Hallo,
Wenn das Treppenhaus wie der Aufzug dem AN vom AG zur Verfügung gestellt wird, dann entscheidet man diese Frage mit einem auf die Spitze getriebenen Analogieschluss: Der AG stellt auch zwei Kopierer zur Verfügung. Der eine funktioniert anstandslos, beim anderen bekommt man einen heftigen elektrischen Schlag. Bedauern gibt’s aber nicht, denn es ist ja Sache des AN, sich richtig zu entscheiden…
Naja, aber nicht alles was hinkt ist auch ein Vergleich. Ich denke schon, dass man hier ganz klar zwischen dem, was während der Arbeit und dem was auf dem Weg dorthin passiert, unterscheiden kann und möglicherweise sogar muss. Wer sich schon mal mit den sozialversicherungsrechtlichen (hier: gesetzliche Unfallversicherung) Feinheiten des Toilettenganges während der Arbeit auseinandergesetzt hat, weiß was gemeint ist. Desweiteren wären dann durchaus noch unterschiedliche Rechtsgebiete wie eben Arbeits- und Sozialversicherungsrecht sowie normales Zivilrecht zu unterscheiden.
Hier wurde eine arbeitsrechtliche Frage in Bezug auf die Arbeitszeit gestellt. Die Frage war, inwiefern das Nichtereichen des Arbeitsplatzes trotzdem als Arbeitszeit anzusehen und damit vom Arbeitgeber zu bezahlen ist.
Dem AG gehört das Gebäude oder er ist dort Mieter und zahlt für einen funktionierenden Aufzug, damit seine Mitarbeiter (oder auch Kunden) ihn erreichen können…
Es wird wohl immer auf die konkreten Umstände ankommen.
Es kommt insbesondere auf die berufsgenossenschaftlichen und staatlichen Arbeits- und Gesundheitsschutzvorschriften wie die Arbeitsstättenverordnung an, weiterhin auf die jeweilige Landesbauordnung als Gesetz mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, nämlich u. a. der Gebäudenutzer.
Ja. Das hat allerdings nicht unmittelbar etwas mit der Fragestellung zu tun. Dass dem Arbeitnehmer möglicherweise irgendwelche zivilrechtlichen Ansprüche, gegen wen auch immer, oder den Sozialversicherungsträgern Regeressansprüche gegen den Arbeitgeber zustehen, bleibt davon vollkommen unberührt. Fakt ist doch erstmal, dass der AN noch nicht am Arbeitsplatz erschienen ist und seine Arbeit auch noch nicht aufgenommen hat.
Die Musterbauordnung sieht etwa Aufzüge bei mehr als 13 m Höhenunterschied als zwingend an.
Der AG hat, wenn er nicht selbst Gebäudeeigentümer ist, im Rahmen des Mietverhältnisses darauf hinzuwirken, dass das Gebäude und seine Betriebsanlagen entsprechend aller einschlägigen Vorschriften errichtet und instandgehalten wird.
Aha. Und wenn dann der Fahrstuhl defekt ist, brauchen die AN gar nicht erst an ihrem Arbeitsplatz erscheinen, sondern können bei vollen Bezügen nach wieder nach Hause, weil ja ein Fahrstuhl Pflicht ist?
Wie ist das bei einem AN der einen Dienstwagen hat, den er auch privat nutzen darf. Wenn der dann damit auf dem Weg zur Arbeit eine Panne hat, dann ist das Arbeitszeit, weil es ja das Auto des AG ist??
Ich denke nicht, dass mit der Musterbauordnung den Grundsatz, dass der Arbeitnehmer das Wegerisiko trägt, ohne weiters ausgehebelt werden kann.
Hier wird es ggf. noch auf die konkrete Vereinbarungen oder die Verkehrsnanschauung ankommen. Wenn beispielsweise vereinbart ist, dass mit Betreten des Werksgeländes die Arbeitszeit beginnt, dann befindet sich der AN im feststeckenden Fahrstuhl eben nicht mehr auf dem Weg zur Arbeit.
Es gab ein Urteil des BAG, bei dem es allerdings um ein flächengroßes Werksgelände ging, wo eben durch die große Ausdehnung auf dem Werksgelände selbst nochmal 10-15 Minuten gefahren! werden musste bevor man seinen eigentlichen Arbeitsplatz erreichte. Hier wurde dann entschieden, dass die Arbeitszeit bereits mit Betreten resp. Befahren des Werksgeländes beginne.
Möglicherweise kann der Arbeitnehmer bzw. dessen Anwalt in einem Prozess auf dieses Urteil verweisen und argumentieren, dass der Weg vom Betreten des Gebäudes bis zum Erreichen des Büros in der 95. Etage bereits zur Arbeitszeit gehöre und der Richter folgt dem. Ansonsten bleibt es beim Grundsatz, dass der Arbeitnehmr das Wegerisiko trägt und zunächst definiert werden muss, wo dieser Weg endet. Eventuelle andere zivil- oder sozialrechtliche Fragen sind davon unberührt und wirken auch nicht zwangsläufig daruf ein.
Grüße