Aber natürlich
Kann Gott ein Gegenstand machen, der so schwer ist, dass er
ihn nicht tragen könnte?
Wie auch immer jemand antwortet, scheint doch die
Nichtallmacht Gottes bewiesen zu sein. Wo ist der Fehler?
Hallo Andreas,
ich glaube, in dem Gleichnis war der „Gegenstand“ ursprünglich ein Stein, aber das tut ja nichts zur Sache.
Letzten Endes möchte dieses Bild die Möglichkeit von Allmacht überhaupt in Frage stellen. Und hier zeigt sich wieder die Wichtigkeit klarer Vorabdefinitionen: Ist „Allmacht“ für uns nur das, was auch Sätzen mit logisch-unmöglichen Inhalten widersprechen kann? Dann gäbe es für uns (!) in der Tat keine Allmacht. Oder ist „Allmacht“ etwas, was nur empirisch-unmöglichen Erfahrungen widersprechen kann, solange sich alles noch im Rahmen der Logik befindet? Dann wäre Allmacht in Ordnung.
Oder anders: Wenn man gut aufpasst, entdeckt man in der scheinbar provokativen Frage einen Begriff, den sie sich unbemerkt (und unerlaubt) in zwei unterschiedlichen Bedeutungen zunutze macht: „können“. Das erste „können“ ist ein logisches, im Sinne von „möglich sein“, „denkbar sein“, „als logisch widerspruchsfreier Satz formulierbar sein“. Das zweite „können“ ist ein empirisches, im Sinne von „stark genug sein“. Ob die Winkelsumme 180 Grad beträgt, hat ja nichts mit Stärke oder Kraft zu tun, sondern ist einfach ein Resultat mathematischer Sätze. Ob ich jedoch im Armdrücken siege oder verliere, hat wiederum nicht viel mit Logik zu tun, sondern hier wird schon vorausgesetzt, dass es logisch denkbar ist. Die Realität zeigt dann, ob ich in der Vergangenheit genügend Nahrung zu mir genommen und trainiert habe oder nicht.
Man kann ähnliche sprachliche Griffe auch mit anderen Verben machen: „Laufen Ameisen weiter als Wasserhähne?“ Wenn Ameisen und Wasserhähne nicht bekannt wären, wäre dieser Frage noch schwieriger auf die Schliche zu kommen, da das „Laufen“ hier nur einmal erwähnt wird, obwohl es sich an einer zweiten Stelle, noch dazu in einer völlig anderen Bedeutung, versteckt.
Das eben genannte ausschmückende Beispiel sollte nur auf die Relevanz der Berücksichtigung von Teekesselchen-Fallen der Sprache hinweisen („laufen“ und „laufen“, „können“ und „können“ usw.). Allerdings ist die Teekesselschen-Problematik beim Wort „können“ subtiler. Ähnlich subtil ist sie aber auch bei den Wörtern „sein“ oder „müssen“. Kann man Einhörner „Seiende“ nennen? Nein, natürlich nicht. Und warum? Klar: Sie sind Phantasiegeschöpfe. Hoppla, dann muss man sie doch „Seiende“ nennen, nämlich „Phantasiegeschöpfe Seiende“.
Oder: Hört ein Außerirdischer einen Texaner reden: „Verurteilte Mörder müssen sterben“, und hört später von dem selben Texaner den Satz „Alle Menschen müssen sterben“, wird er sich vielleicht fragen, ob jeder Mensch denn ein verurteilter Mörder sei.
Oder: „Gott muss gar nichts. Er ist ja frei. Aber er muss gewaltig sein.“ Was muss Er denn nun? „Gar nichts“ oder „gewaltig sein“?
Außerhalb der Logik gibt es keine Möglichkeiten. Also auch keine, die man einander gegenüberstellen könnte. Und das ist ein weiterer der vielen Zugänge zur Demontage des Argumentes. Schließlich tut es so, als ob etwas Unlogisches möglich sei und Gott, der Erhabene, diese Möglichkeit nicht wahrnehmen könne.
Es ist nämlich nicht Gott, der etwas nicht kann, sondern es ist die Sprache, die etwas nicht kann, wenn sie sich gleichzeitig an die Regeln der Logik halten möchte. Insofern dient der Begriff „er/sie kann XY nicht“ auch als Abkürzung für „man kann im Falle der Einhaltung dieses oder jenes Regelsystems XY nicht sagen.“ - Wir sagen beispielsweise auch: „Du kannst nicht bei Rot über die Straße gehen.“ Klar kannst Du das, aber gemeint ist, dass es sich nicht gehört.
Es ist empfohlen, sich einmal die Frage zu stellen, warum es sich der Erfinder jener Frage es sich nicht leichter gemacht hat, z.B.: „Kann Gott sich selbst vernichten?“ Die Frage ist jedoch unglücklich (darüber hinaus aus theistischer Sicht ungebührlich) formuliert und müsste eigentlich, wenn überhaupt unter Zuhilfenahme des Wörtchens „können“, lauten: „Kann man denken, dass Gott sich selbst vernichtet?“
Man merkt, man kann sprachlich vieles „beweisen“, wenn man nur geschickt genug oder der Zuhörer unaufmerksam genug ist. Die Wahrheit selbst bleibt dabei unberührt.
Die monotheistischen Religionen (zumindest nicht der Islam) behaupten nirgendwo, die Allmacht Gottes beinhalte auch die Möglichkeit logischer Widersprüche. Allmacht ist so per definitionem alles, was sich im logischen Rahmen abspielt - dem Gewicht des Steins ist nach oben hin keine Grenze gesetzt, er kann so schwer sein wie er will, also ist Gott Inhaber von Allmacht.
Hinzu kommt übrigens: Wäre Allmacht per definitionem etwas, das auch logische Widersprüche einschließt, wäre der Begriff in sich widersprüchlich und damit sinnlos und letzten Endes inhaltsleer. Genau wie „Ist Gott allmächtig?“ könntest Du dann auch sinnfreierweise fragen „Ist Gott etwas, was es sowieso nicht geben kann?“ oder „Ist Gott üzrid?“ o.ä. Mit Allmacht ist also einfach alles gemeint, was an logisch Nicht-Widerspüchlichem möglich ist. Und das ist unendlich viel. (Unendlich reicht ja wohl, oder
?)
So spielt sogar für die größten Gegner der Gottesbeweise unter den Denkern und Logikern der Menschheitsgeschichte wie beispielsweise Immanuel Kant der Kniff mit dem Stein keine Rolle, obwohl er schon sehr alt ist. Schon der islamische Theologe al-Ghazzâli im 11. Jahrhundert hatte ihn erwähnt, und sicher viele andere vor ihm.
Ich persönlich finde, dass man intuitiv ganz leicht zur Erkenntnis um die Existenz des allmächtigen Gottes kommen kann (wenn es da keine inneren Barrieren gibt). Sobald es jedoch ins Sprachliche geht, kann es ganz schön kompliziert werden, da die Sprache und die unterschiedlichen Definitionsgewohnheiten der Menschen nunmal komplex sind…
Viele Grüße,
Mohamed.