Liebe Taju,
so hoch, wie Du das jetzt ansiedelst, möchte ich die Idee doch nicht hängen; zuerst war es bloß einfach ein Einfall, der selbstverständlich geprüft und erhärtet werden muss.
Es gibt aber einfach ein paar Ungereimtheiten, und die machen einen Exegeten ja immet stutzig.
Die Sache mit den 30 Silberlingen ist höchst verdächtig; diese Summe - exakt! - wird ja in Sach 11, 12 erwähnt, und eine Deckungsgleichheit von Altem und Neuem Testament mit der Erfüllung einer Prophezeiung zu erklären, ist exegetisch frivol. So stehen ja im Grunde alle Stellen, welche eine Erfüllung einer at-lichen Prophezeiung erzählen, a priori unter Verdacht, bis sie auch anders erklärt und bezeugt werden können.
Es bleibt die FGrage, was denn Judas verraten haben soll.
Deine Bemühungen, lieber Mike, in Ehren; sie zeigen aber doch nur die Ratlosigkeit von ganzen Generationen von Exegeten. Sie mussten, weil es Offensichtliches nicht gab, zwangsläufig zu Spekulationen greifen.
In 1. Kor 15, 5 erzählt Paulus von den Erscheinungen des Auferstandenen zuerst vor Petrus und dann vor den Zwölfen. Diese Formel, die Paulus ja eingestandenermaßen übernommen hat und die also sehr alt ist, weiß also wohl nichts von dem durch den Tod des Judasb freigewordenen Platz.
Es sei denn, man hielte „die 12“ für einer so festgeprägten Begriff, dass die wirkliche Zahl unwesentlich ist - es könnten dann auch sieben oder zehn sein; sie blieben „die 12“, wenn sie als Gruppe der Apostel gemeint wären.
Kann es nicht sein, dass „der Verräter Judas“ ein schon vor Markus feststehendes Theologoumenon war, ebenso wie Maria Magdalena und Joseph von Arimathia? Von Letzteren hat Karl Martin Fischer (in „Das Ostergeschehen“) immerhin wahrscheinlich gemacht, dass sich hier der Name des Totengräbers erhalten hat.
Und auch Maria Magdalena lässt sich in den verschiedenen Berichten nicht so richtig fassen; ihre Gestalt schillert und changiert. Sie war aber so bekannt und mit der Überlieferung von Jesus so fest verbunden, dass weder Markus noch ein anderer Evangelist es wagen konnte, sie auszulassen.
Ich will jetzt gewiss nicht der Däniken der Theologie werden, der die gesamte bisherige akademische Bemühung in den Orkus des Irrtums und der Nichtigkeit schleudert - dazu halte ich zuviel von ihr. Aber die Tatsache, dass bisher niemand diesen Gedanken gehabt hat, ist doch nicht von vornherein ein Argument. Oder?
Gruß - Rolf