. Er gewinnt die Schönheit aus dem Mal, extrahiert sie, fördert sie zutage, wie man aus einem hässlichen Klumpen Erz edles Metall gewinnt.
Am Ende des Entwurfs für einen Epilog zu den Fleurs du Mal schreibt er
_Ô vous, soyez témoins que j’ai fait mon devoir
Comme un parfait chimiste et comme une âme sainte.

Car j’ai de chaque chose extrait la quintessence,

Tu m’as donné ta boue et j’en ai fait de l’or._
http://fr.wikisource.org/wiki/Les_Fleurs_du_mal_-_%C…
(so steht der Text auch in meiner frz. Buchausgabe; bei dem Zitat aus www.bacdefrancais.net steht je fais de l’or)

Laut diesem Text (S. 100) http://books.google.de/books?id=dxjdAt41XpcC&pg=PA10… wendet sich B. in seinem Epilog direkt an die Großstadt.

Dann ist mir noch eine Idee in den Kopf geschossen, die vielleicht zu weit hergeholt ist: wenn man unter le Mal den physischen oder psychischen Schmerz von B. persönlich versteht, dann könnte man die Suche nach der Schönheit in diesem Leiden geradezu als masochistisch interpretieren.

So, nun denk Du weiter :wink:
Pit

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Guten Tag!

Meine ersten Überlegungen (teils stichwortartig):

  • Anspielung auf Titel kränkelnde Blumen VS Blumen des Bösen
    „des Bösen“ = neg. Konnotation in „kränkeln“ noch nicht
    gegeben, deshalb noch an der Schwelle/Kippe zum
    Bösen/Krankheit/Tod/…?

  • wenn Anspielung auf Krankheit/Tod. Zu weit hergeholt diese
    Blumen als Personifikation zu sehen für Menschen, die
    kränkeln? --> „Krankheit“ des Spleen schon hier zu erahnen?

  • kränkelnde Blumen = Vergänglichkeit. Brücke zur
    Vergänglichkeit der Menschen?

  • kränkelnde Blumen = welke Blumen. Brücke zu „welken“
    Menschen = depressiven (! moderner/heutiger Begriff !)
    Menschen?

Wie sind eure Meinungen? Welche meiner Ideen haltet ihr für
vertretbar bzw. was würdet ihr vorschlagen?

Dein Interpretationsansatz isoliert die Wendung „ces fleurs maladives“ und stellt das Semantische in den Vordergrund.

Mein Gegenvorschlag ist, dies nicht zu tun, die Funktion der „fleurs maladives“ aus der Gesamtstruktur der Widmung heraus zu verstehen, die so lautet:

Au poète impeccable
Au parfait magicien ès lettres françaises
A mon très-cher et très-vénéré
Maître et ami
Théophile Gautier
Avec les sentiments
De la plus profonde humilité
Je dédie
Ces fleurs maladives

Hier finden sich Gegensatzpaare.

Gautier - je [Baudelaire]
perfection - humilité
poésie impeccable - fleurs maladives

Dieser Gegensatz hat natürlich mit dem Sprechakt der „Widmung“ und dessen Konventionen zu tun: Man widmet in Bescheidenheit, man preist denjenigen, dem man etwas widmet, man unterbewertet das Gewidmete.

Man kann es aber auch als programmatische Absetzung (Absetzung-im-Anschluss) Baudelaires von Gautier verstehen, von dessen l’art pour l’art, dessen unbedingtem Nachdruck auf die perfekte Form, die den Stoff zur absoluten Nebensache macht.
Zum Verhältnis Gautier-Baudelaire gibt es ja Unmengen an Literatur, auch von den beiden selbst verfasste.

Ich für mich, also ohne dem jemals weiter nachgegangen zu sein, lese die Passage daher als „Au poète impeccable … je dédie ces fleurs maladives [= Les Fleurs du Mal + poésie maladive]“

E.T.

allgemeiner: er setzt dem Mal (mit allen
Bedeutungsnuancen) die Schönheit der Poesie entgegen, die
Ästhetik.
Ein weiterer Aspekt: er sucht das Schöne, das sich auch im
Mal verbirgt. Er gewinnt die Schönheit aus dem
Mal, extrahiert sie, fördert sie zutage, wie man aus
einem hässlichen Klumpen Erz edles Metall gewinnt.
(…)

MERCI (+ *) !

(…)vielleicht zu weit hergeholt ist: wenn man unter le Mal
den physischen oder psychischen Schmerz von B. persönlich
versteht, dann könnte man die Suche nach der Schönheit in
diesem Leiden geradezu als masochistisch interpretieren.

Hmm, ich verstehe dich, weiß aber nicht, ob das nicht schon arg (zu?) weit aus dem Fenster gelehnt ist. Auf jeden Fall interessant.
Ich bin mit der Lektüre der Sekundärliteratur aber auch noch nicht ganz am persönlichen Ziel angekommen, vielleicht erkenne ich noch eine ähnliche Interpretation.

So, nun denk Du weiter :wink:

Wurde und wird gemacht! B. ist in der Tat faszinierend, nur leider ist es am Ende meist die zur Abgabe der Arbeiten mahnende Zeit, die mich davon abhält nur noch in Sek.-Lit. zu versinken :wink:
werde mich aber mit Sicherheit noch persönlich ne Weile weiter mit B. beschäftigen…

McFly

Guten Tag!

Salut!

Dein Interpretationsansatz isoliert die Wendung „ces fleurs
maladives“ und stellt das Semantische in den Vordergrund.

Stimmt. Ich war sehr auf ein bestimmtes von mir gewähltes Thema fixiert und wollte nicht all zu sehr vom roten Faden abweichen. Durchaus möglich, dass ich durch diesen „Scheuklappenblick“ einige Aspekte vergaß oder gar verfälschte.

Mein Gegenvorschlag ist, dies nicht zu tun, die Funktion der
„fleurs maladives“ aus der Gesamtstruktur der Widmung heraus
zu verstehen, die so lautet:
(…)

Gute Idee und die Gegensätze springen einem natürlich klar ins Auge! Ich habe auch die komplette Widmung vor mir. Vermutlich werde ich (aus o.g. Gründen) einen solchen Interpretationsansatz als Ausblick in den Schlussteil setzen.

Man kann es aber auch als programmatische Absetzung
(Absetzung-im-Anschluss) Baudelaires von Gautier verstehen,
von dessen l’art pour l’art, dessen unbedingtem Nachdruck auf
die perfekte Form, die den Stoff zur absoluten Nebensache
macht.
Zum Verhältnis Gautier-Baudelaire gibt es ja Unmengen an
Literatur, auch von den beiden selbst verfasste.

Hab ich gesehen, bin aber in der Lektüre noch nicht so weit fortgeschritten…

(…) lese die Passage daher als „Au poète impeccable … je
dédie ces fleurs maladives [= Les Fleurs du Mal + poésie
maladive]“

Vielen Dank für deine Sichtweise/„Lesart“, die sehr plausibel ist. Auch hier einen * für deine Antwort und Hilfe!

Viele Grüße,
McFly