Hallo, ich bin kein Psychologe und kenne dich kaum. Es wäre also fast anmaßend, mir ein Urteil zu erlauben.
Ich kann erzählen, welche Gedanken ich mir hinsichtlich der Onlinekontaktbörsen gemacht habe, die ich selber, auf der Suche nach einer Partnerin, schon genutzt habe.
Mir wurde dabei folgendes klar. Das meiste, was wir an Zuneigung und Libe, an Hingezogenheit und Bindung empfinden ist, ich nenne es mal „selbstgemacht“. Es fußt nur ansatzweise auf einer außen liegenden Realität. Warum ich das glaube?
Wenn ich in einer Partnerbörse online mit einer potentiellen Partnerin in Kontakt trete und für sie Gefühle der Zuneigung entwickele oder sich ein Verliebtsein einstellt, kann ich nie sicher sein, dass das, was mir diese Gefühle beschert, auch seinen Ursprung in der Realität hat.
Vielleicht hat die Frau ein anderes Foto verwendet oder ihr Alter geschönt. Solange ich das nicht erfahre, ändert das nichts an meinem Gefühl zu ihr. Dieses ist also unabhängig von der Realität und wird bestimmt durch das, was ich glaube, was wirklich ist.
Man könnte noch weiter denken. Vielleicht ist die Frau ein Mann, der sich einen Scherz erlaubt. Solange ich das nicht weiß, dass das Profil gefaket ist, wird sich für mich nichts ändern: Ich kann es kaum erwarten, zu einer bestimmten Zeit den Rechner an zu schmeißen, wir schreiben uns, ich liebe es wie „Sie“ auf mich eingeht, ich mache mir Phantasien und habe Hoffnung.
Oder noch einen Schritt weiter - die Nachrichten die ich bekomme werden gar nicht von einem Menschen verfasst, sondern von einer intelligenten Software, die kontextbezogene, automatisierte Antworten versendet (so etwas gibt es schon). Solange ich das nicht weiß, wird sich an meinem Liebesgefühl nichts ändern, es sind die gleichen Hormone aktiv, wie bei einer Realen begehrenswerten Person.
Diese Hormone (die sind real, physisch vorhanden, nachweisbar) steuern mein Denken und Handeln, selbst wenn ich mich in den Output eines Sprachcomputers und das hübsche Foto einer beliebigen Frau verschossen habe. Ich bin derjenige, der die Worte interpretiert und der Phantasien rund um das Foto entwickelt, die sich gründen auf bisherigen Erfahrungen meines Lebens.
Was aber, wenn ich in einer Kneipe eine Frau sehe, sie anspreche und es funkt zwischen uns, wo ist der Unterschied? Ich sage, er ist relativ gering. Auch in dieser Situation bin ich ja derjenige, der seine Wahrnehmung interpretiert. Ich sehe sie, die optischen Impulse werden neuronal eingeordnet, mit bisherigen Erfahrungen verglichen und lösen etwas in mir aus. Ich höre was sie sagt, die Stimmfrequenz läßt mich auf eine bestimmte Weise reagieren. Ich interpretiere das gesagte, weise ihm Bedeutung zu, was mir möglich ist, weil ich schon viele Jahrzente praktische Erfahrung darin habe. Aber ich bin derjenige der das tut. Wenn die Frau in der Kneipe eine Schauspielerin ist (Versteckte Kamera), die rein gar nichts für mich empfindet, das aber einfach nur gut unglaublich überzeugend spielen kann, es wird nichts daran ändern, dass in mir ein Feuer brennt und ich Scharf auf sie bin.
All das geschieht in mir und meine Reaktionen (Herzklopfen, erhöhte Aufmerksamkeit, Freude, Ausgelassenheit, Annäherungsversuche, Flirtsignale…) resultieren aus dem Ergebnis dieser „Auswertung von Wahrnehmungen“. Das Äußere reale ist quasi nur Katalysator für diesen meinen Hormoncoctail, dessen Vorhandensein ich durch meine Gefühlslage „erkenne“.
Ist es also von Belang, wenn da jemand seinen Status ändert oder du erfährst, dass deine Angebetete auch mit anderen Typen Kontakt hat? Es geschieht sowieso in dir, du bist der Interpret deiner Wahrnehmung und dies ist die einzige Realität, zu der du Zugang hast.
Natürlich heißt das nicht, dass also jede Begegnung, jede Beziehung eine Illusion ist. Aber vielleicht sensibilisiert dich das für das, was mit dir passiert, wenn du von Gefühlen überwältigt wirst. Jedoch, wir brauchen Kontakt und ein Gegenüber, um glücklich zu sein. Sich seiner Realität annähern gelingt nur über Kommunikation und mir scheint die Onlinekommunikation fatal, weil ein wahrhaftiger Austausch durch das Medium vernebelt wird.
Mein Buchtip: Die Macht der inneren Bilder von Gerald Hüther. Nichts esotherisches, hoch wissenschaftlich aber leicht zu lesen und sehr erhellend.
Was dein Wunsch nach einer guten Liebesbeziehung anbelangt, noch ein Buchtip: Fünf Lügen die Liebe betreffend von Michael Mary. Ich glaube, den Anspruch irgendeinem Ideal einer Beziehung entsprechen zu wollen wirst du nach dem Lesen guten Gewissens fallen lassen können. Das sollte jeder für sich selber feststellen, was es ist, was er braucht und das ist individuell soooo unterschiedlich.
Wenn du am Bildschirm Weinkrämpfe bekommst, könnte das eine Reaktion auf das Gefühl, zurückgewiesen, abgelehnt worden zu sein, sein. Da würde ich den Rahmen der Therapie mal dafür verwenden, herauszufinden, wo das herkommt. Gibt es tiefe Verletzungen in deiner Vergangeheit, die du in die Gegenwart herüberschleppst.
Bei der Entscheidung Ergotherapie sollte zuallererst überlegt werden, was ist das Ziel eines solchen Schrittes? Ist Ergotherapie die geeignete Methode, dieses zu erreichen? Welche anderen Wege zum Ziel gibt es noch? Welche versprechen die größte Wirkung?
Viel Glück und ich würde mich über ein kurzes Feedback sehr freuen. Habe ich hilfreiche Worte gefunden oder an dir vorbeigeredet?