Ist es Eifersucht? Ist es Besitzergreifung?

Hallo,

[zweite Situation: Konkurrenz]

Aber eigentlich ist das doch
lächerlich so zu denken und es gibt genügend Leute, die es
schaffen nicht in solche Zustände zu verfallen.

nicht immer. In manchen Situationen halte ich es für durchaus angemessen, wenn Du Deine Interessen wahrst. Nehmen wir z.B. an, Du hättest mit jemandem zusammen ein sehr gutes Referat gehalten (Du bist ja Studentin), aber nur die Kommilitonin fällt dem Dozenten positiv auf, weil sie Deinen Beitrag totschweigt und sich in den Vordergrund stellt. Ist es dann nicht gerechtfertigt, mit Konkurrenzverhalten zu reagieren?

Wenn Du später im Berufsleben stehst, dann ist es sogar "lebens"wichtig, die Interessen zu verteidigen, sonst ist die Karriere ganz schnell zu Ende, Du stehst auf der Straße und andere bekommen statt Dir Geld und Ansehen.

Im dritten Fall …

Eher andersherum. Ich befürchtete, daß die Freundin mir in der
Gruppe sozusagen den Rang ablaufen würde (was an sich eher
unrealistisch ist - sagt mein Kopf)

verstehe. Das ist für mich auch ein Fall von Eifersucht.

Auch wenn Du sagst, daß das bei mir noch eine relativ normale
Form des Egoismus (das meintest Du doch, oder?) ist

Ich möchte nicht beurteilen, ob Du im allgemeinen ein normales Maß an Egoismus zeigst. Denn ich kenne Dich zu wenig. Aus den drei Situationen allein ein Urteil über Dein Verhalten generell abzuleiten, halte ich für nicht möglich.

und
Egoismus an sich nichts schädliches sein muß,

Es kommt auf das Ausmaß an, meine ich.

bin ich doch
bestrebt in diesem Bereich an mir zu arbeiten.

Dann hältst Du das Ausmaß an egoistischen Gefühlen und Handlungen bei Dir für zu groß, oder? Warum?

Ist das eigentliche Problem vielleicht ein
unrealistisches Idealbild von mir, welches ich anstrebe und
unweigerlich zu Rückschlägen führt?

Vielleicht. Um das beurteilen zu können, müßte ich Dich besser kennen und wissen, wie Du im allgemeinen in solchen Situationen reagierst. Außerdem müßte ich die Situationen und die Verhaltensweisen der anderen beteiligten Personen kennen. Das Gleiche gilt für die Frage nach Ratschlägen, wie Du besser mit Konkurrenz umgehen oder Deine egoistischen Verhaltensweisen reduzieren könntest. Ohne Dich genauer zu kennen, finde ich es schwierig.

Grüße

Bzw.: Ist das eigentliche Problem vielleicht ein
unrealistisches Idealbild von mir, welches ich anstrebe und
unweigerlich zu Rückschlägen führt?

Vielleicht, Sylphe.
Julius Caesar marschierte einmal mit seinen Soldaten an einem kleinen Dorf in den helvetischen Bergen vorbei. Bei dieser Gelegenheit sagte er zu seinen Begleitern: „Malo hic esse primus, quam Romae secundus.“ (Ich wäre lieber hier der Erste, als in Rom der Zweite.)
Aber das hinderte ihn auch nicht daran, später doch noch der Erste in Rom zu werden.

Ich glaube, dass Du ähnlich empfindest und nur Dein kleines helvetisches Dorf bisher noch nicht gefunden hast.
Grüße
Eckard

Hi Sylphe,

warum es mich stört, daß jemand anders „mein Lied auch hat“ oder
„meinen Themenbereich besetzt“ wird mir nicht klar.
Meinst du damit, daß ich die Mißhandlung dieser Objekte fürchte?

Ob du das fürchtest, kannst nur du selbst wissen. Wenn dein

weil ich dann das Gefühl hätte etwas würde mir weggenommen, oder die Person ist „das Lied nicht wert“

so gemeint ist, wie du es schreibst, würde ich sagen, ja. Aber das Gefühl hat noch eine andere viel stärkere Komponente: Eben die deiner Identifizierung mit dem Objekt - natürlich nur in diesem Interpretationsmodell. Aber die neheliegenden Schienen „Eifersucht“, „Stolz“, „Besitzdenken“ usw. scheinen mir zu oberflächlich für das, was du beschreibst.

Auch „Egoismus“ scheint mir zu peripher. Das, was du beschreibst, ist ein narzißtisches Phänomen, kein egoistisches. Egoismus ist eine Handlungsweise, du beschreibst aber ein Gefühl.

Identifizierung besagt, daß deine geliebten Objekte zu dir gehören, mehr noch: daß sie zu deinem erweiterten Selbst gehören, daß sie DU sind. Damit werden sie für dich zu etwas Sakralem, das vor profanen Eingriffen geschützt werden muß.

Es ist also weniger ein „Mißbrauch“ zu nennen (und wenn, dann somit nicht am Objekt, sondern an dir selbst), vor dem du die Objekte bewahren zu müssen glaubst, sondern eher ein „Sakrileg“.

Dazu kommt dann, daß die von dir genannten Beispiele ja keine Individuen sind, keine singulären Objekte, sondern solche, die per definitionem Objekte sind, die logischerweise auch für andere Bedeutung und Engagement haben können.

Gibt es auch singuläre, materielle Gegenstände, mit denen es dir genauso geht? Also solkche, die andere nicht in die Hand nehmen dürfen?

Gruß

Metapher

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Liebe Sylphe,

ich kürze mal:

* Ich kenne ein Lied und möchte es einer bestimmten Person
nicht zeigen, weil ich dann das Gefühl hätte etwas würde mir
weggenommen, oder die Person ist „das Lied nicht wert“.

Vielleicht hast du einfach Angst, dass die andere Person dir mit Kritik oder dummen Bemerkungen die Freude daran nimmt?

* Ich habe in einer Gruppe einen bestimmten, für mich
persönlich wichtigen Bereich, welcher aber jahrelang
vernachlässigt wurde „übernommen“ und versuche eine neue
Belebung zu erreichen. Jetzt machen sich zwei andere daran in
der Gruppenzeitung diesen Themenbereich aufzugreifen. Auch
hier habe ich das Gefühl mir würde ein Teil von mir
weggenommen.

Du hast die Verantwortung übernommen, hast bestimmte Vorstellungen, weil dir der Bereich persönlich wichtig ist. Nun kommen die anderen und du hast einfach Angst, dass dir alles aus der Hand genommen wird. Du müsstest dich durchsetzen und das siehst du irgendwie nicht, bzw. weisst nicht, wie du das machen sollst. Wer zuerst kommt, mal zuerst, aber dazu muss man sich behaupten. Sicher gibt es eine gemeinsame Lösung. Aber auch in einem Team müssen die Vorstellungen abgesprochen sein und durchgesetzt werden. Vielleicht bist du damit überfordert? Du gehst davon aus, dass sie das an sich reissen und deine Vorarbeiten umsonst waren.

* Eine enge Freundin wollte zu eben jener Gruppe für einen
Abend dazustoßen was mich mit Näherkommen des Abends immer
unglücklicher machte. Hatte ich Angst, daß sie beliebter ist
oder ist es nur wieder die Sorge, daß mir „mein Eigentum“
entrissen wird.

Vertraust du deiner Freundin? Hast du ihr von deinen Problemen erzählt? Dann müsstest du sie doch als Unterstützung sehen. Oder fühlst du dich durch sie unter Druck gesetzt, weil sie automatisch die Führung übernimmt? Das ist doch offensichtlich die Gruppe, in der jeder erst noch seinen Platz finden muss. Du bist verunsichert. Vielleicht hat das auch mit deinem Selbstbild/Selbstwert zu tun.

Meine Fragen sind also:
* Wie heißt das von dem ich da spreche?
UND
* Was kann ich dagegen tun? (bzw. wie kann ich lernen damit
umzugehen?)

Tja, dazu kann ich leider nichts sagen. Ich würde vermuten, dass du das schon richtig machst, weil du die Frage angehst.
Viele Grüße
Makarena

Hallo,

In manchen Situationen halte ich es für durchaus
angemessen, wenn Du Deine Interessen wahrst. Nehmen wir z.B.
an, Du hättest mit jemandem zusammen ein sehr gutes Referat
gehalten (Du bist ja Studentin), aber nur die Kommilitonin
fällt dem Dozenten positiv auf, weil sie Deinen Beitrag
totschweigt und sich in den Vordergrund stellt. Ist es dann
nicht gerechtfertigt, mit Konkurrenzverhalten zu reagieren?

Aber muß es unbedingt Auge um Auge gehen?
Das ist zwar eher eine philosophische Frage, aber - blos weil andere mir gegenüber Konkurrenzverhalten zeigen, muß ich doch nicht genau so reagieren.
Praktischer ist es vermutlich. Leider.

[…]

bin ich doch
bestrebt in diesem Bereich an mir zu arbeiten.

Dann hältst Du das Ausmaß an egoistischen Gefühlen und
Handlungen bei Dir für zu groß, oder? Warum?

@zu groß: Ja
@warum: Weil ich moeglichst einem Menschenbild entsprechen will, dass ich gut finde. Egoismus ist ein Zug/eine Eigenschaft (?) der/die wenig Platz hat. Freilich muß man den Egoismus zu einem gewissen Anteil akzeptieren aber … naja… ich finde mich öfters zu egoistisch :smile:

@Ferndiagnose: Warum ist die Sache mit denen auch immer so schwer? …

Grüße,
sylphe

Hallo Metapher,

Auch „Egoismus“ scheint mir zu peripher. Das, was du
beschreibst, ist ein narzißtisches Phänomen, kein
egoistisches. Egoismus ist eine Handlungsweise, du
beschreibst aber ein Gefühl.

In Asendorpfs Psychologie der Persoenlichkeit heisst es, daß Narzißmus gekennzeichnet ist „[…] durch Selbstüberschätzung, mangelnde[r] Empathie, Überempfindlichkeit gegenüber Kritik und Stimmungsschwankungen“. Weiterhin steht dort: „Narzißmus, gemessen durch den NPI, geht mit Selbstüberschätzung und starken Schwankungen des Selbstwertgefühls und der Stimmungslage einher, die auf einer besonderen Sensitivitaet gegenueber Lob und Kritik beruhen. Das Selbstwertgefühl ist bei Narzissten also positiv aber fragil.“

Bis auf den Teil mit der Sensitivitaet gegenueber Lob und Kritik (wobei ich nicht beurteilen kann ob diese bei mir „besonders“ ausgepraegt ist), kann ich mich mit dieser Beschreibung nicht so recht identifizieren. Oder ist „narzißtisches Phänomen“ nicht gleich „Narzist sein“?

Gibt es auch singuläre, materielle Gegenstände, mit denen es
dir genauso geht? Also solkche, die andere nicht in die Hand
nehmen dürfen?

Nein, mir fallen keine ein. (bzw. Ich zähle tagebuchartige Aufzeichnungen nicht dazu)

Grüße,
sylphe

)

sylphe

‚narzißtisch‘ nicht gleich ‚narzißtisch‘
Hi Sylphe,

„narzißtisch“ war hier nicht (wie auch umgangssprachlich meist) im psychopathologischen Sinne der sog. „narzißtischen Störung“ aufgefaßt. Auch nicht im Sinne der „Narzißtischen Persönlichkeitsstörung“. Da gibt es eine rechte Begriffsverwirrung. Siehe auch FAQ:920.

Ich meinte es hier im Sinne einer wesentlichen Komponente der Persönlichkeitsstruktur. Derjenigen nämlich, die mit der Selbstbezüglichkeit des Subjekts zu tun hat (Selbstbild, Selbstwert usw.) und von der aus dann auch die persönliche Art und Weise des Objektbezugs reguliert wird. Also wie es bei Kohut, Kernberg, Alice Miller verstanden wird. In der frühen Psychoanalyse hatte man darunter eine Stufe der Persönlichkeitsentwicklung verstanden, nämlich die, in der auch der Erwachsene in bestimmten Krisensituationen „regredieren“ kann.

Das Tagebuch - eben weil es für andere Leser in der Regel „tabu“ ist - ist ja auch ein Ausdruck der auf sich selbst bezogenen Anteile der Persönlichkeit. Erst wenn diese Anteile „gekränkt“ (Miller) oder „gestört“ werden, entweder aktuell-situativ oder generell in der persönlichen Entwicklung, kommt es zu problematischen Formen des Verhaltens und Erlebens.

Gruß

Metapher

Hallo,

nur kurz zum letzten Punkt:

@Ferndiagnose: Warum ist die Sache mit denen auch immer so
schwer? …

weil das, was über das Internet erfahrbar ist, keine eindeutigen Schlüsse zuläßt. Wir Psychologen und auch die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen brauchen für eine Diagnose mehr Informationen, als sie über das Internet zu bekommen sind. Zu diesen Informationen gehören u.a. welche aus den Erfahrungen im persönlichen Kontakt (Mimik, Gestik, Sprechverhalten). Darüber hinaus braucht man für eine Diagnose Informationen über den bisherigen Lebensverlauf, über bisherige und bestehende Krankheiten, über die evtl. Einnahme von Drogen, Alkohol, Medikamenten, über die Persönlichkeit, die Familie, ggf. medizinische Untersuchungen. Erst auf Basis dieser Informationen kann man guten Gewissens eine Diagnose stellen.

Grüße