Da ich selbst zwar logischerweise nicht der Ritterschule
angehöre (weil Ritter schon 1974 gestorben ist), wohl aber
noch bei Blumenberg hören durfte, den Marquardt auch zu seinen
Lehrern zählt, fühle ich mich dieser Art des Philosophieren
schon ziemlich nahe, auch wenn zwischen uns eine ganze
Generation liegt - eigentlich sogar zwei.
Kritisieren würde ich seinen „Abschied vom Prinzipiellen“ (so
ein Reclam-Titel), den er zwar positiv zu deuten sucht, der
aber letztlich seine Skepsis zu einem Konservativismus führt,
den ich nicht teilen kann
Me too!
„Schein-Gemütlichkeit“. Er hat zwar nicht unrecht damit, dass
wir als Menschen auch ein Recht auf Kritiklosigkeit haben,
aber wir sollten dieses Recht nicht überstrapazieren, meine
ich. In der Person Marquards relativiert sich das wieder, weil
er dieses Verhalten ja selbst nicht verinnerlicht, aber wenn
er das auch für andere propagiert, die sich in der Folge
vielleicht nicht mehr wirklich bemühen, habe ich Bedenken.
Hallo Thomas Miller
das halte ich für eine sehr gute Entgegnung.
Seine Berufung auf das Glück, scheint mir eher ein Zeichen
seiner Resignation zu sein - und ist insofern ganz und gar
nicht epikureisch. Seine Analysen sind zwar ohne Zweifel
scharf und hochinteressant, verleiten aber vielleicht zu sehr
zum „Sichgehenlassen“. Sein Plädoyer für einen allgemeinen
Pluralismus zeigt aber vielleicht, dass er seine Position eben
doch nicht universalisieren möchte. Das hätte für ihn die
merkwürdige Konsequenz, dass sein Pluralismus eben doch nicht
wie gefordert allgemein wäre.
Ist aber nicht genau das das Problem aller metakritischen verfahren (als die wir Marquards Ansatz wohl doch bezeichnen können)? Letztlich das Problem aller Postmoderne? WENN verallgemeinerbar, DANN ist das Ergebnissen in All-Sätzen formulierbar, ist referierbar, wiederholbar usf. Und entspricht somit dem klassischen Wissenschaftsbild, was doch gerade zu dekonstruieren war.
Was nicht bedeutet: Marquard ist widerlegt, peng! Im Gegenteil: Vieles ist mir sympathisch (wie Ihnen auch!), sein - tolle Metapher! - Polytheismus, sein Abweisen der sklavischen Rechtfertigungssucht (ich nenns mal: Plädoyer für LOCKERHEIT, Lockerheit jetzt bitte nicht im Werbeagentur-„kreativitäts“-Sinn verstehen)…und, hast Du Dich heute auch brav gerechtfertigt? (was, wenn nicht? Gibts dann Haue mit´m Philosophenrohrstock?), seine kritischen Reflektionen über das Anklagen…alles das ist mir mehr als plausibel.
Aber in dieser Zwiespältigkeit
lebt wohl naturgemäß jeder echte Skeptiker - und Marquard ist
möglicherweise einer der letzten Vertreter dieser Spezies.
Nee, die wirds immer geben. Weils eines der Grundmodelle philosophischen Denkens ist. Zum Glück! Sage sogar ich, der ja letztlich doch, gegen Marquard, so etwas wie ein „massive central core of human rationality“ (Strawson, kritischer Metaphysiker) (re)aktivieren will.
herzliche Grüße
Hartmut