Hallo Oliver,
Der Begriff „abduktiv“ ist mir in dem Zusammenhang neu.
Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, ihn in diesem
Zusammenhang schon einmal gehört zu haben.
Als „Schluß“ würde ich das, was Du beschreibst, nicht
bezeichnen. Denn es handelt sich meiner Meinung nach eher um
das Generieren von Hypothesen. Dies ist legitim, zweifelsohne.
Doch müssen die Hypothesen als nächstes natürlich getestet
werden, um sie auf ihren „Wahrheitsgehalt“ zu überprüfen.
Das ist auch strittig, ob es nun ein eigener Schlussmodus ist, ob es zur Induktion gehört und eben einfach „gesunder Menschenverstand“. Richtig und wichtig finde ich, dass man, wie nun auch immer, auf Hypothesen kommt. „Hypothesenkritik“ bzw. „Hypothesenerzeugung“ kommt der Sache schon recht sinnvoll nahe.
Ich habe einen link gefunden mit einer, wie ich finde, köstlichen Kurzgeschichte, die, weil auf englisch ich hier mal auf deutsch zusammenfasse (habe von der diesbezüglichen Reklamation die dich betreffend der deutschen Sprache erreichte, gelesen 
Also:
Ein neuer Nachbar, ein Prof. für Abduktion, erklärt seinem neuen Nachbarn was Abduktion ist. (Die Aussagen werden als Fragen gestellt und werden jeweils bejaht.)
Ich sehe Sie haben eine Hundehütte; also werden Sie einen Hund haben.
Wenn sie einen Hund haben werden Sie nicht allein leben sondern mit ihrer Familie.
Wenn Sie eine Familie haben, werden Sie mit einer Frau verheiratet sein.
Wenn Sie mit einer Frau verheiratet sind, werden heterosexuell sein.
Der Ureinwohner ist natürlich völlig platt, wie sein neuer Nachbar von der Hundeshütte auf seine Sexualpräferenz kam.
Er probiert es gleich selbst aus und fragt jemanden: haben Sie eine Hundehütte? Der darauf: „Nein“. Und schon ist das Spiel leider zu Ende.
Es funktioniert natürlich darüber, das der Prof. die Hundehütte gesehen hat und dann Hypothesen gebildet hat und sie eine nach der anderen getestet hat und erst nach erfolgreichem Test zur nächsten jeweils übergeht. Der Nachbar hätte natürlich auch ein alleinlebender schwuler Heimarbeiter sein können, der in der Hundehütte seine Gartenzwerge bei Regen unterstellt.
Hier der link
http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/…
Das ganze funktioniert pi mal Daumen nach der Regel: Wo Rauch ist, ist auch Feuer (oder eben eine Rauchgranate) (in meinen Häuserblock kam mal die Feuerwehr wegen Brandgeruchs; der Wind hatte eine Qualmwolke von einem entfernt aber intensiv qualmenden Kunststoffbrand in unseren Innenhof getrieben, wo sich der Gestank festsetzte. Die Feuerwehrleute fanden es völlig ok, dass sie alarmiert wurden. Brandgeruch reicht fachmännisch als Alarmsignal aus, man braucht es nicht erst lichterloh brennen sehen. Abduktion im Alltag hat oft die Gestalt von ungeschriebenem Erfahrungswissen.
So etwas wie „abduktive Intelligenz“ ist mir zwar noch nicht
untergekommen,
Das wäre auch zu schön, um wahr zu sein …
doch kann man sie, wenn ich Deine Beschreibung richtig
verstanden habe, unter den Oberbegriff der „praktischen
Intelligenz“ einordnen.
Das finde ich prima, das klingt gut. Ich gelte oft als „verkopft“ und theoretisch, finde mich aber selbst sehr praktisch.
Die praktische Intelligenz definiert Charlesworth (1976)
als „Verhalten unter der Kontrolle von kognitiven Prozessen,
eingesetzt zur Lösung von Problemen, die das Wohlbefinden, die
Bedürfnisse, die Pläne und das Überleben des Einzelnen
betreffen.“ Wie wir alle wissen, sind unsere Probleme in Beruf
und Freizeit oft unstrukturiert, zeichnen sich durch mangelnde
Informationen aus und bieten zu wenig Anhaltspunkte, wie und
wann die Lösung erreicht werden kann.
Anhaltspunkte zu erkennen (oder eben nicht zu erkennen) das macht wohl einen wichtigen Unterschied aus. Für mich besteht die Welt aus lauter Anhaltspunkten. Ich könnte ständig sagen: „Wait a minute…“ Vielleicht übersehen die Leute Anhaltspunkte, weil sie nach Beweisen, nach harter Evidenz suchen. Wir sollten vielleicht lernen, unsere Umwelt auf Iformationen zu „verdächtigen“. Nur dürfen nie Verdacht und Unterstellung verwechselt werden. Im Krimi schreien immer die Verdächtigten auf: „was Sie verdächtigen mich?“ und der Kommissar nuschelt was von reiner Routine. Ich fände das in Ordnung eines Verbrechens verdächtigt zu werden, wenn Umstände darauf hindeuten würden, dass ich in Frage komme (ausser: ich hätte es begangen
Ich interessiere mich für „Hypothesenqualität“ habe ich beschlossen; da es dieses Wort aber noch nicht mal bei google gibt, werde ich das mit der „praktischen Intelligenz“ dann bei Bedarf nachschieben.
Praktische Intelligenz steht häufig im Konflikt zu Fachwissen. Nehmen wir an, eine Pflegekraft solle aufpassen, das Opa nicht einschläft. Das er einschläft merkt man am Schnarchen, sagt der Enkel der Fachkraft als Fachwissen über den konkreten Opa. Na prima, denkt sich die Fachkraft, dann brauche ich den Opa nicht zu beobachten sondern nur zu belauschen und kann in Ruhe ein Busch lesen. Was macht Opa? Er steigt in die Badewanne und schläft ein ohne zu schnarchen, weil er sofort unter Wasser sinkt. Wer ist schuld, dass Opa sich, sagen wir mal immerhin verschluckt hat? Die Fachkraft oder der Enkel mit seinem Fachtipp über den Opa?
Ich bin in meinem Leben of „auffällig“ geworden, weil ich gefragt habe, ob das Fachwissen, was wir gerade anwenden, auch das ist, was zum Fall passt, mit dem wir es zu tun haben. Wenn die Umsetzung des Fachwissens sich dann als Fehler erwies, konnte ich die Situation dann meistens irgendwie kreativ retten. Dann bin ich für mein Improvisationstalent gerühmt worden, blieb aber mit diesem Lob unzufrieden, weil mir mehr Aufmerksamkeit für meine Überlegungen im Vorfeld lieber gewesen wäre. Ich kann vieles irgendwie retten, lege aber mehr wert auf meine Neigung, im Vorfeld die Fallstruktur besser zu verstehen um ein adäquateres Fachwissen auszuwählen. Damit bin ich Experts’ best friend 
Dies dürfte sicherlich auch auf das Profiling oder andere
Formen „abduktiver Intelligenz“ zutreffen. Jedenfalls hat die
Intelligenzforschung diesen Bereich der praktischen
Intelligenz kaum in ihren Tests berücksichtigt,
Und das wohl speziell in Deutschland nicht. In der PISA- Diskussion scheint es mir so einen Unterton zu geben, dass die Fragen auch zu „pragmatisch-amerikanisch“ seien für unsere deutschen Fans von klassischen Gelehrsamkeit. „Literacy“ heißt ja nicht einfach Belesenheit oder Textverständnis. Ich verstehe den englischen Wortgebrauch dahingehend, sich mit einem Wissen fallgerecht orientieren zu können. (Wenn der Tschadsee tausend Jahre vor unserer Zeitrechnung genauso tief ist wie dreitausend Jahre später, dann weis man halt, wie tief er heute ist, auch wenn man gar nicht weis, wo der Tschad ist und ob er einen See hat. Man sollte allerdings in dem Augenblick es zu würdigen verstehen, dass wir eine Zeitrechung haben, die vor 2000 Jahren ihren Wendepunkt hat. Wenn man darauf nicht kommt, dass das hier wichtig ist, dann liefert man solche Auftritte wie: „Woher soll ich denn wissen wie tief der Tschadsee ist?“ Ja woher, das ist die Frage. Nicht aus dem Afrikahandbuch.
was sich sowohl bei Expertenbefragungen zu Intelligenztests
(so bemängelten 75,3% von 661 Experten aus dem Bereich
Testpsychologie die mangelnde Situationsberücksichtigung der
Aufgaben in Intelligenztests; Snyderman & Rothman, 1986)
Das finde ich prima. das die Experten das auch gemerkt haben. An der, wie ich fand, abenteuerlich bis fragwürdigen Situationsunterstellung vieler Testfragen bin ich oft verzweifelt. „Sie wollen dich blöd; sie wollen meine Bereitschaft zur Blödheit testen“ habe ich dann oft geknirscht.
als auch in den niedrigen Zusammenhängen zwischen
Intelligenztestergebnissen mit Erfolg in einem bestimmten
Beruf (nicht zwischen Berufen!) ausdrückt. Intelligenztests
messen also kaum spezifische Fertigkeiten, sondern allgemeine
Fertigkeiten, in denen sich Personen des gleichen Berufs kaum
unterscheiden.
Welcher Beruf eigentlich welchen „Intelligenzstil“ erfordert, scheint mir zu wenig bis gar nicht berücksichtigt zu werden. Ein Fahnder muss anders intelligent sein, als ein Behördenleiter, ein Versicherungsmanager anders als ein Bankmanager. In die Lücke, die die Wissenschaft da lässt, füllt der Volksmund dann solche Worte wie „Riecher“ „Instinkt“ oder „Geschick“.
„Wendig“ zum Beispiel soll man als Spion denken können, schreiben die Blätter für Berufskunde. Gibt es „wendige Intelligenz“? Windige gibt’s, da wüsste ich Beispiele 
Die von Dir genannte „abduktive Intelligenz“ scheint mir eine
solche spezifische Fertigkeit zu sein, wenn mit ihr nicht nur
generelles Hypothesenaufstellen, sondern Hypothesengenerierung
in einem bestimmten Kontext (z.B. Profiling) gemeint ist. Für
die Untersuchung solcher spezifischen Fertigkeiten scheinen
Intelligenztests aber nicht die geeigneten Instrumente zu
sein, zumindest sollte man sie nicht als einzige Instrumente
benutzen.
Das mich immer wieder rätselhafte Phänomen ist, wie tief oder breit man eigentlich was wissen muss, um, ich nenne es mal zu „überlegenen oder weiterführenderen Hypothesen“ zu finden. Ich habe bei mir gemerkt, dass Tiefe zum „Kanalblick“ führen kann und völlige Ahnungslosigkeit natürlich auch nicht geht. Ich brauche „Vorstellungsvermögen“ zu einem Thema, so dass ich mir Begriffe von den Konzepten machen kann, die am Werk sind, bzw. dafür, dass ich welche am Werk sehe.
Leider müssen sie sich dabei mit
den Hauspsychologen irgendwie eifersüchtig verkracht haben
Was wohl nicht nur auf die Berufseifersüchteleien, sondern
auch auf die unterschiedliche Art des Herangehens an eine
Thematik zurückgeführt werden kann. Denn wenn es sich bei der
Methode des „abduktiven Schließens“ um eine bestimmte,
wohldefinierte Technik handeln würde, dann wäre die Sache
längst eine psychologische Technologie geworden. Aber es
handelt sich höchstwahrscheinlich, besonders wenn Du die
Profiler in der Forensik ansprichst, um
langjähriges „klinisches“ Erfahrungswissen.
Es ist Erfahrungswissen im Spiel, aber die spannende Frage ist, wie die Erfahrung ausgewählt wird, auf die zurückgegriffen wird. Ein Beispiel: Ein Serienmörder richtet seine Opfer auf eine bestimmte Art zu. Dann kann man meinetwegen darauf „schließen“ (oder was auch immer) wie viel Ruhe, Zeit, Werkzeuge, Opfervoraussetzungen etc. er dafür braucht. Dieses Fachwissen liefert die Forensik der Kriminologie und die nimmt es auf, wenn sie meint, es verdauen zu können. Ein Fall wurde mal ganz anders gelöst, weil an etwas ganz anderem „Anstoß“ genommen wurde: dem Profiler „fiel auf“, dass der Serienkiller sein Werk unmöglich allein aus seinem Trieb heraus bewerkstelligen konnte, sondern dass er so was wie eine Metzgerlehre gemacht haben musste, um seine Opfer so zuzurichten. Er zeigte ein paar schaurige Detailphotos einem Metzgermeister und der befand prompt darauf, dass mindestens jemand mit Gesellenbrief am Werk war. Seitdem achtet man mehr darauf, welche Aufschlüsse ein Tatort über das „Geschick“ des Täters vermittelt und man hat sozusagen das Fachwissen dementsprechend ausgeweitet. Aber „darauf kommen“ muss man eben erst mal beim ersten Mal.
Bei Tresorknackern ist das einfacher: Wer mit einer Sauerstofflanze sauber gearbeitet hat, der muss das schon gelernt haben, das weis sogar Herr Tanner, Mitarbeiter von Herrn Schimanski. Aber für eine waidmännisch fachgerechte Entbeinung soll schon eine Devianz ausreichen. So sind sie, die Fachleute. Sie verwechseln Drang mit Können, weil auch immer so blöd gefragt wird, „Wie kann ein Mensch nur so was tun?“ Ja eben, wie?
Humor zeigt, wie es geht: Fragt der Patient den Chirugen: „Werde ich nach der Operation auch Klavier spielen können?“ Aber selbstverständlich, versichert der Chirug. Oh, das ist aber schön, freut sich der Patient, ich kann nämlich gar nicht Klavier spielen. Da würde auch jeder Kriminaler lachen; aber ein Gestörter soll ordetlich ausweiden können. Da verlaufen die Unterschiede.
Ich bin in diesem Bereich nicht besonders bewandert, doch habe
ich schon etwas über die Typenbildung bei Serienmördern
gelesen. Es soll z.B. beim FBI die Behavioral Science Unit
(BSU) geben, in der 12 Profiler („The Dirty Dozen“) eine
Typologie von Serienmördern (systematischer vs. chaotischer
Täter) aufgestellt haben. Ich weiß nicht, wie diese Typologie
genau zustande kam. In dem Buch, in dem von ihr berichtet
wurde (Bourgoin, S., 1995, Serienmörder. Pathologie und
Soziologie einer Tötungsart. Rowohlt Verlag), wird folgendes
gesagt: „Auf seltsame Weise kommen sie [die Profiler]
bestimmten Detektiven aus Romanen, wie Sherlock Holmes oder
Nero Wolfe, recht nahe“ (S. 37). Über die Typologie wird
folgendes gesagt: „Freilich funktioniert diese
Identifikationsmethode nicht fehlerlos, denn sie ist eine
Mischung aus Erfahrung und Intuition“ (S.38).
Ein bestimmter „intuitiver“ Zugriff auf Erfahrung ist im Spiel. Sherlock Holmes weis sicher viel, doch im Zweifel weis Scotland Yard mehr. S.H. findet die „Anstößigkeiten“, die auf das jeweils „vorliegend am sinnvollsten“ anzuwendende Fachwissen deuten. Ein Verdächtiger will in Indien gedient haben. S.H. „vermisst“ daraufhin sofort die Bräunungsgrenze auf der Stirn, die die indische Sonne dort unter dem englischen Kolonialhelm hinterlässt.
Die frisch gebackene Witwe, die darüber kein bisschen traurig ist, erweckt Misstrauen, bei der Routinebefragung. Tod und Trauer gehören zusammen. So was weis man nicht nur allgemein, sondern immer, wenn man mit Tod konfrontiert wird. Ohne Trauer „stimmt was nicht“, das weis jeder Kriminaler vom Morddezernat. Das der Dienst in Indien eine Gesichtsbräunung nach sich zieht, werden auch viele Zeitgenossen von S.H. gewusst haben. Das es sich um eine bestimmte Gesichtsbräunung handelte, wegen des Helms, mag vielleicht nur den Eitleren aufgefallen sein. Diese bestimmte Gesichtsbräunung jedoch sofort zu erwarten und zu vermissen wo sie fehlt, bei jemandem, der dort gerade seinen Dienst quittiert haben will, das scheint mir die Besonderheit zu sein. Also zu einem Kontext sofort dessen Implikationen präsent zu haben und „einzuklagen“.
Falls die Methode nichts anderes ist, als „eine Mischung aus
Erfahrung und Intuition“, dann handelt es sich nur
um „klinische Urteile“, wie sie lange Zeit in der Psychiatrie
ausschließlich vertreten waren. Weil die Psychologie anstrebt,
so etwas zu überwinden, sind die von Dir
genannten „Hermeneutiker“ den Psychologen ein Dorn im Auge.
Ich kenne den Begriff „klinische Urteile“ nicht und weis von daher nicht, was da der Dorn im Auge ist und wie ich den finden soll.
Etwas anderes ist z.B. mit dem „Violent Criminal Apprehension
Program“ (VICAP) gegeben, bei dem empirische Daten gespeichert
und durch das Vergleiche auf statistischer Basis möglich sind.
In diesem Fall handelt es sich dann um eine systematische
und „objektive“ Vorgehensweise, die Psychologen (und auch mir)
deutlich sympathischer erscheint.
Klar, alles was seriös ist, kann man prima finden. Aber wie finden wir neues Seriöses heraus? S.H. arbeitet ja nicht unseriös, sondern lediglich unkonventionell. Er arbeitet vielleicht mit einer „nichtkonventionalisierbaren“ Seriosität.
Das wäre ein Hammer für das Selbstverständnis von Wissenschaft.
Man kann ja keine Lehrbücher darüber schreiben, dass hinter Rauch Feuer steckt und die Sonne die Haut bräunt. Das ist ja wohl etwas, was wir als „Weltwissen“ bezeichnen und was wir den Computern wohl noch eine Zeit lang voraus haben werden. (Sogenannte „Praktikertipps“ gehen allerdings manchmal in die Richtung von Relevanztipps zum Weltwissen; aufgehoben oft in Anekdoten) Um eine Differenz in der Präsenz von Weltwissen, im Triggern von Gebieten des Weltwissen scheint es sich zu handeln.
In der Wirtschaft spielt sich ein vergleichbares Elend mit der
Trendforschung ab, wo scheinbar eine Behauptung soviel gilt wie
die andere, wenn sie nur mit den angesagten Modevokabeln
jongliert.
Es darf auch nicht sein, daß man mit „Modevokabeln“ oder
Sonstigem jongliert, ohne daß dahinter empirisches oder
logisch abgeleitetes Wissen steht.
Klar, es sollte nicht unausgewiesen bleiben, das Wissen und die Begriffe, die man verwendet. Den Begriffen sollte Erfahrung vorausgegangen sein; und welche Erfahrung das ist, sollte benennbar sein. Über die Launen und Geschmäcker des „Single“, der immer mehr Haushalte zu Einpersonenhaushalten macht, wird viel gemutmaßt und spekuliert. Der simple Umstand, dass ein Einpersonenhaushalt ein geringeres Zeitbudget für Haushaltsverrichtungen hat und tendenziell auch wohl ein geringeres Erfahrungswissen um die zweckmäßige Verrichtung des fälligen Verrichtungen, wird oft abenteuerlich ausgeblendet. Bei mir ist so was immer „eingeschaltet“ Der Single hat weniger Zeit und weniger Ahnung. Es muss nicht nur alles nur schneller gehen; auch Hilfestellungen, Alternativen und Netzwerke sollten in Betracht gezogen werden bei der Bearbeitung von Singlemärten. Werden sie aber kaum.
Verzweifelt über die selbstgefällige Ignoranz so
vieler seriöser Fachwissenschaften richte ich meine Hoffnung auf
die Psychologie und die Intelligenzforschung.
Die Psychologie ist eine Wissenschaft, die ebenfalls mit
Worthülsen und leeren Konstrukten zu kämpfen hat. Da gibt es
so viel Zeug, das sich erst plausibel anhört, sich dann aber
als Bündel von zu wenig abgesicherten, ja kaum absicherbaren
Behauptungen entpuppt. Die weniger schillernden, dafür aber
bodenständigeren Theorien sind mir lieber. Mit ihnen kann man
vielleicht weniger „glänzen“, dafür kommt unterm Strich aber
mehr ´raus als nur heiße Luft, die sich schnell verzieht.
Psychologinnen und Psychologen müssen also die Fertigkeit
besitzen, die Spreu vom Weizen zu trennen.
Ja mit dem Schillern ist das so eine Sache. S.H. wurde auch viel beschillert, bestand aber auf der Haltung: “Ich rate nie!“ Deswegen blieb er auch ein rätselhafter Sonderling und komischer Kauz, hatte kaum was mit Frauen und, ich glaube, auch keine richtigen Freunde. Sein treuer Assistent Dr. Watson brachte es zu keinerlei abduktiven Lernkurve, seine Rolle blieb auf die der Blamage des Fachwissens beschränkt. Eine im wirklichen Leben wenig zumutbare Rolle. Mit der Figur S.H. hat der Autor einem Menschentyp, den er verehrte, ein Denkmal gesetzt. Die „Schattenseite“ von S.H. war, dass er von allem „Normalen“ schrecklich gelangweilt war. Zwischen seinen Fällen hat er gekokst und mit dem Revolver nach Fliegen an der Wand geschossen. Zwischen seinen Fällen war er völlig „unterstimuliert“ und hatte Symptome von Erwachsenen-ADD und erst ein neuer verzwickter Fall brachten sein rastloses Hirn ins „Hypothesenjogging“.
Außerdem denke ich, daß Kreativität nicht dasjenige ist, was
Du meinst, sondern daß Du eine spezifische Fertigkeit des
Hypothesenaufstellens mit „abduktiver Intelligenz“ meinst.
Ja, es ist noch etwas anderes, als das, was gemeinhin unter „Kreativität“ verstanden wird. Wenn man bedenkt, dass als Bezeichnung für Bilanzbetrug der Begriff „kreative Buchführung“ nicht unüblich ist, dann sehe ich den Begriff der Kreativität gelegentlich auch schon als verloren an.
Wenn Du de Bono ansprichst (der mit der CoRT-Methode, schätze
ich),
Richtig, der mit dem Lateralen Dneken, den Sechs Hüten und Direct Attention Thinking Tools, der Erwachsenenversion von CoRT. Ich habe auch etwas gepostet von Edward unter Philosophie.
Auf englisch kann er sagen, er macht „serious creativity“, leider kaum übersetzbar, sein Kunstgriff.
dann ist das schon ein großer Schritt weg vom „Nackt-im-Wald-
herum-springen“. Ich vermute, daß Du wissen möchtest, wie Du
dahin kommst, „abduktiv zu denken“, richtig?
Wo ich es darf bzw. „dürfen müsste“, das ist für mich von Interesse.
Dann schlage ich folgenden Weg vor:
- Verschaffe Dir eine solide Basis an Wissen in dem Bereich, der Dich interessiert (z.B. Profiling).
- Verschaffe Dir auch solides Wissen aus benachbarten Bereichen, also z.B. Psychologie.
- Verschaffe Dir Wissen darüber, wie man wissenschaftliche und diagnostische Urteile fällt. Etwas über psychologische Gutachtentechnik zu wissen, wäre sehr vorteilhaft.
- Verschaffe Dir Fallbeispiele und betrachte sie aus verschiedenen Blickwinkeln. Wie könnte der Fall von Theorie A, wie von Theorie B aufgefaßt werden? Versuche Vorhersagen zu machen: Also wenn das und das für Theorie A spricht, dann sollte man aufgrund von Theorie A folgendes annehmen …
- Überprüfe Deine Vorhersagen an Fallbeispielen. Selbst wenn Du die Sache anders gesehen hast als die damaligen Bearbeiter: Es muß nicht falsch sein.
- Schau Experten zu! Aber übernehme nicht alles blindlings!
- Schau Dir Statistiken an! Dazu brauchst Du statistische Grundkenntnisse (z.B. solltest Du wissen, was eine Korrelation ist und was Du aus korrelationsstatistischen Daten für Schlußfolgerungen ziehen kannst). Versuche dann Deine eigenen Hypothesen aufzustellen.
- Schaue neue Statistiken an und überprüfe Deine Hypothesen an ihnen.
- Sammele Praxiserfahrung.
Das werde ich mir mal zu Gemüte führen. Vielen Dank!
Wenn Du das lange machst, wirst Du höchstwahrscheinlich selbst
Experte. Eine Voraussetzung ist, daß Du die notwendigen :
intellektuellen Fähigkeiten mitbringst. Eine Möglichkeit,
festzustellen, ob Du diese Voraussetzungen erfüllst, ist es,
Deine Abschlüsse in Schule, Universität und Beruf mit denen
von Experten zu vergleichen. Wenn Du z.B. Abi und einen Uni-
Abschluß hast, dann wird Deine Intelligenz ausreichen, um die
oben genannten Schritte abzuarbeiten.
Ok, ich bin 44 und selbständiger Moderator, Trainer, Berater und Coach nach zehn Angestelltenjahren in Bank und Beratung und bin dabei auch Experte für dies und das geworden. Aber als „Experte“ fühle ich mich nicht besonders gut. (ok, Experte für „Thinking Skills“ geht schon) Mich interessieren Experten, wenn sie mit ihrem Latein am Ende sind.
Leider sind die Experten in diesem Zustand oft wenig ehrlich und wenig kontaktfreudig; dabei will ich ihnen ja nichts böses, sondern im Gegenteil: zeigen, wo sich eine Erweiterung ihres Fachgebietes seriös zu lohnen verspricht. Die können dann, wenn ich verrichteter Ding von dannen ziehe, ihre Fachgebietsgrenzen ausdehnen, sich in neue Verästelungen verzweigen und dafür neue Budgets beantragen. Statt diese Chance zu nutzen, zanken sie sich aber leider oft lieber untereinander und pochen auf den Wert und die Pfründe ihres Faches.
Ich habe noch im kalten Krieg Osteuropawissenschaften studiert. Die unausgesprochene Leitfrage dieses Faches hieß „Wie kriegen wir den Ostblock kaputt?“. Das fachmännische Konzept dazu war, den Ostblock von den Rändern her zu zerbröseln und den Russen ihre Satteliten abspenstig zu machen. Also guckte das Fach, wie man den Freiheitswillen der Polen, die List der Ungarn und den Eigensinn der Tschechen gegen die russische Vorherrschaft in Stellung kriegt. Ich fand das nach meinen SU-Reisen als Konzept zu dürftig, weil das einfach unterstellte, dass die Russen ihre Herrschaftsposition in Ostblock prima finden. An dieser Voraussetzung habe ich vor dem Hintergrund meiner Reiseerlebnisse „Anstoß genommen“. Ich habe ein wenig in Statistiken gestöbert und herausgefunden, dass Russland damals seinen Rohstoffreichtum für drei Prozent vom Weltmarktwert für den „Aufbau des Kommunismus“ verwendete. Die Russen erschienen mir damals keineswegs als stolze Erbauer von irgendwas, sondern als traurig darüber, dass sie überall so unbeliebt sind.
Das war mein laienhafter „psychologischer Befund“ (Hinlänglich hilfreich halbgebildet sozusagen). Die westlichen Ökonomen haben gespottet, dass die russische Wirtschaft damit befasst ist, aus ihren Rohstoffen etwas zu machen, was weniger wert ist, als die dafür aufgewandten Rohstoffe. Da habe ich mir gedacht, wenn die Russen keine Freude mehr finden am Aufbau des Kommunismus und wenn sie merken, dass zwar ihre Waren nicht wettbewerbsfähig auf den Weltmärkten sind, ihre Rohstoffe aber sehr wohl, dann wird es zu Ende gehen.
Und in der Tat: In den letzten Gorbatschowjahren gingen immer mehr Produktionsfunktionäre dazu über, Rohstoffe aus der Produktion abzuzweigen und halblegal im Westen zu verkaufen. Die Gesetze kriegten sie teils vor teils nach der Tat dazu gemacht von Gorbi. Damals sind die märchenhaften russischen Vermögen auf den Schweizer Bankkonten entstanden. So konnte es geschehen, dass nur noch ein Haufen seniler Trunkenbolde am Kommunismus festhalten wollte, als es beim Putsch 92 zum Schwur kam und alle zu Jelzin gelaufen sind, weil der ihnen versprach, den Ballst des Imperiums abzuwerfen und die Rohstoffe auf eigne Faust zu verjubeln. Natürlich nicht mit diesen Worten. Ab 1996 war diese Tendenz evident und ist auch statistisch nachweisbar. Aber die Kremlastrologen meines Faches haben „einfach nicht eins und eins zusammengezählt“, wie ich finde, und meinten bis zum Schluss, dass die russische Elite klar „substanzerhaltend“ konservativ orientiert sei. Später kam dann das Erschrecken über die Macht der Mafia im neuen Russland. Diese „urplötzlich“ aufgetretene Mafia kam aber nicht aus den finsteren Traditionen der gesetzlosen russischen Volksseele, sondern das waren einfach die zuvor umjubelten Praktiker des „Neuen Denkens“ aus der Gorbizeit. „Diebe im Gesetz“ heißen sie auf russisch. Später war ich als Berater in Russland und konnte mir die Landschaften ansehen, die da blühten, und wer ihre Gärtner waren.
Die „Fachwelt“ hat sich zu der Entwicklung maßlos blamiert und jeder Hinweis auf die soziale Zeche, die die Party kosten wird, galt als miesmacherisch und ewiggestrig. Und als das wollte ich ja nun auf keinen Fall gelten. Die wirklich ewig Gestrigen hatten allerdings wenigstens einen historisch-materialistisch fundierten Trost zur Hand. Die sagten mir in meinem Ekel über den kriminellen Ruin Russlands und dessen Schönredung, ich solle mich nicht aufregen, schon Marx hätte in Band drei des Kapitals geschrieben, dass jede Erstansammlung von Kapital als brutaler Raub vonstatten gehe und man sich erst danach um zivilisierte Formen bemüht, wenn überhaupt. Ich hab nachgeguckt, das hat er wirklich geschrieben der olle Kalle. So, das war die Geschichte von meiner abduktiven Intuition, die ich für seriös gehalten wissen wollte, und meiner Studienfachwelt, von der ich nicht weis, für was ich sie halten sollte.
Dieser link sieht nach einer prima Übersicht aus, sogar mit Grafiken zur Abgrenzung von Abduktion, Induktion und Deduktion (obwohl ich das Wort „paralogisch“ schon komisch finde).
http://www.hrudifisch.de/html/paralogisches/index.ht…
Eine Dissertation; das spricht wohl für sich, hoffentlich.
http://www.google.de/search?q=cache:3k_19JADYwYC:arc…
So, jetzt werfe ich mal eine Ritalinpille ein. Ich habe nämlich ADD und anders als S.H. keinen Revolver zum auf Fliegen der Wand schießen. Mit Ritalin vermisse ich das dann nicht so. Das ist auch so ein Thema für sich, dieses ADD. In den USA gehört Ritalin schon fast zur Schulspeisung und bei uns machen sich Eltern und Lehrer gegenseitig verrückt, ob denn eine „Psychopille“ ok sein kann für die Kids. ADD- Begleittherapie zur medikamentösen Behandlung ist ein sinnvoll boomender Markt für Psychologen, falls du noch nach einem Wirkungsfeld für dich suchst!
Schöne Feiertage,
Thomas