Knifflige Geschichte
Hallo Anna.
0dB + 0dB = 3dB diese Gleichung stimmt, wegen Logarithmen usw.
Nein, diese Gleichung stimmt ganz und gar nicht. Was stimmt, ist Deine Vermutung, daß da „irgendwas nicht hinkommt“. Was, möchte ich Dir erklären.
Nehmen wir an, Du hast zwei Eier. Das eine wiegt 68 g, das andere 56 g. Wieviel wiegen beide zusammen? Klar: 68 g + 56 g = 124 g.
Das eine Ei hat ein Volumen von 75 ml, das andere ein Volumen von 65 ml. Du klebst beide mit Tesafilm zusammen. Wieviel Volumen hat das „Eier-Paket“? Klar: 75 ml + 65 ml = 140 ml.
Die Eier wurden gerade gekocht. Das eine ist 44 °C heiß, das andere ebenfalls. Wie heiß ist das Eier-Paket? Klar: 44 °C + 44 °C = 88 °C. Moment! Das Eier-Paket ist natürlich nicht 88 °C heiß, wenn seine beiden Bestandteile 44 °C heiß sind, sondern es ist genauso heiß. Die richtige Antwort lautet also: 44 °C.
Nehmen wir an, Du bewegst Dich auf einem Fußballfeld. Du gehst zunächst 40 Schritte auf der Mittellinie. Dann drehst Du Dich um 90°, gehst weitere 30 Schritte, und bleibst dann stehen. Deine Freundin geht nun vom Startpunkt direkt zu Dir. Wieviele Schritte muß sie machen? Du hast 40 + 30 = 70 Schritte gemacht, aber sie muß nur 50 machen (klar?).
Worauf will ich hinaus? Wenn zwei Dinge irgendeine gleiche Eigenschaft (z. B. Masse, Volumen, Temperatur, Weglänge) haben, und Ding A hat a davon und Ding B hat b davon, dann hat das Ding AB, das entsteht, wenn Du A und B „zusammenfügst“, oft von der besagten Eigenschaft genau a + b, aber manchmal kommt es auch vor, daß es nicht a + b davon hat! Letzteres ist z. B. bei einer Temperatur der Fall, oder bei einer Wegstrecke, wenn Du unterwegs irgendwo „abbiegst“. Bei dem Beispiel mit dem Fußballstadion hatte das „Gesamtding“ (Weglänge Deiner Freundin) beispielsweise sqrt(a^2 + b^2).
Jetzt nehmen wir an, Du hast zwei Audiogeneratoren mit Lautsprechern. Jeder davon möge eine Sinuswelle mit derselben Frequenz f und derselben Schallamplitude p erzeugen. Wie groß ist die Schallamplitude pges, wenn Du beide Generatoren einschaltest? Antwort: Es kommt auf die Phasenlage an! Wenn stets ein Wellenberg auf einen Wellenberg trifft (Phasenverschiebung = 0), dann würdest Du genau das Doppelte registrieren. Würde dagegen stets ein Wellental auf einen Wellenberg treffen (Phasenverschiebung = 180°), dann wäre die resultierene Amplitude Null, weil sich die Wellen gegenseitig vollständig auslöschen. Wie sieht es nun aus, wenn Du zwei Rausch generatoren hast? Wie groß ist dort die Phasenverschiebung? Nun, für disen Fall kann man tatsächlich mit einer durchschnittlichen Phasenverschiebung von 90° rechnen (!), also gerade so, wie es bei sin(x) und cos(x) der Fall ist. Die Funktion f(x) = sin(x) + cos(x) ist aber eine Schwingung mit der Amplitude sqrt(2) (wenn Du’s nicht glaubst: Funktionenplotter damit füttern!). Ergebnis: Die beiden Rauschgeneratoren erzeugen zusammen eine Schallamplitude von pges = sqrt(2) p.
Man kann zeigen, daß bei zwei unterschiedlichen Generatoren mit den Amplituden p1 und p2 sich die Amplitude
pges = sqrt(p1 + p2)
einstellt. Dies nennt man eine „geometrische Summe“, weil es gerade der Länge der Diagonalen eines Rechtecks entspricht (Satz des Pythagoras). Die „gewöhnliche“ Summe „x + y“ nennt man zur deutlichen Unterscheidung davon auch „algebraische Summe“.
Du hast also gelernt, daß sich die Elongationen der Outputs zweier Rauschgeneratoren zwar streng algebraisch addieren, die Amplituden dies jedoch nicht tun – sie addieren sich geometrisch!
Man kann beweisen, daß die Energie, die in einer Schallwelle steckt, proportional zum Quadrat des Schalldrucks ist, und deshalb addiert sie sich wieder „anständig“ algebraisch. Wenn Du also „Aaaa…“ sagst und dabei eine Schallwelle mit der Energie E1 aussendest, und Deine Freundin „Oooo…“ sagt und dabei eine Schallwelle mit der Energie E2 aussendet, dann hat die resultierende Schallwelle die Energie
Eges = E1 + E2.
Die „Schallintensität“ (was dasselbe ist wie „Schallstärke“) ist proportional zu der in einer Schallwelle steckenden Energie, und daher ist es nicht verwunderlich, daß sie sich ebenfalls algebraisch addiert:
Jges = J1 + J2.
Jetzt komme ich zum Schallpegel. Der ist definiert als
L = 10 log (J/JReferenz) dB
wobei die Bezugsintensität JReferenz gesetzlich auf einen bestimmten Wert festgelegt wurde.
Wie groß ist nun aber der Schall_pegel_ zweier Schallquellen zusammen? Die eine möge den Schallpegel L1 haben, die andere L2. Die Intensität einer Schallquelle mit dem Pegel L beträgt nach der obigen L-Definition JReferenz 10^(L/(10 dB)), was Du mit etwas Umformerei ausrechnen kannst. Da wir wissen, daß sich die J algebraisch addieren, können wir ausrechnen, wie sich die L addieren:
Lges
= 10 log (Jges/JReferenz) dB
= 10 log ((J1 + J2)/JReferenz) dB
= 10 log ((JReferenz 10^(L1/(10 dB)) + JReferenz 10^(L2/(10 dB)))/JReferenz) dB
(----- JReferenz kürzt sich heraus -----)
= 10 log (10^(L1/(10 dB)) + 10^(L2/(10 dB))) dB
Ergebnis also:
Lges = 10 log (10^(L1/(10 dB)) + 10^(L2/(10 dB))) dB [*]
Das ist ein Ding, was? -) Jetzt prüfen wir gleich mal, was zwei Schallquellen mit je 0 dB Pegel zusammen für einen Pegel erzeugen:
Lges
= 10 log (10^(0 dB/(10 dB)) + 10^(0 dB/(10 dB))) dB
= 10 log (10^0 + 10^0) dB
= 10 log (1 + 1) dB
= 10 log (2) dB
= 3 dB
Aha! Rechne bitte selbst nach, daß zwei Schallquellen mit Pegeln von je 44 dB einen Lärm mit dem Pegel 47 dB machen. Eine Verdoppelung der Schallintensität bedeutet immer eine Erhöhung des Pegels um 3 dB. Dem menschlichen Gehör ist nun allerdings eine seltsame Charakteristik zu eigen. Es empfindet zwei Schallquellen nämlich trotz doppelter Energie/Intensität gar nicht als doppelt so laut! Erst eine Ver-10-fachung der Intensität wird als doppelt so laut empfunden! 10 Motorräder werden also als doppelt so laut empfunden wie ein Motorrad, und 1000 Motorräder als dreimal so laut und 10000 als viermal so laut. Dies ist das sogenannte Weber-Fechnersche Gesetz: Die Schallempfindung (Empfindungsstärke) wächst mit dem Logarithmus der Schallintensität (Reizstärke)".
Also nochmal zusammengefaßt:
Verdoppelung der Intensität = Erhöhung des Pegels um 3 dB.
Verdoppelung der „Lautheit“ = Verzehnfachung der Intensität = Erhöhung des Pegels um 10 dB.
Nun hast Du aber noch ein Beispiel gegeben, wo „45 dB - 12 dB = 33 dB“ gerechnet wurde. Dies ist unbestreitbar eine algebraische Summe, und die Frage, wie das mit der obigen Formel [*] zusammenpaßt, ist berechtigt.
Die Erklärung ist folgende. Eine Wand beispielsweise wirkt multiplikativ auf die Intensität einer Schallwelle. Sie schwächt z. B. jede Schallwelle intensitätsmäßig um 70 % ab. Ein Audio-Verstärker bei einem Konzert macht das Gegenteil: Er verstärkt jede Schallwelle (daß er die von einer Sängerin mit ihren Stimmbändern erzeugte Schallwelle zuerst per Mikrofon in elektrische Signale umwandelt, und diese dann per Lautsprecher wieder zurück in Schallwellen, spielt keine Rolle). Auch diese Verstärkung ist ein multiplikativer Einfluß auf die Schallwelle. Wenn immer so ein multiplikativer Einfluß stattfindet, dann werden die zugehörigen Schallpegel algebraisch addiert.
Beispiel: Eine Schallquelle hat den Pegel 30 dB. Der Schall wird von einer Mauer um 5 dB abgeschwächt, dann hinter der Mauer von einem Verstärker um 18 dB verstärkt, und schließlich von einer Bretterwand um 2 dB gedämpft. Wie groß ist der Pegel hinter der Bretterwand? Das Das Ergebnis ist einfach die algebraische Summe
30 dB – 5 dB + 18 dB – 2 dB = 41 dB.
Dämpfungen müssen dabei immer mit Minus-Vorzeichen gerechnet werden; Verstärkungen werden addiert.
Eine nicht vorhandene (!) Wand schwächt eine Schallwelle um 0 dB (= überhaupt nicht). Hast Du eine Schallquelle mit 22 dB Pegel und richtest sie auf eine nicht vorhandene Wand, so erhälst Du dahinter den Pegel
22 dB + 0 dB = 22 dB
Bei vier nicht vorhandenen Wänden ergibt sich hinter der vierten Wand der Pegel
22 dB + 0 dB + 0 dB + 0 dB + 0 dB = 22 dB
Bei einer Schallquelle mit 0 dB Pegel und einer nicht vorhandenen Wand
lautet die Rechnung
0 dB + 0 dB = 0 dB
und da hast Du Deine Formel! 0 dB plus 0 dB sind also wahrhaftig 0 dB (immer und überall!), und auf keinen Fall 3 dB.
Möchtest Du dagegen ausrechnen, wieviel dB zwei Schallquellen mit jeweils 0 dB Pegel liefern, dann ist „0 dB + 0 dB“ die falsche Rechnung (es ist ganz wichtig, daß Du das verstanden hast, denn das ist der Knackpunkt der Geschichte!), denn für diesen Fall addieren sich die Pegel nicht algebraisch, sondern „ganz verrückt“ nach der Formel [*]. Diese liefert dann aber auch das korrekte Ergebnis 3 dB für die beiden Schallquellen.
Also nochmal: Schallquelle mit Pegel x und Verstärker mit Verstärkungspegel v ergeben den Pegel x + v. Schallquelle mit Pegel x und weitere Schallquelle mit Pegel y machen Lärm mit Pegel 10 log (10^(x/(10 dB)) + 10^(y/(10 dB))) dB.
Merken solltest Du Dir:
n gleiche Eier haben die n-fache Masse und das n-fache Volumen
n gleiche Eier gleicher Temperatur haben nicht die n-fache Temperatur
„x1 + x2“ ist für zwei Eier manchmal die richtige Rechnung (z. B. wenn die ixe Massen sind), es kann aber auch total falsch sein (z. B. wenn die ixe Temperaturen sind). Wenn die Eier Schallquellen sind und die ixe Schallpegel, dann wird’s ebenfalls falsch.
die Schallintensität ist mit der Energie, die in der Schallwelle steckt, verknüpft. Beides addiert sich algebraisch.
Amplituden addieren sich geometrisch (Schallamplitude = Schalldruck)
Bei dem Schall, der von n gleichen Schallquellen erzeugt wird,
– liegt die n-fache Schallintensität vor
– liegt der sqrt(n)-fache Schalldruck vor.
– liegt der Schallpegel um 10 log n höher als der von einer Schallquelle
Ob das jemand wirklich bis hierhin liest? 
Mit freundlichem Gruß
Martin