Liebe/-r Experte/-in,
ist es richtig, dass durch Inzucht geborene Tiere früh sterben oder Behinderungen mit sich tragen?
Bis zu welchem Verwandtschaftsgrad ist Inzucht bedrohlich?
Gruß G. Alexander
Liebe/-r Experte/-in,
ist es richtig, dass durch Inzucht geborene Tiere früh sterben oder Behinderungen mit sich tragen?
Bis zu welchem Verwandtschaftsgrad ist Inzucht bedrohlich?
Gruß G. Alexander
Hallo Alexande
Schön was von Dir zu hören.
Kurzantwort: Es ist tatsächlich richtig, daß durch Inzucht gehäuft krankheiten auftreten können, oder sagen wir es so, die Wahrscheinlichkeit bestimmte Krankheiten zu bekommen, steigt. Ebenso auch, daran früh zu sterben. Eine Bezifferung ist enorm schwierig und sehr von dem Typ der Krankheit abhängig. Das ganze ist schwierig zu erklären, wenn es exakt werden soll, weil voller Ausnahmen, halber Regeln, lücken in unserem Wissen und so weiter.
Laß mir mal übers Wochenende ein paar Gedanken drüber machen. Wenn Du bis Dienstag nichts von mir hörst, erinnere mich bitt daran, daß ich noch antworten muß.
Gruß
Andreas
Lieber Alexander!
Durch Inzucht (Paarung von nahen Verwandten) erfolgt ein
so genannter „Ahnenverlust“. Normalerweise hat jedes
Tier /jeder Mensch 4 Grosseltern und 8 Urgrosseltern.
Bei Inzucht vermindern sich diese Zahlen. Wenn zB Bruder
und Schwester ein Kind zeugen, hat dieses Kind nur 2
Grosseltern/4 Urgrosseltern.
Wenn jemand mit seiner Cousine Nachwuchs zeugt, so hat
dieses Kind zwar 4 Grosseltern aber nur 6 Urgrosseltern.
Erbkrankheiten sind meist rezessiv, das heisst, sie
kommen nur zum Tragen wenn BEIDE Eltern die Anlage dazu
in ihren Genen gespeichert haben. Desto weniger Personen
also in einer Ahnengalerie vorhanden sind, desto hoeher
ist die Chance, dass beide Eltern die Anlage haben -
desto hoeher das Risiko, dass eine Erbkrankheit
auftritt.
In der Tierzucht wird haeufig Inzucht betrieben, um
Merkmale zu intensivieren oder „heraus zu zuechten“.
Auch hier gilt natuerlich: naeher verwandt = mehr
Risiko.
Ich hoffe, ich habe ein wenig Licht ins Dunkel bringen
koennen…
Dr. Lupus
Da die Widerstandskraft eines Individuums gegen widrige Einflüsse mit der größtmöglichen genetischen Vielfalt steigt (gegen den Angriff verschiedenster Krankheitserreger ist somit potenziell öfter eine Antwort möglich), ist Inzucht insofern ungünstig, als durch die Rekombination verwandter, also genetisch ähnlicher, Individuen die Vielfalt abnimmt.
Je (genetisch) unähnlicher sich die Eltern sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer genetisch vielfältigen Ausstattung des Kindes und somit seiner Widerstandskraft.
Damit dürfte auch die Frage nach dem Grad der Verwandtschaft geklärt sein (je weiter entfernt,desto weniger „dramatisch“), so hoffe ich.
Nick.
Hallo,
Inzuchttiere neigen zu einer verkürzten Lebensdauer und Behinderungen aufgrund der sich anhäufenden Erbfehler. Dies geschieht natürlich nicht innerhablb einer Generation, sondern erst über mehrere Generationen hinweg. Beispiele wären beim Menschen die Bluterkrankheit, die in europäischen Adelsgeschlechtern grassierte, da versucht wurde immer innerhalb der Familien zu heiraten. Je näher die Verwandschaft, desto schlechter auf Dauer, weil dann der Genpool besonders klein ist.
Meines wissens gibt es keine medizinische / biologische Grenze. Gesetzlich sind Ehen erst ab Cousin/Cousine erlaubt.
Gruss,
Marcus Wirth
Hallo Andreas,
ich habe noch nicht von dir gehört.
G. Alexander
Hallo Andreas,
ich habe noch nicht von dir gehört.
G. Alexander
Hallo Alexander
Tut mir leid, ich habe graade beruflich seeehr viel Stress, terminliche Dinge, Sonderausstellungen, Fachpublikationen, etc.
So. Zu den Inzuchtsproblemen.
Zunächst muß man erst einmal die Frage etwas präzisieren. Evtl.so: Können erbgutbedingte phänotypische Schäden durch inzuchtbedinge Häufung vermehrt auftreten und zu erhöhter Mortalität führen?" Klingt furchtbar, muß aber sein um das Problem einzugrenzen. Inzuchtsbedingte Krankheiten und Behinderungen (im Prinzip das selbe) müssen erblich sein. Bleiben wir beim ersten. Und da Biologie die unexakteste Wissenschaft aller exakten Wissenschaften ist, lautet die Antwort: Es kommt darauf an.
Super!
Ein paar Beispiele
Chorea Huntington - eine Stoffwechselerkrankung
Die Erkrankung ist erblich bedingt. Es ist ein Gen, das kaputt ist. Zudem ist die Erbkrankheit auch noch dominant, das heißt, die Krankheit tritt auf, wenn ein von zwei Chromosomen defekt ist. Aber sie taucht erst nach Ende der Pubertät auf - oft nachdem die neuen Eltern die Krankheit bereits weitergegeben haben. Inzucht gibt kein erhöhtes Risiko, da Personen mit doppelt kaputten Genom gar nicht lebensfähig sind (heißt es). Die Wahrscheinlichkeit auf eine Erkrankung liegt bei den Kindern bei 50%.
Phenylketonurie. Ebenfalls eine Stoffwechselerkrankung, angeblich dominant.
Auch hier kommt eine Inzucht gar nicht erst in Frage, da untherapierte Personen (oder Tiere) kaum die Geschlechtsreife erreichen. In der Natur würde dieser Defekt bald aussterben. Beim Menschen gibt es inzwischen Therapien, wodurch die betroffenen Personen das gefährliche Alter überstehen ud den Defekt weitergeben können. (Über Inzuchtsprobleme weiß ich da nichts).
Rot-Grün-Sehschwäche, Rhodopsin ist kaputt. x-chromosomal gekoppelt, rezessiv
Die Erkrankung tritt meist bei Männern auf, da sie in aller Regel nur ein x-Chromosom besitzen. Bei Frauen tritt es fast nie auf. Dennoch gibt es seltene Fälle auch bei Frauen. Dann sind beide x-Chromosome defekt. Das kann sich theoretisch bei Inzucht anhäufen. Diese Erkrankung ist relativ häufig zu Blutererkrankung, da sie nicht gefährlich ist.
Blutererkrankung, ebenfalls x-chromosomal gekoppelt, rezessiv
Tritt auch oft bei Männern auf. Hier gilt im Prinzip dasselbe wie bei der Rot-Grün-Sehschwäche, aber die Ergrankung ist sehr gefährlich. Die russische Zarenfamilie hatte durch Inzucht eine Anhäufung des Gens in der Familie inklusive erkrankte Frauen. Die letzten Nachfahren wurden erschossen, was nichts mit der Erkrankung an sich zu tuen hatte…
Stummelschwanz bei Katzen
Auf der englischen Insel Man leben Katzen mit sehr engem Genpool (starker Inzucht) Hier hat sich ein defektes Gen angehäuft, das gleich für mehrere Behinderungen zuständig ist. Trotzdem sind die Tiere nicht ausgestorben, vermutlich, da sie keine Konkurrenz bekamen.
Myostatin-Defekt
Auch ein Gendefekt, der dazu führt, daß das Muskelwachstum ungebremst vonstatten geht. Soweit es die Rinderrasse Belgisch Blue betrifft ein Segen für die Rasse (genetisch gesehen), denn der Genpool bleibt erhalten, WEIL es den Metzger freut. Ähnliches dürfte es auch in der Natur geben. Stichwort Flaschenhalseffekt. Wenn die genetische Erkrankung keine Behinderung darstellt, könnte es eine Bereicherung für die Art darstellen und damit eine Weiterentwicklung (hier kommen wir in die Evolution).
Schizophrenie
Jetzt wird es richtig schwierig. Hier ist es nicht mehr ein kaputtes Gen sondern gleich mehrere (ca. 15) die für manche Formen der Schizophrenie verantwortlich sein sollen (da bin ich lieber vorsichtig). Innerhalb eines Genpools können sich einzelne Komponenten ohne sichtbare Erkrankung anhäufen. Trotzdem ist sie oft Erbgutbedingt.
Aber die meisten Schizophreniearten können nicht von erworbener (z.B. durch Unfall oder Krankheit) oder erlernter (z.B. durch Traumata) Schizophrenie unterschieden werden.
Ich hoffe, ich konnte Dir ein bisschen weiterhelfen. Du merkst schon, das Thema ist viel größer als ich es überhaupt beschreiben kann, schon gar nicht in einem so kurzen Text.
Viele GrüßE
Andreas
Hallo Alexander,
bei Inzucht bei Hunden ist es meines Wissens so, dass das Lebensalter und die Vitalität abnimmt, sie werden anfälliger für Krankheiten, obwohl man in der Hundezucht auch von einer Linienzucht spricht, was auch eine Inzucht ist, bei der besonders gesunde Hunde ausgewählt werden, weil angeblich nicht nur die negativen sondern auch die positiven Eigenschaften erhöht werden sollen.
Ab wann das „gefährlich“ ist, kann man glaube ich nicht so genau definieren.
Ich hoffe ich konnte Dir weiter helfen.
LG
Michaela
Guten Tag Herr Alexander.
Verzeihen Sie, das ich erst jetzt zu der Beantwortung Ihrer Fragen komme.
Ja es ist korrekt, das durch Inzucht entstandende Tiere früher sterben, oder ebenso behindert sein können ABER es muss nicht unbedingt vom Nachteil geprägt sein (wenn man es schon evolutionär betrachtet), meines Erachtens nach, gab es - ich erinnere mich wage - eine Tierart oder mehrere, welche Inzucht auch offen betreiben, bis die Genvariabilität „aufgebraucht“ ist, da man gewisse Sachen für die Forschung dabei rausarbeiten kann. Es gibt ja auch Fischzuchten, welche die Parentalgenerationen mit den F1-Generationen kreuzen um reinerbige Individuen zu erhalten. Aber vorwiegend gibt es nur Nachteile bei der Kreuzung von Parentalgeneration und F1-Generationen.
Bedrohlich ist es theoretisch, wenn man das jetzt familiär beim Menschen betrachtet, wenn die nähere Verwandtschaft (Eltern und Geschwister) Inzucht betreiben, jedoch können Cousins und Cousinen ja de facto heiraten. Ab dieser Abstammungslinie liegt meines Wissens nach, kaum negative Gendeffekte vor.
Ähnlich auch auf Tiere zu beziehen, aber letztlich ist der Mensch ja auch systemantisch den Mammalida (Säugetieren) hinzuzuordnen. Fortpflanzungsstrategien sind generell sehr interessant. Aber das ist ein anderes Thema, und ich will Sie hier auch nicht zuschreiben.
Liebe Grüße.
M. Krüger