Hallo Junktor,
Da möchte ich mit Kant dagegenhalten, der sagte:
„Manches Buch wäre viel deutlicher geworden, wenn es nicht so
gar deutlich hätte werden sollen.“
(Kritik der reinen Vernunft, A XIX)
"Denn die Hülfsmittel der Deutlichkeit helfen zwar in Teilen, zerstreuen aber öfters im Ganzen, indem sie den Leser nicht schnell genug zu Überschauung des Ganzen gelangen lassen … "
Mit ‚Deutlichkeit‘ ist hier doch wohl offensichtlich die Breite und Ausführlichkeit der Darstellung angesprochen - nicht das, was ich mit ‚Klarheit‘ gemeint hatte. Du berufst Dich hier zu Unrecht auf Kant.
Es gibt für alles eine Grenze der Vernunft, des Sinn- und
Nutzvollen.
Zugestanden.
Eine Verhältnismäßigkeit der Mittel und ein Differenzieren
nach Einsatzgebiet! Zwischen einem semantischen
Philologenkongreß und einem auf zwischenmenschlichem Austausch
ausgerichteten Internetforum würde ich schon noch
differenzieren. Die Kausalität sollte Rezeption sein.
Auch dies zugestanden. Es ging mir auch weniger ums Schulmeistern als um einen kleinen Scherz auf Hannes’ Kosten (er möge es mir nachsehen) - seine Einlassung als solche empfand ich ja durchaus als hilfreich. Aber für einen derart populären und oft bespöttelten orthographischen Lapsus ausgerechnet den Duden als Referenz zu bemühen - da konnte ich einfach nicht widerstehen. Sorry, aber ich fands komisch
.
Um auch gleich noch die zeit- und zivilisationskritische Keule
zu schwingen: der allgemein zu beobachtende Verfall
sprachlicher und literarischer Kompetenz ist das vielleicht
deutlichste Symptom des Autismus, den wir einer Medienkultur
verdanken, deren raison d’être das passive (möglichst
kostenpflichtige) Konsumieren ist, nicht das aktive
Kommunizieren.
Das halte ich wiederum für falsch:
Gerade erst diese neuen Medien geben dem
„Sichausdrückenwollenden“ ein Forum!
Nun, dies scheint mir eine unzulässige Verallgemeinerung zu sein - das Schlagwort von den ‚Neuen Medien‘ habe ich gar nicht bemüht. Ich habe von einer ‚Medienkultur‘ gesprochen und vermag nicht recht zu sehen, wo etwa Kommerzfernsehen und Dudelfunk dem persönlichen Ausdruckswillen des Einzelnen Raum geben - es sei denn, Du siehst ‚Deutschland sucht den Superstar‘ als einen Beleg dafür an. Bei dem Medium, dessen wir beide uns hier bedienen, mag das etwas anders sein. Aber für die Medienkultur unserer Gesellschaft insgesamt ist dies wohl nicht repräsentativ.
Ein Schweigender macht
keine Fehler! Deiner Analyse fehlt der Vergleich, den du nicht
zu erbringen im Stande bist! Wenn du nämlich von Verfall
sprichst, indiziert das, dass dies einmal anders gewesen wäre!
Oder willst du eine elitäre Minderheit generalisieren? Was ein
fataler Irrtum wäre, gemessen am Kollektiv! Geistige Elite
sollte ihre Kompetenz durch Vorbildcharakter demonstrieren,
nicht durch pedantische Schulmeisterei, welche engagierte
Leute nur vergrault, imho kontraproduktiv ist!
Nun, zum ‚Schulmeistern‘ habe ich oben schon etwas gesagt. Ansonsten: wenn der öffentliche Diskurs heute auf einer breiteren Basis stattfindet als früher, ‚demokratischer‘ und weniger elitär geworden ist (trotz der weit verbreiteten Neigung zu passivem Konsumieren), ist dies zunächst einmal nach meinem Dafürhalten erfreulich. Dass dies seine formale Qualität beeinträchtigt, halte ich nicht für eine zwangsläufige Folge. Wenn diese Folge allerdings eintritt, ist die Frage nach den Ursachen m.E. durchaus legitim. Im Übrigen hatte ich durchaus bewusst überspitzt formuliert - ‚die Keule geschwungen‘. Bitte sieh mir die Grobschlächtigkeit nach.
Freundliche Grüße,
Ralf