Hi!
Und interessanterweise sind alle drei Veränderungen jämmerlich gescheitert.
Jetzt machst Du mich neugierig. Die deutsche Wiedervereinigung
ist also gescheitert. Vorher lief also nicht eine der weltweit
gefährlichsten Grenzen durch unser Land? Vorher standen also
nicht hunderttausende fremder Soldaten in Deitschland? Vorher
fehlte uns also nicht die staatliche Souveränität und die DDR
war eine weltoffene Demokratie?
Natürlich ist die deutsche Wiedervereinigung jämmerlich gescheitert. Die Abschaffung der Gefahren an der innerdeutschen Grenze sind doch kein Indiz für eine gelungene Wiedervereinigung, ebenso der Abzug fremder Soldaten oder die Umwandlung der restriktiven DDR in einen weltoffenen Staat.
Fakt ist, dass die Vereinigung der beiden deutschen Staaten dilletantisch von statten ging:
a) die Ostwährung wurde viel zu schnell durch die Westwährung ersetzt, dazu noch im absolut unsinnigen Umtauschverhältnis von 1:1 (Wirtschaftswissenschaftler waren für eine Kurs von 5 Ost zu 1 West, bestenfalls 4 Ost zu 1 West). Ausnahme waren Guthaben von übr 4.000 Ostmark, hier galt ein Umtauschkurs von 2:1.
Die Folge: im Osten kostete Westware nur noch ein Viertel von dem, was man vor der Vereinigung zu zahlen hatte. Westfirmen erlebten einen Konjunkturrausch. Ostdeutsche Unternehmen mussten hingegen ihre Produkte zum vierfachen Preis anbieten. Entweder wurden diese Unternehmen von der Treuhand dicht gemacht oder von Westfirmen gegen Subventionszahlungen übernommen und anschließend wegen Überkapazitäten geschlossen. Ohne Sinn und Verstand wurden Massen von Geld investiert - besser: verbrannt. Wohn- und Gewerbeflächen entstanden, die heute keiner braucht. Der „Aufbau Ost“ war so, wie er stattfand, ein Milliardengrab.
Interessant ist, dass für diese gleichmacherische Geldpolitik ein Mann hauptverantwortlich zeichnet, der uns heute erzählen will, die Unterschiede zwischen West und Ost müßten bleiben: Horst Köhler, damals Staatssekretär im Finanzministerium. Ein prominenter Warner vor der hirnrissigen Währungsunion war Bundesbankpräsident Pöhl. Am Tag, als die Währungsunion verkündet wurde, trat er zurück.
b) Löhne und Gehälter wurden in einem irrwitzigen Tempo weitestgehend dem Westniveau angepasst
Es begann mit den Staatsdienern im Osten, die aus dem Westen importiert wurden. Im Osten arbeiten, Westgehalt kassieren, die „Buschzulage“ obendrauf - das lässt sich den Staatsdienern aus dem Osten schlecht erklären. Also wurden von Beginn an die Ost-Beamten auf Westniveau gehievt. Um Wählerstimmen zu fangen, propagierten SPD _und_ CDU den Slogan „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Selbst die Unternehmer zogen bei den Tarifverhandlungen mit, angeblich aus Gründen der „nationalen Solidarität“. In Wahrheit versuchten die Unternehmen drohende Konkurrenz im Osten Deutschlands zu unterdrücken. Man stelle sich vor, im Neufünfland würden die Lohnkosten nur ein Drittel des Westens betragen - was für ein Paradies für Investoren aus dem Ausland! Also wurde in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften ein Flächentarif geschlossen, der den Osten für Investoren schlicht uninteressant machte - und Westfirmen unliebsame Konkurrenz vom Halse hielt.
c) Menschen, die ihr ganzen Leben lang nie einen einzigen Beitrag in die Sozialkassen geleistet hatten, bezogen von Beginn an Leistungen, sei es Rente, Arbeitslosengeld oder ähnliches
Bereits 1990 waren die Sozialsysteme an die Grenzen gestoßen. Reformen waren da schon dringend erforderlich. Statt diese Reformen anzugehen, wurde der deutsche Patriotismus salonfähig und alles, aber auch wirklich alles auf die lange Bank geschoben und bei Nachfrage die Belastung der Finanzsysteme mit der „nationalen Aufgabe der Wiedervereinigung“ begründet (heute noch reitet der Bundesfinanzminister diesen Esel, wenn es um den Verstoß gegen den Euro-Stabilitätspakt geht).
Das Rentensystem wurde durch den Beitritt von Rentnern, Frührentnern und Sozialrentnern endgültig vor die Wand gefahren. Obwohl keiner von ihnen irgendeinen Beitrag geleistet hat, wurde und wird gezahlt. Es gibt Leute, die nennen das „nationale Solidarität“. Ich nenne das Wahnsinn.
Um den Staatshaushalt in Form von Steuermitteln nicht zu belasten, wurden die Kosten für die DDR-Rentner auf die Sozialkassen abgewälzt. Die Gleichmacherei der Rentner Ost und Rentner West führte logischerweise zu erhöhten Lohnnebenkosten. Was die westdeutschte Wirtschaft schwächt - zusätzlich zu den Transfermilliarden, in im Osten verpufften und für Investitionen im Westen fehlten.
d) der Osten wird durch Geldtransferzahlungen davon abgehalten, eine überlebensfähige Wirtschaftskraft zu entwickeln
Wirtschaftskraft und Lebensstandard bedingen sich gegenseitig, das können wir in den Unterschieden zwischen z.B. Schwaben und dem Emsland sehen. Der Osten Deutschlands liegt in seiner Wirtschaftskraft etwa bei 60% des Westniveaus, hat aber einen 80%igen Lebensstandard erreicht. Der Grund liegt in den seit 15 Jahren währenden Transferzahlungen. Und vermutlich werden diese Leistungen noch weitere 40 Jahre andauern. Das Anspruchstellen auf finanzielle Unterstützung verhindert im Osten das Entstehen des für den Mittelstand so notwendigen Bürgertums - und dem daraus resultierenden wirtschaftlichen Aufstiegs.
e) Die Menschen im Osten haben eine grundlegend andere Sicht auf die wirtschaftlichen und politischen Dinge in diesem Land als die Menschen im Westen.
Als die Menschen im Osten „Deutschland, einig Vaterland“ riefen, ging es ihnen um eine Verbesserung ihres privaten wirtschaftlichen Zustandes. Nicht umsonst war die Einführung der D-Mark im Osten das eigentliche Freudenfest. Dass mit der Vereinigung aber auch eine völlig andere gesellschaftliche Kultur über die Menschen zwischen Ostsee und Erzgebirge hereinbrach, haben viele gar nicht wahr haben wollen. Laut Allensbach hielten 1990 77% der Ostdeutschen das Wirtschaftssystem des Westens für gut, elf Jahre später waren es noch ganze 21%. Mehr als die Hälfte der Ostdeutschen hält den Sozialismus bis heute für die bessere Staatsidee, der allerdings schlecht ausgeführt wurde. Fragt man einen Wessi und einen Ossi, was wichtiger ist, Freiheit oder Gleichheit, so nennt der Westen die Freiheit. Im Osten votiert man für die Gleichheit.
f) die Euphorie der Wiedervereinigung hat in Deutschland bis jetzt zu einer 15jährigen Verzögerung bei notwendigen Reformen geführt.
Die alte Bundesrepublik war Ende der 1980er renovierungsbedürftig. Doch die Ereignisse des 9.November 1989 haben alle verantwortlichen Kreise in einen Taumel versetzt. Nichts war mehr wichtig - außer der deutschen Wiedervereinigung. Jede Art von Reform wurde beiseite geschoben. Heute jammern wir der verlorenen Zeit hinterher. Und stellen nach 15 Jahren wiedervereinigtes Deutschland fest, dass sich die Menschen aus Ost und West recht wenig zu sagen haben. West und Ost sind noch immer zu unterschiedlich und werden es wohl auch auf Dauer bleiben. Ein signifikantes Zeichen dafür ist die unterschiedliche Gesellschaftsstruktur. Sind die Menschen im Osten auch geistig im Westen angekommen? Ich glaube nicht. Die „Ostalgie“ spricht Bände.
Auch wenn Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl weg sind, die Rote Armee nach Hause gefahren ist und Deutschland völlständige nationale Souveränität erhalten hat (und Bushaltestellen in Mecklenburg-Vorpommern überdacht werden) - die Wiedervereinigung halte ich für gescheitert. Es wächst nicht zusammen, was nicht zusammengehört.
Grüße
Heinrich