Ist Verletzung der Ehre Verletzung der Würde?

Liebe Experten

Was ist der Unterschied zwischen einer Verletzung der Ehre und einer
Verletzung der Würde? Sind das verschiedene Demütigungen?

Mit Gruss & Dank
Rolf

Was ist der Unterschied zwischen einer Verletzung der Ehre und
einer
Verletzung der Würde? Sind das verschiedene Demütigungen?

Würde hat ein Mensch, weil er ein Mensch ist. Die Würde ist damit das Mindestmaß der gegenseitigen Achtung. Die Würde ist ein durch gesundes moralisches Empfinden objektiv definiertes Maß, lediglich bei den Formen ihrer Achtung ergeben sich unterschiedliche Interpretationen. (Was ich hier als moralisches Empfinden bezeichne, soll nicht ein Weltbild beschreiben, sondern meint das psychisch verankerte Empfinden, das uns z.B. hemmt zu töten oder zu verletzen)
Ehre hingegen geht meist über die Würde hinaus und ist Produkt subjektiver Einschätzung. In der Cosa Nostra gilt ein anderer Ehrenkodex als im Rest der Gesellschaft, islamisch geprägte Menschen haben einen anderen Ehrberiff als Christen.
Nur in wenigen Fällen billigt die Gesellschaft einem Menschen weniger Ehre zu als Würde. Verbrecher werden gemäß ihrer Würde behandelt, Ehre wird ihnen nicht zuerkannt.
Indem ich jemanden in „gewöhnlichem“ Maß beleidige verletze ich seine Ehre (Hinweis auf die Subjektivität der Ehre, schließlich fühle ich mich im Recht), die Würde ist davon noch lange nicht betroffen.

Lieber Rolf
Ja, es sind verschiedene Demütigungen.
Verletzt man die Würde eines Menschen, so relativiert man die Bedeutung seines Daseins (objektiv).
Verletzt man die Ehre eines Menschen, so relativiert man die Bedeutung seines ethischen Weltbildes (subjektiv).
Viele Grüße
Voltaire

Hallo Rolf,
diese Frage habe ich mir noch nicht gestellt, doch spontan denke ich, dass es sich um zwei verschiedene Dinge handelt. Ehre kommt einer Person durch andere Menschen zu, sie eignet ihr, also der Person, nicht selbst. Deshalb ist es möglich, dass die Ehre einer Person durch andere beschädigt wird.
Bei der Würde ist es anders. Die Würde eignet dem Individuum selbst; ein Mensch kann nicht durch andere entwürdigt oder würdevermindert werden. Sich entwürdigen kann nur die einzelne Person selbst. Sartre behauptet in diesem Zusammenhang in etwa, dass ein Mensch in widrigen Verhältnissen (Gefangenschaft, Folterbedrohung usw.) seine Würde nicht verlieren darf, was er z.B. dadurch täte, indem er sich aufgibt. Das ist jetzt hier nur grob zusammenfassend gestreift, deutet aber auch darauf hin, dass die Würde einer Person durch andere nicht beschädigt werden kann.
Analoges übrigens auch im Zusammenhang mit dem Schlagwort „Schändung, schänden“ usw. Wenn ich einen Satz höre wie: „Diese Frauen wurden geschändet“, dann dreht sich mir der Magen um wegen der krassen Ungerechtigkeit, die in einem solchen Satz enthalten ist.
Die Frauen, die in diesem Fall ja schon Opfer sind, werden hier noch zusätzlich beleidigt; eine Frau, die misshandelt wurde, ist in keiner Weise geschändet, das könnte sie nur selbst tun. Es sind vielmehr die Täter, die sich damit geschändet haben! - Hingegen kann ihre Ehre schwer beschädigt sein, allerdings natürlich nicht objektiv …, auch wenn sie zB in der Kleinstadt nicht mehr angesehen werden. Im letzten Satz ist irgendwie ein Widerspruch enthalten; muss ich mal richtig drüber nachdenken. (Wie gesagt, ist total improvisiert)
Heinrich

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Ehre als Vorrecht, Würde für alle
Liebe Experten

Ich danke für eure Vorschläge; aber es fehlen mir noch im grauen
Alltag brauchbare Definitionen von ‚Demütigung‘, ‚Ehre‘ und ‚Würde‘.

Ich habe mir nun aus den verschiedenen Angaben die folgenden
Definitionen zurecht geschustert:

‚Demütigung‘ wird aus ‚Demut‘ abgeleitet und als eine öffentliche
Beschämung* verstanden. Eine Demütigung kann Ehre und/oder Würde
eines Menschen verletzen.
http://www.calsky.com/lexikon/de/txt/d/de/demut.php

*Achtung: Nicht die Erduldung einer Demütigung ist eine ‚Schande‘,
sondern der Akt der Demütigung.

‚Ehre‘ ist das Vorrecht für ‚Hochgestellte‘, dass sie geachtet
werden. Man kann jemandem seine Ehre nehmen. Im Falle einer
‚Ehrverletzung‘ muss sich der ‚Verletzte‘ verteidigen. Verletzte Ehre
wird durch Duell, Rache, ‚Ehrenmord‘ etc wieder hergestellt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ehre

‚Würde‘ haben alle Menschen; die Würde kann man niemandem nehmen.
‚Würde‘ ist sprachgeschichtlich verwandt mit dem Begriff ‚Wert‘. Sie
bezeichnet also den moralischen Wert eines Menschen.

Auf Ehr und Gewissen, wollt ihr das so stehen lassen?

Mit freundlichen Grüssen
Rolf

Lieber Rolf
Ja, ich kann im Moment keinen Grund erkennen, meine Einlassung zu ändern.
Deine Zusammenfassung scheint logisch einwandfrei zu sein.
Nenn’ mir einen Widerspruch zu meinen Äußerungen. Ich finde ihn im Moment nicht. Muss ich zugeben.
Viele Grüße
Voltaire

Auf Ehr und Gewissen, wollt ihr das so stehen lassen?

Ich will es so stehen lassen, mit einer Einschränkung: Der Begriff der Ehre, ist kulturell stark unterschiedlich geprägt. Wie ich ihn in meiner ersten Antwort schrieb, meine ich, dass auch im mitteleuropäischen und westlichen Kulturraum fast jeder Ehre besitzt, auch wenn er nicht hochgestellt ist. Ich begründe dies damit, dass sich Mittel der Ehrverletzung, wie die Beleidigung, auf nahzu jeden anwendbar sind. Erst wenn sich jemand die Ehre durch eigenes Verschulden genommen hat oder die Allgemeinheit urteilt, dass dies der Fall wäre (wie bei der verlorenen Ehre der Katharina Blum), ist das Individuum „ehrlos“.
In welchem kulturell variablen Rahmen Ehre zuerkannt wird, wird in diesem Artikel sehr anschaulich verdeutlicht (Beispiele auf Seite 4): https://www.cia.gov/csi/kent_csi/pdf/v08i3a05p.pdf#p…