Ist der Mensch unfrei?

„Das, was uns [Menschen] letzten Endes vielleicht mehr als alles andere ausmacht, ist der Umstand, dass wir alle mit dem Rüstzeug für tausend verschiedene Leben geboren werden, doch am Ende nur eines gelebt haben.“ (zitiert nach Clifford Geertz)

Hallo Patrick,

spontan würde ich (aus Ethnologenperspektive) den Menschen insofern als frei bezeichnen, als er im Normalfall eine grundsätzliche intellektuelle Fähigkeit besitzt, jenseits von Reiz/Reaktion-Schemata und Instinktbefolgung willkürlich Entscheidungen zu treffen.

Das wird durch die immer gegebenen kulturellen Parameter stark eingeschränkt. Teilweise ist dies überlebensnotwendig im Sinne einer Schutzfunktion. Was ein Menschenkind z.B. nicht über Instinkte weiß, erfährt es auf dem Wege von Verboten. Das schränkt seine Entscheidungen in gewisser Hinsicht ein, macht es jedoch m.E. nicht unfrei.

Weitere Einschränkungen und Zwänge werden zum Selbsterhalt der Kultur notwendig, und gerade in unserer Gesellschaft sind es vermutlich vor allem diese, welche eine Diskussion um die Unfreiheit des Individuums auslösen – die Zwänge nämlich, selbst das System zu stützen (z.B. durch die eigene Arbeitskraft), das ab und an die eigene Entscheidungsfreiheit eingrenzt. Es gibt ganz sicher politische Systeme, die eine weitestgehende Unfreiheit des Individuums bei seiner Lebensgestaltung anstreben. Bei uns kann ein solches Streben nur teilweise auf dem Wege von Zwängen durchgesetzt werden (Bsp.: allgem. Schulpflicht), m.E. sind Mechanismen subtiler Manipulation (vor allem beim Konsumverhalten) bei uns wesentlich verbreiteter.

Kurz gesagt: der Mensch ist nicht grundsätzlich frei und auch nicht grundsätzlich unfrei – ein Festlegenwollen auf eine eindeutige Antwort hat hier schlicht keinen Sinn. Ihm sind klare Parameter gesetzt (biologische und kulturelle), die er nicht überwinden kann, innerhalb derer er jedoch zu freien Entscheidungen in der Lage ist. Wie groß muß ein Käfig sein, bevor er aufhört, ein Käfig zu sein? Diese Frage kann immer nur der ‚Insasse‘ selbst beantworten.

Gruß,

Pengoblin

Hi!

Ist der Mensch frei oder wird sein Verhalten durch seine soziale Rolle geleitet, die sich wiederum durch die Verhaltenserwartungen der Bezugspersonen definiert? Falls der Mensch sich gegen die Verhaltenserwartungen von Bezugspersonen entscheidet, stehen ihm doch fast immer Sanktionen bevor (ob negativ oder positiv), die seine Entscheidungen (stark) beeinträchtigen?

Meine Politiklehrerin und ich (und auch einige meiner Mitschüler, die sich auf meine Seite gestellt haben) sind uns noch immer nicht im Grünen über diese Frage.

Ich würde gerne die Meinung der Allgemeinheit bzw. eure Meinung dazu hören.

Ich danke

Patrick

Hi!

dazu müsste man erstmal definieren was Freiheit überhaupt ist.
Und schon gehts los. Alleine schon durch eine Definition beginnt das Unfrei sein.

Der Mensch ist ein soziales Wesen und kann nie frei sein. Er wird immer und überall durch Gesetze, Verhaltensnormen, Überlebenswillen usw. eingeschränkt.

Ist der Mensch frei oder wird sein Verhalten durch seine
soziale Rolle geleitet,

natürlich.

die sich wiederum durch die
Verhaltenserwartungen der Bezugspersonen definiert?

was sind Bezugspersonen ? Wenn damit sein soziales oder gesellschaftliches Umfeld gemeint ist, dann ja. Selbst ein Bill Gates kann sich nicht den Verhaltensmustern seines gesellschaftlichen Umfeldes entziehen … sicher bestimmt er sein näheres Umfeld wesentlich, aber da hört es schon auf.

Falls der
Mensch sich gegen die Verhaltenserwartungen von Bezugspersonen
entscheidet, stehen ihm doch fast immer Sanktionen bevor (ob
negativ oder positiv), die seine Entscheidungen (stark)
beeinträchtigen?

richtig (wobei ich allerding Probleme mit dem Begriff „Bezugsperson“ habe und denke dass man den Begriff Sanktion näher beschreiben sollte)

Gruss
Roger

Hi Patrick

Ist der Mensch frei

natürlich ist der Mensch frei, denn er entscheidet sich, ob er sich in seine Rolle fügt, oder ausbricht.
Die meisten Menschen haben ein sehr feines Gefühl, was sie tun können, ohne sanktioniert zu werden bzw. haben ein großes Geschick entwickelt, nicht sanktioniertes Verhalten zu tarnen.
Wenige stehen für ihr nicht sanktioniertes Verhalten offen gerade.

Die Frage müßte besser heißen:
Ist der Mensch bequem?
Oder
Ist der Mensch feige?
Dann lautet die Antwort meist - ja!

Gandalf

Hallo is…

ich stimme Gandalf weiter unten zu. Der Mensch ist frei, weil er immer entscheiden kann (und auch tut), ob er sich irgendwelchen Normen oder Verhaltensweisen unterordnen oder die Konsequenzen fuer das Nichtunterordnen tragen will. Und wie wir alle im taeglichen Leben sehen, passiert mal das eine, mal das andere.

Ralph

Hallo,

Dein Beitrag spiel ein wenig auf die Determinismusdebatte an.

Nach den Vertretern dieser Theorie ist der Mensch tatsächlich nicht frei, da er lediglich einem von außen auf ihn einwirkenden Schema folgt.

Das bedeutet letztlich, dass er nicht in der Lage ist, überhaupt Entscheidungen zu treffen, da diese lediglich eine Reaktion auf die gesammelten Umwelteinflüsse und die entsprechende Reaktion seiner Psyche sind. Er glaubt zwar, zu entscheiden, tatsächlich folgt er aber einem programmierten Schema.

Verhaltensweisen und auch vermeintliche Entscheidungen sind daher nichts anderes als das logische Produkt aus individueller Veranlageung, sozialen Erfahrungen durch Umwelt und Erziehung sowie Reaktionen auf konkrete äußere Einflüsse.

Diese Theorie wird seit einigen Jahren auch von der neueren Hirnforschung unterstützt (Roth hat hierzu einiges geschrieben), die zum Teil der Ansicht ist, dass das Gehirn eine reine Impulsbearbeitungmaschiene ist, jedoch, letztlich mit Verweis auf die Gesetze der Thermodynamik, davon ausgeht, dass für einen eigenen, eine menschliche Entscheidung generierenden Gehirnimpuls, kein Raum ist.

Das ist natürlich alles sehr umstritten, unter anderem mit Blick auf zwei Aspekte.

Einerseits möchte keiner so richtig akzeptieren, dass wir gänzlich oder jedenfalls überwiegend fremdgesteuert sind, da wir wollen und davon ausgehen, dass wir unser Verhalten selbst bestimmen und die Umwelt somit aktiv beeinflussen, nicht umgekehrt.

Auch die Rechtswissenschaft hat hiermit seit der großen Determinismusdebatte Anfang des 20. Jahrhunderts gewisse Probleme, insbesondere im Strafrecht bekommen.
Denn Ansatzpunkt ein jeder Strafe für eine Straftat ist das in § 46 StGB niedergeschriebene Schuldprinzip - ohne Schuld keine Strafe.

Schuld meint juristisch aber individuelle Vorwerfbarkeit, welche der BGH definiert als „die Tatsache, dass sich der Täter für das Unrecht und gegen das Recht entschieden hat, obwohl er sich hätte anders entscheiden können“.

Eine Erkenntnis, dass sich der Mensch gar nicht für eine Straftat entschieden hat, weil er ohnehin aufgrund der Gesamtheit der Einflüsse, welchen er bisher ausgesetzt war, nur so und nicht anders handeln konnte, würde dieses natürlich ad absurdum führen.
Hierzu ist auch schon in der Rechtsphilosophie viel geschrieben worden, man wird sehen, wie es sich entwickeln wird.
Gruß
Dea

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Die soziale rolle nötigt mich erst eine norm zu leben die freiheit als freiheit definiert-und schon bilde ich mir ein frei zu sein.naklar steht meine sichtweise auf das leben jeder anderen sichtweise gegenüber sich aber dabei selbst vertrauen was man tut ist für mich feiheit geburtsrecht eines jeden individuum individuel zu SEIN im bezug auf sich selbst ohne bezugsperson in der äußlichen wahrnehhhhhmung.

Ist der Mensch frei oder wird sein Verhalten durch seine
soziale Rolle geleitet, die sich wiederum durch die
Verhaltenserwartungen der Bezugspersonen definiert?

Ich würde sagen, der Mensch wird durch drei Dinge geleitet: Unbewusste Verhaltensmuster bzw. Reflexe, Verhaltenserwartungen seiner Umwelt und seinen eigenen Verhaltenserwartungen. Das macht ihn in jedem Fall berechenbar, also aus meiner Sicht unfrei.
Kern der Diskussion ist, ob man eigene Verhaltenserwartungen zumindest teilweise zur Freiheit erklären kann. Ich tendiere dazu, das zu verneinen, weil mir kein Beispiel für eine eigene Verhaltenserwartung einfällt, die vollständig vom Individuum selbst generiert wird und nicht entfernt äußere Ursprünge hat.