Ist unser Rechtssystem hier vom Kurs abgekommen?

Folgendes ist los:

SPON | „U-Bahn-Treter“

Ist ja nett, dass er sich im zweiten Anlauf (… :angry: …) entschuldigt (ein Schelm, wer böses dabei denkt) und ein Geständnis ablegt (alles andere wäre ja auch grotesk), aber eine Sache ist meines Erachtens doch eher merkwürdig:

rbb | „U-Bahn-Treter“

Bei einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung droht dem Mann eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Das ist kein Mordversuch? Warum?

Die Sache mit dem Alkohol und den Drogen hat ja zunächst noch keinerlei Auswirkung…


Zum Vergleich:

ZON | Autorennen

Es ist Montagmorgen, kurz nach elf Uhr, im Saal 700 des Kriminalgerichts Moabit. Sekunden vorher wurde Hamdi H. wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Das war „ausversehen“ passiert; die beiden wollten niemanden töten:

Natürlich hätten die beiden Männer keine Tötungsabsicht gehabt, sagt selbst der Richter in seiner Begründung.

Klar, die Höchststrafe ist angesagt … aber doch nicht für Mord im klassischen Sinne. :confused:


Der sogenannte „U-Bahn-Treter“ hatte hingegen sehr offensichtlich „vorsetzlich“ gehandelt, während die Dame gleichzeitig sehr viel Glück hatte. Jeder Dummkopf weiß, dass ein solch zielgerichteter „Anschlag“ (Treppe und so…) potenziell tödlich ist.

Oder wäre die Anklage anders ausgefallen, wenn die Frau es nicht überlebt hätte?

Gruß Oberberger

PS: Irgendwas stimmt hier nicht, glaube ich…

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Möglicherweise ist der Begriff „Rechts“ mittlerweile so tief verankert, …

Franz

Puuh :cold_sweat:,

„Rechtssystem“ ist rchtig; hab’s gerade gegoogelt…

Jaja, wissen wir beide.

Eigentlich gilt hier die gleiche Aussage wie immer - wenn man nicht alle Fakten kennt, kann man den Sachverhalt nicht wirklich beurteilen. So ein Prozess dauert nicht umsonst eine ganze Weile. Eben weil der Richter sein Urteil nicht aufgrund eines 20-zeiligen Zeitungsartikels fällt.

Mord kommt nicht in Frage, da die Frau „nur“ verletzt wurde. Höchstens Mordversuch. Ob die dafür erforderlichen Merkmale vorliegen, entscheidet das Gericht. Es ist so, dass der Einfluss von Alkohol oder Drogen oft dazu führt, dass die im Gesetz beschriebenen Merkmale für Mord nicht erfüllt sind. Kann man schlecht finden, es wird auch darüber diskutiert, aber das zu ändern ist Sache der Legislative, nicht der Judikative.

Immer diese verstümmelten Zitate… :expressionless:

Davon kannst du ausgehen.

Das hatte ich doch geschrieben…

Aber, Danke für die Antwort!

Okay, ist angekommen… :wink:

Ist das nun Antiziganismus? Er zeigt doch Reue?

dürfen keine Entschuldigung sein. IM GEGENTEIL!!!
Wenn sich jemand nach Alkohol oder Drogen nicht mehr im Griff hat, dann muss der Rest der Bevölkerung vor solchen Leuten geschützt werden.

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Das kann man durchaus so sehen, ja.
Trotzdem ist es die falsche Adresse, die Gerichte dafür zu beschimpfen, wie es dann gerne getan wird.
Hier ist zunächst mal der Gesetzgeber derjenige, der die Grundlage dafür zu schaffen hätte.

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Es fehlt die Tötungsabsicht.

Es kommt nur sehr selten vor, dass jemand (in diesem Alter) bei einem Treppensturz zu Tode kommt. Aber relativ oft, wenn man von einem auf hundert Stundenkilometer beschleunigten Objekt von ca. 1000kg Masse getroffen wird.

Vorsätzliche, gefährliche KV mit Todesfolge. Ist aber ebenfalls mit max. zehn Jahren belegt, Nur die Mindeststrafe ist etwas höher.

Gruß
vdmaster

https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__323a.html

Dafür aber müsste erst einmal eine Schuldunfähigkeit erwiesen sein. Ich glaube nicht, dass sich die Richter im vorliegenden Fall einlullen lassen.

Gruß
vdmaster

Ist er Sinti/Roma?

Nicht jeder Angehörige der türkischsprachigen Minderheit in Bulgarien ist dies.

Der Treppensturz wurde aber heimtückisch und mit voller Absicht herbeigeführt, während der Autounfall Mord, mehr oder weniger, unabsichtlich geschah. Das ist es, was mich hierbei stört.

Gruß Oberberger

Warum?

Also erst mal hatte ich niemanden „beschimpft“ und der Gesetzgeber könnte ja durchaus einen eigenen Straftatbestand bezüglich „Opfer von Autorennen“ schaffen. Das wäre dann eine „saubere Lösung“.

Gruß Oberberger

Zum Glück haben wir keine gelenkte Rechtsprechung mehr, und dürfen Richter immer noch unabhängig urteilen. Und selbst unsere Staatsanwaltschaften haben recht freie Hand in der rechtliche Würdigung von Sachverhalten, ohne dass ihnen jemand erzählt, wie sie Dinge zu sehen hätten.

Die Abgrenzung des bedingten Vorsatzes ist eine juristisch ganz schwierige Sache, und hierzu kann man in einem freien Land daher glücklicherweise unterschiedlicher Meinung sein. Ich für meinen Teil habe mit dem Urteil zum Autorennen da durchaus Schwierigkeiten, und habe diese ja auch hier recht umfassend dargelegt. Insoweit sehe ich mich bzgl. des hier zu verhandelnden Ereignisses eher darin bestätigt und bestärkt, dass auch andere Juristen diese Grenze offenbar in vergleichbarer Form sehen.

Die Tat, um die es hier geht, ist keinesfalls zu beschönigen, nicht zu verharmlosen, nicht zu entschuldigen, … Aber die in der Laiensicht immer gerne geforderte höchstmögliche Strafe, zu deren Erreichung man dann eben die Auslegung der passenden oder auch unpassenden Paragraphen hinbiegen muss, steht einem Rechtsstaat nun mal nicht gut zu Gesicht.

Die Lebenserfahrung zeigt, dass man Treppenstürze mit schöner Regelmäßigkeit durchaus überlebt. Teilweise ohne besondere Verletzungen, teilweise mit erheblichen Verletzungen. Todesfälle kommen vor, sind aber eben alles andere als der erwartete Regelfall. Wer jemand anderem unvermittelt auf einer Treppe in den Rücken tritt, weiß und will, dass dieser sich (schwer) verletzt. Hierin aber auch bereits eine Gleichgültigkeit in Bezug auf die deutlich unwahrscheinliche Todesfolge zu sehen, geht zu weit. Es käme ja auch niemand auf die Idee, einen jungen und gesunden Menschen damit töten zu wollen, ihn eine Treppe herab zu stoßen, weil jeder verständige Täter die Erfolgsaussichten eines solchen modus vivendi als viel zu gering einstufen würde.

Meine Frage bezog sich eher darauf, warum der „Autounfall“ ein Mord war und gleichzeitig der „Anschlag“ auf die Frau „nur“ Körperverletzung. Und natürlich die Relation der beiden Taten zueinander. Ob jetzt der Mord "eigentlich kein Mord war oder die „Körperverletzung“ doch ein Mordversuch, ist mir persönlich egal. Es geht mir nur um die Relation.

Und Laien dürfen ja schon in diesem „Frage-Antwort-Spiel“ (WeWeWa) schreiben. Wir befinden uns hier ja nicht im Rechtsbrett, nicht wahr…

Wenn ich das richtig verstanden habe, findest Du hier das Urteil gegen die Raser zu „streng“ und die Körperverletzung für den „Treter“ angemessen. Das kann man durchaus auch so sehen.

Bei einem Verkehrsunfall (fahrlässige Tötung) wird doch Drogen- und Alkoholeinfluss auch nicht als strafmildernd angesehen.

Beim Treppentritt fehlt aber die Absicht, den Frau zu töten und der Täter hatte auch keine Vorstellung davon, dass der Sturz tödlich hätte enden können - somit fehlt der Tötungsvorsatz.
Den Autofahrern war klar (oder hätte klar sein müssen) dass ein Unfall mit einer Person zum Tode dieser führt - es war ihnen aber egal - sog. bedingter Vorsatz.