Interpretation

Hallo Literaturfreunde,

was ist von folgenden Behauptungen über Literatur zu halten:

  1. Eine Textinterpretation ist nur sinnvoll unter Berücksichtigung der Biographie des Autors.

  2. Wenn ich die Biographie eines Schriftstellers lese, erfahre ich über seine Intentionen genau so viel wie durch seine Werke. Also, wenn ich z.B. die Biographie von Thomas Mann lese, kann ich mir den Zauberberg & Co. mit zugehörigen Interpretation ersparen bzw. müßte jeweils auf die selben Erkenntnisse kommen.

Danke für Eure Meinungen.

Wolfgang D.

Hallo,

was ist von folgenden Behauptungen über Literatur zu halten:

  1. Eine Textinterpretation ist nur sinnvoll unter
    Berücksichtigung der Biographie des Autors.

Sicher ist es aufschlussreich, wenn man etwas über die Lebenszusammenhänge der Schreibenden weiß, aber alle anderen Herangehensweisen damit auszuschließen, halte ich für falsch.
Man sollte jedenfalls nicht ein literarisches Werk allein über die Biographie definieren; das kann zu abstrusen Reduktionen eines Werkes führen.

  1. Wenn ich die Biographie eines Schriftstellers lese, erfahre
    ich über seine Intentionen genau so viel wie durch seine
    Werke. Also, wenn ich z.B. die Biographie von Thomas Mann
    lese, kann ich mir den Zauberberg & Co. mit zugehörigen
    Interpretation ersparen bzw. müßte jeweils auf die selben
    Erkenntnisse kommen.

Das halte ich persönlich für fragwürdig: Du kannst nicht durch eine bereits verfasste Interpretation (Biographie) erfahren, was das literarische Werk mit Dir persönlich macht und auf welche Schlussfolgerungen du möglicherweise (nicht) kommen würdest… literaturwissenschaftlich gesehen wäre das wohl eher ein lächerlicher Versuch, sich u.a. die Arbeit (etwa des Selbstdenkens) zu ersparen?

Gruß
Istiden

Hallo Literaturfreunde,

Hi Wolfgang!

was ist von folgenden Behauptungen über Literatur zu halten:

  1. Eine Textinterpretation ist nur sinnvoll unter
    Berücksichtigung der Biographie des Autors.

Was man von diesem ersten Punkt hält, kommt darauf an, welcher Interpretationsweise du selbst am ehesten zusprichst. Es gibt unter den Literaturwissenschaftlern/Germanisten einige, die Literatur am liebsten nur werkimmanent interpretieren. Ich möchte die dazugehörige, auf die Spitze getriebene Haltung mal am Beispiel meiner ehemaligen Deutschlehrerin demonstrieren. Sie war der Ansicht, dass ein Autor ein Werk quasi „so runterschreibt“ (ihre Worte), mehr oder minder unbewusst und im Unklaren, was er da tut. Wenn er fertig sei mit dem Schreiben, lege er das Buch zur Seite und habe damit persönlich eigentlich gar nichts mehr damit zu tun und auch nie zu tun gehabt.
Da ich später an der gleichen Uni studiert habe wie sie, konnte ich ganz gut nachvollziehen, welche Professoren sie dort gehört und welche Meinung sie sich einverleibt hatte.

Für mich selbst macht es wenig Sinn, zumindest ältere Autoren ohne autobiographische Bezüge zu interpretieren (bei den neueren bin ich mir nicht immer ganz so sicher). Goethes Werke ohne seine Frauengeschichten oder seine Ansichten zu Zeiten des Sturm und Drang zu interpretieren, gibt für mich keinen Sinn. Büchners Woyzeck ohne Büchners Gesellschaftskritik (wie er sie z.B. in diversen Briefen zum Ausdruck brachte) interprtieren zu wollen, ist m.M.n ebenso müßig. Schriftsteller wollen meines Erachtens irgendetwas mitteilen in ihren Werken, und das ist bei weitem nicht so universell, dass es vom gesellschaftlichen und Lebens-Kontext des Autors unabhängig wäre.

  1. Wenn ich die Biographie eines Schriftstellers lese, erfahre
    ich über seine Intentionen genau so viel wie durch seine
    Werke. Also, wenn ich z.B. die Biographie von Thomas Mann
    lese, kann ich mir den Zauberberg & Co. mit zugehörigen
    Interpretation ersparen bzw. müßte jeweils auf die selben
    Erkenntnisse kommen.

Das wiederum halte ich nicht für richtig. Dazu müsste man die Lebenssituation 1:1 auf die Fiktion des Werks übertragen können. Und die Lebenssituation müsste dazu taugen, universelle Erfahrungen und Probleme der Menschheit aufzuzeigen (wozu Literatur ja nun auch dienen soll). Das funktioniert mit realen Einzelindividuen wesentlich schlechter als mit (ggf. archetypischen) fiktionalen Figuren.
Außerdem spiegelt sich eine möglicherweise ideale/idealisierte Intention des Autors nicht automatische in dessen eigenem Leben und Handeln wider.

Danke für Eure Meinungen.

Bitte.

Wolfgang D.

Gruß
Dine

Hallo,

was ist von folgenden Behauptungen über Literatur zu halten:

  1. Eine Textinterpretation ist nur sinnvoll unter
    Berücksichtigung der Biographie des Autors.

Sicher ist es aufschlussreich, wenn man etwas über die
Lebenszusammenhänge der Schreibenden weiß, aber alle anderen
Herangehensweisen damit auszuschließen, halte ich für falsch.

Ja, dieser Meinung bin auch. Aus der Biographie lässt sich vor allem ablesen, ob ein Autor ein Thema tatsächlich kompetent behandeln kann und kann die Aussagen auch in den Zusamenhang mit den Ansichten der zeitgenössischen Gesellschaft stellen.

  1. Wenn ich die Biographie eines Schriftstellers lese, erfahre
    ich über seine Intentionen genau so viel wie durch seine
    Werke. Also, wenn ich z.B. die Biographie von Thomas Mann
    lese, kann ich mir den Zauberberg & Co. mit zugehörigen
    Interpretation ersparen bzw. müßte jeweils auf die selben
    Erkenntnisse kommen.

Das halte ich persönlich für fragwürdig.

Ich sehe das auch so. Ein Autor kann z.B. gegen die Sklaverei sein und entsprehend für deren Abschaffung gekämpft haben. Den Leuten aber begreiflich zu machen, was Sklaverei bedeutet, dazu sollte man besser „Onkel Toms Hütt“, „Beloved“ oder „Huckleberry Fin“ lesen, anstatt die Biographien deren Autoren.

Wolfgang D.

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Tach,

was ist von folgenden Behauptungen über Literatur zu halten:

  1. Eine Textinterpretation ist nur sinnvoll unter
    Berücksichtigung der Biographie des Autors.

so rigoros gesagt halte ich sie für übertrieben.

  1. Wenn ich die Biographie eines Schriftstellers lese, erfahre
    ich über seine Intentionen genau so viel wie durch seine
    Werke. Also, wenn ich z.B. die Biographie von Thomas Mann
    lese, kann ich mir den Zauberberg & Co. mit zugehörigen
    Interpretation ersparen bzw. müßte jeweils auf die selben
    Erkenntnisse kommen.

Auch hier ist diese strikte Aussage m.E. übertrieben.

Zwar lese ich von Schriftstellern, die mich näher interesieren auch gerne deren Biographie und anschließend erschließt sich mir oft das eine oder andere Detail besser, bzw. ich erkenne Zusammenhänge, aber sooo unabdingbar sind Kenntnisse der Biographie auch wieder nicht.

Gandalf