Interessenlagen in Nahost

Meine Frage bezieht sich nicht nur auf die momentane Lage, sondern viel mehr auf die letzten 55 Jahre. Aber da das Thema immer noch aktuell ist, stell ich meine Frage in diesem Brett. ALso: Welche Interessen haben die einzelnen Parteien, USA, Europa und früher UDSSR mit ihrem Engagement in Nahost. USA stellte sich sofort auf die Seite von Israel, UDSSR auf die der Araber, besonders Syrien. Europa versucht sich relativ neutral zu halten und den Frieden zu suchen. Wie kam es zu dieser Situation und was verfolgten die einzelnen Länder mit ihrem Handeln?

Danke für eure Antwort
Christian

HI,

Es gibt wohl kaum einen Zweifel daran, dass Israel eine derart unglaubliche Lobby in Amerika besitzt, dass Amerika immer auf Israels Seite sein wird.

Die damalige Sowietunion hatte kein vergleichbares Verhältnis zu einem der arabischen Staaten, sondern hat sie nur unterstützt, um Amerikas Alleinherrschaftsanspruch in dieser Region entgegenzutreten.

Europa war ( und ist und wird es auf absehbare Zeit bleiben ) ein zu kleiner Fisch, als dass er in den Rangeleien der Supermächte mitspielen könnte. Zugleich ist Europa heute, wenn es um internationale militärische Krisen geht, so etwas wie ein Wurmfortsatz der USA, der militärisch impotent ist und deshalb faktisch auch nur sehr beschränktes Mitspracherecht bei internationalen Einsätzen besitzt. Europa ist den USA nur dafür gut genug, dass seine Nationen die Aktionen der USA billigen und ihnen so innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft zu mehr „Legitimation“ verhelfen.

Der amerikanische Kommentar zu den Waffen der Bundeswehr, auf die Frage, ob Amerika militärische Unterstützung von Deutschland erwartet, war Spott, und dass diese Waffen nur noch Schrottwert besäßen und nicht für Einsätze tauglich seien.

Zudem ist Europa nicht wie wie die USA oder die frühere UDSSR ein eifriger Missionar, der seine Ideologie mit aller Gewalt über die Welt zu verbreiten versucht. Also was sollten die Europäer im Nahen Osten schon wollen?

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Hallo Christian

Zur UdSSR:
Soweit ich weiss, waren/sind eine ganze Reihe der arabischen Länder sozialistisch regiert. Syrien ist sozialistisch (eine Art Erbdiktatur), auch die PLO war mal eine kommunistische Vereinigung. Die Sympatien von Seiten der UdSSR und ihrer „Fans“ ist somit eigentlich klar, da sie ja wirklich jede halbwegs sozialistische Regierung oder Guerrillatruppe unterstützte.
Antisemitismus hat ausserdem in Russland eine viel längere Tradition als das Misstrauen gegenüber muslimischen Völkern an der Peripherie des russischen Reiches (das allerdings auch zu tragischen Pogromen führte)und deshalb war man dem jüdischen Israel sowieso nicht allzu zugetan.
Dazu kommt, das Israel vom Westen gegründet und deshalb von der UdSSR als eine andere Art der Kolonialisierung angesehen wurde.

Zur USA:
Da kaum ein Land im nahen Osten demokratisch regiert ist und die USA die sog. „freie Welt“ fördert, ist eine Zuneigung zu Israel als einzige einigermassen funktionierende Demokratie mit einer weitgehenden Pressefreiheit zu erwarten.
Die Unterstütung Israels von Seiten der USA ist somit recht einfach im Kampf gegen den Kommunismus zu erklären. Und die USA hat deshalb alles getan um diese „Bastion der Freiheit“ inmitten des „kommunistischen Sumpfes“ zu erhalten. Wenn wir uns an Korea und Vietnam erinnern ist die USA bereit, viel für diesen Kampf zu investieren.
Es gibt eventuell euch noch weitere mögliche Gründe: Die USA hat angesichts der Ölreserven in der Nähe gerne einen Fuss in der Region und durch die starke Unterstützung hat sich die USA einen Verbündeten erkauft (der ja zu Recht dankbar ist, denn ob es Israel ohne USA noch gäbe, ist fraglich). Eventuell fühlt sich die USA mit den europäischen und amerikanischen Juden auch kulturell näher, als mit der arabischen Bevölkerung, zumal eine ganze Reihe von Israeli auch US-Bürger sind.
Mit dem oft zitierten „grossen (finanziellen, wirschaftlichen oder sonstwas)Einfluss jüdischer Amerikaner auf die US-Regierung“ hat die Förderung Israels somit wenig zu tun.

Nach 1989 sind die Fronten immernoch klar. Zwar hat Russland kein allzugrosses Interesse an der Region mehr, aber die sozialistischen (oder inzwischen teilweise radikal-islamistischen)Nachbarn und Freischärler sind geblieben und somit kann Israel weiter mit amerikanischer Hilfe rechnen.

Und Europa:
Grossbritannien hat als Kolonialmacht schon um 1900 (Anfrage vom zionistischen Kongress 1889 in Basel unter Theo Herzl) eine Heimstatt für die Juden (zuerst nicht in Palästina, sondern irgendwo in Afrika(Kenia?)) erwogen. Durch die Pogrome in Russland gingen viele russische Juden nach Palästina. (Es gibt aber auch eine ganze Reihe von echten palästinensischen Juden, die schon immer dort lebten). Die Juden bedrängten dort, teilweise als kämpfende Guerilla, die britische Herrschaft. Die Pläne für einen jüdische Heimstatt wurden von Grossbritannien allerdings auf Eis gelegt und die Einwanderung begrenzt (just dann, als Europas Juden diese so dringend gebraucht hätten…).

Durch die Kolonialisierung, die Pogrome in Russland und schliesslich die Shoa ist Israel eine zutiefst europäische Angelegenheit. Man fühlt sich in Europa schuldig gegenüber den Juden für die Jahrtausende dauernde Verfolgung (Juden im arabischen Raum wurden, bis zur Gründung Israels, von den Muslimen weitgehend in Ruhe gelassen) aber auch gegnüber den Arabern, die durch die Gründung Israels und die Vertreibung der Palästinenser aus Ihrer Heimat ebenfalls unter der europäischen Geschichte zu Leiden haben.
Die Neutralität hat auch noch einen anderen Grund: Die Region liegt sozusagen vor unserer Haustür. Durch Neutralität kann man sich angenehm raushalten und wird nicht zur Zielscheibe von Feindssligkeiten (Seit Dienstag wissen wir aber auch, dass auch grosse Entfernungen nichts nützen). Ganz nebenbei kann man auch mit beiden Seiten Geschäfte machen…

Puh, ist das ein langer Text geworden und dann ist es teilweise wohl auch eine Vereinfachung der Tatsachen, aber erst mal eine „Grundlage zum draufbauen“.

Viele Grüsse, Nicola

Hi unimportant,

na, die UdSSR war ja ebenfalls ein eifriger Missionar und wollte eine kommunistische Weltordnung…und Gewalt wurde bekanntlich auch zu Genüge eingesetzt.
Der jeweils andere war der Teufel.

Gruss, Nicola

Hi nicola,

na, die UdSSR war ja ebenfalls ein eifriger Missionar und
wollte eine kommunistische Weltordnung…und Gewalt wurde
bekanntlich auch zu Genüge eingesetzt.
Der jeweils andere war der Teufel.

genau, das wollte ich ausdrücken, schade, wenn es nicht so rüber kam. Aber das liegt auch daran, dass man heute die Sowjetunion langsam aus dem Blickwinkel verliert, da sie nicht mehr existiert.

gruß unimportant

Hallo Nicola

Zur UdSSR:

…und deshalb war man dem jüdischen Israel sowieso

nicht allzu zugetan.
Dazu kommt, das Israel vom Westen gegründet und deshalb von
der UdSSR als eine andere Art der Kolonialisierung angesehen
wurde.

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Bei der entscheidenden Abstimmung in der UNO (1948) über die Gründung Israels hat die UdSSR zusammen mit den USA zugestimmt.

Gruss
Mäni

Danke!!!
Hi Mäni und Nicole! (und auch unimportant)

Bei der entscheidenden Abstimmung in der UNO (1948) über die
Gründung Israels hat die UdSSR zusammen mit den USA
zugestimmt.

Gruss
Mäni

Gleiches las ich auch irgendwo mal. Die UDSSR hatte am Anfang keine Ablehnung gegenüber Israel. Die kam erst langsam, ich denke mal auch mit der Verhärtung der Fronten des Kalten Krieges.
Ansonsten vielen Dank für eure Antworten und Anregungen. Ihr habt mir weitergeholfen, meinen Horizont zu erweitern; wofür ich euch danken möchte.

Gruss
Christian

Kleiner zusatz
Hi scriptor
… Die SU versorgte über das damals noch verbündete Yugoslawien die Israelis sogar mit Waffen. Hintergrund war der kampf gegen die stark von Engländern beeinflußten Arabischen Staaten…

Die Engländer waren ja in Israel anfangs nicht sehr angesehen…

Gruß
Mike