Kennt Ihr Gödel? (Bitte nur antworten, falls Ihr über seinen Unvollständigkeitssatz bescheid wisst).
Mich würde interessieren, ob die Physik in Gödels Sinne ein formales System ist. Machen wir es uns mal einfach und nehmen wir nur die „klassische“ Physik. Dann würde ich als Axiome mal folgende verwenden:
Definition des Meters
Definition der Sekunde
Definition des Kilogramms
Definition des Amperes
Newtonsche Axiome
Newtons Gravitationsgesetz
Spezielle Relativitätstheorie
Coulomb-Gesetz
Lorentz-Kraft
Maxwell-Gleichungen
(Hab ich was vergessen oder reicht das, um die komplette klassiche Physik herzuleiten? Ist eventuell etwas zu viel? Meiner Meinung nach folgt der Energiesatz aus F=ma, der Impulssatz aus actio=reactio und die thermodynamischen Gesetze aus der statistischen Mechanik. Ob man die dissipativen Kräfte daraus ableiten kann, weiß ich nicht. Zur Not stellen wir uns ein reibungsfreies Universum vor.)
Erfüllt dieses Gebäude nun die Voraussetzungen eines formalen Systems? Falls ja: Ist dann der Satz von Gödel darauf anwendbar? Wissen wir, ob die klassische Physik in sich widerspruchsvoll oder unvollständig ist?
(Zur Klarstellung: Mir geht es um die rein theoretische Überlegung. Dass die klassische Physik ohne ART und QM die Welt nicht korrekt beschreibt, ist mir klar.)
Mich würde interessieren, ob die Physik in Gödels Sinne ein
formales System ist.
Nein, zumindest nicht im Sinne deiner Aufzählung. Zu einem Formalen System gehören ja nicht nur Axiome, sondern auch ein Kalkül, um weitere Aussagen ableiten zu können. In deiner Aufzählung finde ich aber kein solches
Du hast natürlich recht! Nun könnte man sagen: „Dann nehmen wir halt auch noch die Mathematik hinzu.“ Aber da durch Gödel für die Mathematik schon für sich gezeigt wurde, dass sie unvollständig ist, ist die Aussage für die Physik trivial.
Schade. Das wäre ein interessanter neuer Aspekt gewesen …
Du hast natürlich recht! Nun könnte man sagen: „Dann nehmen
wir halt auch noch die Mathematik hinzu.“ Aber da durch Gödel
für die Mathematik schon für sich gezeigt wurde, dass sie
unvollständig ist, ist die Aussage für die Physik trivial.
Wobei man natürlich ja auch sagen muss, dass der Sinn der Physik ist, Realität zu beschreiben. Jetzt lässt sich zwar die Realität mit Hilfe von Mathematik beschreiben - was die Physik ja auch macht - aber nicht alles was mathematisch in diesem Rahmen möglich ist, ist deswegen Realität. Nur weil sich Tachyonen z.B. im Rahmen der SRT als mathematische Lösungsmöglichkeit ergeben, bedeutet das nicht, dass es Tachyonen gibt.
Von daher gibt es IMO deswegen gar kein Kalkül in der Physik und daher lässt sich Gödels Unvollständigkeitssatz hier gar nicht anwenden.
Nur weil sich
Tachyonen z.B. im Rahmen der SRT als mathematische
Lösungsmöglichkeit ergeben, bedeutet das nicht, dass es
Tachyonen gibt.
Von daher gibt es IMO deswegen gar kein Kalkül in der Physik
und daher lässt sich Gödels Unvollständigkeitssatz hier gar
nicht anwenden.
Hm. Okay, ich hatte mich unpräzise ausgedrückt. Tatsächlich meinte ich nicht die gesamte Physik, sondern die Deduktion der physikalischen Gesetze aus den genannten Axiomen. In diesem Rahmen sind Tachyonen denkbare Lösungen. Sie wären also Teil dessen, was ich unpräzise als „Physik“ bezeichnet habe. Natürlich sind sie kein Teil der Realität.
Aber wie gesagt: Selbst über die Deduktion physikalischer Sätze erfährt man nichts Neues durch Gödels Satz, weil die Mathematik, die ja von mir impliziert wurde, ohnehin schon unvollständig ist.
Ich glaube, dass Du eine sehr interessante Frage stellst, dabei aber zu kurz greifst.
Meines Erachtens ist Physik kein formales System, da die Elemente Experimente - Modelle dazukommen, die jenseits des strengen Gödelschen Rahmens liegen.
Die eigentlich interessante Frage greift die Idee des Gödelschen Ansatzes auf, muss das aber verallgemeinern. Ich versuche mal, die Frage zu formulieren:
Ich sage mal, Physik ist der Versuch, mittels eines formalen Systems (Mathematik) messbare Vorgänge (Experimente) zu modellieren (unter Berücksichtigung gewisser Fehlergrenzen, es geht also um „reale Experimente“, nicht um idealisierte Objekte wie unendlich genaue Ortsbestimmungen usw.).
Die Gödelsche Frage wäre dann:
Ist es möglich, jedes durchführbare Experiment mit Hilfe eines formalen Systems zu modellieren und im Sinne der Fehlergrenzen zu beschreiben?
Etwas flapsig ausgedrückt wäre das auch die Frage: Ist so etwas wie die „theory of everything“ prinzipiell machbar?
Mein Gefühl antwortet auf beide Fragen mit einem klaren „Nein“, aber beweisen kann ich das leider nicht.
Ist es möglich, jedes durchführbare Experiment mit Hilfe eines
formalen Systems zu modellieren und im Sinne der Fehlergrenzen
zu beschreiben?
Ja, das ist möglich - und der Beweis ist sogar sehr simpel: Jedes Experiment besteht nur aus einer endlichen Anzahl von Messungen. Die bloße Liste der Messpunkte ist also schon ein Modell, wenn auch ein sehr unbefriedigendes. Jedes wissenschaftliche Modell enthält aber nicht mehr Information als die Liste der Daten, sondern weniger. Man möchte ja gerade aus den Daten das Verbindende, das Gemeinsame herauslesen. Und eine Eigenschaft, die jeder Messpunkt hat, ist eben genau eine Eigenschaft und nicht n Eigenschaften von n Messpunkten.
Nun könntest Du einwenden: Das Gesetz, das hinter den Messwerten steckt, kann ja auch komplizierter sein als die Zahl der Messungen. Das ist zwar richtig, aber darüber darf man ja gar nicht mutmaßen. Hat man zwei Messwerte, dann darf man allerhöchstens eine Gerade durch beide hindurchlegen (wobei das auch schon mehr als kühn wäre). Aber komplizierter als eine Geradengleichung darf das Modell auch nicht sein. Je mehr Messpunkte ich sammle, umso komplexer darf das Modell werden, aber jedes Modell das sich auf Messungen stützt, hat eben nur einen endlichen Datensatz und darf daher auch nur eine endliche Komplexität aufweisen.
Etwas flapsig ausgedrückt wäre das auch die Frage: Ist so
etwas wie die „theory of everything“ prinzipiell machbar?
Hallo! Gehört vielleicht nicht zum Thema, aber mir hat die „axiomatische“ Methode insbesondere bei LANDAU sehr zugesagt; zumindest Stand- und Spielbeine werden sichtbar. mfG
Meiner Meinung nach folgt der Energiesatz aus F=ma, der
Impulssatz aus actio=reactio und die thermodynamischen Gesetze
aus der statistischen Mechanik.
Der Energieerhaltungssatz folgt aus der Homogenitaet der Zeit, der Impulserhaltungssatz aus der Homogenitaet des Raumes und der Drehimpulserhaltungssatz aus der Isotropie des Raumes. Vielleicht nimmst Du diese Annahmen mit in dein formales System auf.