Im Gutachten: prämoribund

Guten Abend!
Mal wieder eine Frage zu den beklagenswerten Leutchen, denen ich ein wenig behilflich zu sein versuche.
In einem medizinischen Gutachten lese ich das Adjektiv „prämoribund“.
Mit welcher Bedeutung wird diese Vokabel in der Medizin verwendet? (Das lateinische Wort „moribundus“ ist mir geläufig.)
Bezeichnet es das Stadium einer Erkrankung oder mehr den Allgemeinzustand?
Welche körperlichen Merkmale liegen diesem Urteil über einen Kranken zugrunde? Ist also diese Aussage irgendwie standardisiert, in dem Sinn: Wenn das und das vorliegt, dann …?

Dankbar für euere Hilfe
mit freundlichen Grüßen
H.

Guten Abend!

Hallo,

In einem medizinischen Gutachten lese ich das Adjektiv
„prämoribund“.

im wahren Sinne des des Wortes Bedeutung sind wir ja alle in einem prämoribundem Zustand, da wir ja alle einmal - mehr oder weniger schnell - sterben müssen.

Ich würde diese Bezeichnung als unverbindliche Formulierung ansehen die jemand für einen noch nicht finalen, jedoch palliativmedizinischen Zustand einer Erkrankung, benutzt hat…wobei der Begriff „final“ auch nicht klar defineirt und geklärt ist.

Welche körperlichen Merkmale liegen diesem Urteil über einen
Kranken zugrunde? Ist also diese Aussage irgendwie
standardisiert, in dem Sinn: Wenn das und das vorliegt, dann
…?

Die körperlichen Merkmale sind nicht definiert sondern beschreiben den Allgemeinzustand der zu erwartenden Progredienz der Erkrankung.

Eine Standardisierte Bezeichnung für die verwendung des Wortes moribund gibt es in der ASA (American Society of Anesthesiologists) Klassifizierung bei der „Narkosefähigkeit“ der Patienten.
Hier würde eine ASA 5 den moribunden Zustand des Patienten dokumentieren.

Dankbar für euere Hilfe
mit freundlichen Grüßen
H.

Gruß
rolli

Servus, Hannes:smile:

zusätzlich zu der ausführlichen Erklärung von Rolli:

es gibt eine Reihe von - meiner Ansicht nach - ans
Euphemistische grenzende Ausdrücken aus der ärztlichen Fachsprache, die „böse“ Ausdrücke dem Patienten gegenüber, dem ja die Wahrheit gesagt werden muss, zu vermeiden helfen und sowas wie einen Schutzschild für den Arzt bilden.

Prämoribund, Präfinalität, terminal (mit Einschränkungen), präfinale, senile, Tumor- oder terminale Kachexie gehören dazu. Und einige andere. Meist bedeuten sie, dass nichts mehr „zu machen“ ist und dass es dem Ende zugeht.

Sie „helfen“ dem Arzt, Wörter wie „todgeweiht“, „tödlich“, „sterben müssen“, „führt zum baldigen Tod“ nicht aussprechen zu müssen und bringt den Patienten in die unangenehmere Fragesituation.

Ich gebe zu, das ist meine ganz persönliche Erfahrung in vielen Klinikaufenthalten und aus vielen Gesprächen mit Ärzten und ich unterstelle keineswegs, dass das absichtlich geschieht.

Außerdem ist die Generationen jüngerer Ärzte bereits wesentlich weiter von der „Götter-in-Weiß-Sprache“ entfernt und die meisten haben gelernt, mit Patienten verständlich und empathisch zu reden!

Lieben Gruß aus dem Waldviertel, J.

.

Hallo,

einige Ärzte mögen das so sehen, wie du es schilderst.

Primär dienen diese Ausdrücke jedoch nicht dazu, dem Arzt das Leben mit schlechten Nachrichten leichter zu machen, sondern vielmehr zu einer vereinafachten bzw. exakteren Kommunikation des medizinischen Personals untereinander.

Im Gespräch mit dem Patienten und seinen Angehörigen sollte so etwas jedoch vermieden werden, um ihn eben nicht in die unangenehme Fragesituation zu bringen, da gebe ich dir völlig Recht.

Grüße
Liete

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Servus,

danke für deine Antwort.

Primär dienen diese Ausdrücke jedoch nicht dazu, dem Arzt das
Leben mit schlechten Nachrichten leichter zu machen, sondern
vielmehr zu einer vereinafachten bzw. exakteren Kommunikation
des medizinischen Personals untereinander.

dass das medizinische Personal in Fachausdrücken kommuniziert ist ja völlig ok…wie sollten sie denn anderes…*lächel*

Aber du kennst vermutlich viel besser die Situation, an die ich gedacht habe:

Visite: im „großen Fall“ bestehend aus Chef, behandelndem Arzt, ein bis zwei Assistenzen, ein bis zwei vom Pflegepersonal und ev noch „Azubis“…schön aufgereiht um den Patienten und über dessen Kopf hinweg fliegen die „Fachfetzen“. Der Pat. schnappt zwangsläufig das eine oder andere auf und wenn er es sich merkt und sich nicht zu fragen traut, dann steht er eines Tages hier im Forum und fragt, was er nicht - oder möglicherweise falsch - ergoogelt hat.

Nicht nur einmal selbst erlebt und bis heute (wenn auch, wie gesagt, durchaus weniger werdend) immer wieder beobachtet.

Und das eben nicht nur bei - wie ich es nannte - „bösen“ Termini. Das war etwas vereinfacht - sorry.

Aber ich bleibe dabei, dass Ärzte in Gegenwart von Patienten viel zu viel mit Fachausdrücken um sich werfen - durchaus auch ohne Absicht, weil sie die Bezeichnungen ja in Fleisch und Blut haben - aber sicher nicht immer zum Wohle derer, über die oder mit denen sie gerade reden.

Und die meisten Ärzte in meinem Freundeskreis, bzw. zu denen ich durch Krankheit „besondere“ Beziehungen habe und auch über solche Dinge rede, „gestehen“:smile:, dass sie
durch Arbeitsüberlastung, Druck und Hetze eben genau darauf nicht wirklich achten können.

Umsomehr registriere ich eben jene, die sich gezielt angewöhnen „Deutsch“ mit Patienten zu reden…

Und ich finde, solche kleinen „Debatten“ über Allgemeines haben in einem Medizinbrett, in dem es viele Mediziner gibt, durchaus ihre Berechtigung.

Einen schönen Tag und danke für die gute Kommunikation:smile:)

Maresa
(Dialyse ist lebbar)

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Für mich ist so etwas auch wichtig.
Direktes Feedback gibt es in der Regel nicht von den Patienten, daher bin ich froh, dass so etwas hier angesprochen wird.

Kommunikation hat mittlerweile einen recht hohen Stellenwert in der „Arztausbildung“, damit solche Fehler gegenüber der Patienten möglichst minimiert werden.
In meinen bisherigen Famulaturen habe ich es auch nur so erlebt, dass bei der Visite vor dem Betreten des Zimmers mit prägnanten Termini innerhalb des behandelnden Teams über den Patienten gesprochen wurde, damit man sich beim Patienten adäquat mit ihm unterhalten kann.
Es ist schade, wenn aus Zeitgründen, Faulheit, Unwissen oder was auch immer davon abgerückt und der Patient mit einem derartigen medizinischen Kauderwelsch überfordert und verunsichert wird.

Auch von meiner Seite Danke für die konstruktive Unterhaltung.

Schönen Abend!

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