Jagdhunde & Schöffen :-)

Hallo!
Habe schon rumgegugelt, bin mir aber nicht schlüssig geworden. Habe die Situation, dass (Mitte 1300) Schöffen sich an die Verfolgung von zwei Mordbuben machen, einer nimmt seine „drei besten Hunde“ mit. Man verfolgt die Flüchtigen zu Pferde und a tempo einen ganzen Tag lang in bergiges Gelände. Als man ihnen nahe kommt, lässt man die drei Hunde los, die bellend der Spur folgen und sich, als sie der Männer ansichtig werden, sofort auf sie stürzen.

Ich würde denken, bei den Hunden handelt es sich um Bracken, schon wegen des Gebells auf der frischen Fährte. Aber gehen Bracken das aufgespürte Wild an, hier sogar zwei Menschen? Ich dachte, es wären hauptsächlich suchende Hunde? Die schweren, doggenähnlichen „Packer“ hätten hingegen nicht so lange und so schnell laufen können?

  1. Frage: Hätte ein Dorf, das sechs Schöffen stellt, nicht auch einen Schulzen? Und kann man annehmen, dass in einem solchen Dorf (bei einem Gutshof mit Gutsherren) nur freie Bauern wohnen?

Gruß,
Eva

Hallo newcallas!

Habe schon rumgegugelt, bin mir aber nicht schlüssig geworden.
Habe die Situation, dass (Mitte 1300) Schöffen sich an die
Verfolgung von zwei Mordbuben machen,

ich nehme mal an, Du sprichst von einem Roman … nicht einer historischen Urkunde, oder zumindest :einem Sachbuch

einer nimmt seine "drei

besten Hunde" mit. Man verfolgt die Flüchtigen zu Pferde und a
tempo einen ganzen Tag lang in bergiges Gelände.

… was für die Pferde heißt: Schritt, höchstens Trab. Ein Pferd ist keine Ziege. Hunde dagegen haben mit bergigem Gelände eher kein Problem. Zum Vergleich: Polnische Wölfe werden neuerdings durchaus im Bereich Thüringer Wald gesichtet … ohne, dass sie ihr Heimatrevier verlassen hätten. Trainierte Hunde sollten also ebenfalls locker 50km pro Tag laufen.
Nicht die Strecke, die ein Mordbube unbedingt schafft. Für Menschen gilt circa 30km am Tag gemütlich, d.h. in der Ebene, ohne Hast und ohne Gepäck.

Als man ihnen
nahe kommt, lässt man die drei Hunde los, die bellend der Spur
folgen und sich, als sie der Männer ansichtig werden, sofort
auf sie stürzen.

Polizeihunde sind auch darauf trainiert, sich auf Menschen zu stürzen … wenn ihre Herrchen, ihnen das anschaffen!

Ich würde denken, bei den Hunden handelt es sich um Bracken,
schon wegen des Gebells auf der frischen Fährte.

zumindest gab es 1300 schon Bracken. Siehe der Tod von Sigunes Liebsten im Parsifal.

Aber gehen
Bracken das aufgespürte Wild an, hier sogar zwei Menschen?

Alle Hunde gehen ihre Beute an, es sei denn, Du gewöhnst es ihnen ab.

Ich
dachte, es wären hauptsächlich suchende Hunde?

Verwechsle nicht Dressurleistung mit natürlichem Verhalten.

Die schweren,
doggenähnlichen „Packer“ hätten hingegen nicht so lange und so
schnell laufen können?

Ich frage mich viel eher, wieso es einen ganzen Tag dauert zu Pferd und mit Hund drei Menschen zu stellen. Vierfüßer sind immer ausdauernder als Zweifüßer.

  1. Frage: Hätte ein Dorf, das sechs Schöffen stellt, nicht
    auch einen Schulzen?

Gegenfrage - muss sich ein Autor damit zwingend auskennen? Bei so manchem historischen Schinken, den ich lese, stellt sich mir - und ich sage in pseudomittelalterlicher Sprache bleiben wahrlich- diese Frage. Gab es 1300 bereits (amtlich) bestallte Schöffen?

Und kann man annehmen, dass in einem
solchen Dorf (bei einem Gutshof mit Gutsherren) nur freie
Bauern wohnen?

wiederum - wenn sich der Autor die dichterische Freiheit nimmt, oder keinen Kopf gemacht hat, muss man wohl!
Stadtluft macht frei, das weißt Du doch.
Insoweit … ich vermute mal, Leibeigenschaft wurde in Preußen z.B. erst um 1800 abgeschafft … eher nein, keine freien Bauern! Aber hilft das?

viele grüße
Geli

Re^2: Jagdhunde & Schöffen :smile:
Hallo, Geli!

ich nehme mal an, Du sprichst von einem Roman … nicht einer
historischen Urkunde, oder zumindest :einem Sachbuch

Roman - richtig! Aber im Anhang belegt mit zahlreichen historischen Quellenangaben. Man könnte also voraussetzen, dass der Autor sich auskennt oder zumindest - natürlich im Rahmen dichterischer Freiheit :wink: - historische Genauigkeit anstrebt.

einer nimmt seine "drei

besten Hunde" mit. Man verfolgt die Flüchtigen zu Pferde und a
tempo einen ganzen Tag lang in bergiges Gelände.

Nicht die Strecke, die ein Mordbube unbedingt schafft. Für
Menschen gilt circa 30km am Tag gemütlich, d.h. in der Ebene,
ohne Hast und ohne Gepäck.

Die Flüchtigen haben etliche Stunden Vorsprung, sind mit Wagen & Pferd unterwegs. Erst geht’s über Ebene, dann in bergiges Gelände.

Polizeihunde sind auch darauf trainiert, sich auf Menschen zu
stürzen … wenn ihre Herrchen, ihnen das anschaffen!

Aber Bracken - Jagdhunde - sollten das Wild nicht angreifen. Erlegen wollte Mensch es schon selbst. Sogar die „Packer“ sollten das Wild nicht töten, sondern nur festhalten, bis der Jäger bei ihnen war. Zumindest laut Seiten bei Google. Also werden die Bracken darauf trainiert gewesen sein, Wild zu stellen, nicht zu beißen :smile:

zumindest gab es 1300 schon Bracken. Siehe der Tod von Sigunes
Liebsten im Parsifal.

http://mygermanyonline.com/waldtrainingonline/2008/j…

http://www.sabinemiddelhaufeshundundnatur.net/hunder…

Alle Hunde gehen ihre Beute an, es sei denn, Du gewöhnst es
ihnen ab.

Jagdhunden gewöhnt man es ab. Auch der Vorstehhund soll nicht zubeißen; Apportierhunde haben ein extra „weiches“ Maul, damit sie das Geflügel (Ente etc.) nicht verletzen.

Verwechsle nicht Dressurleistung mit natürlichem Verhalten.

Die Bracke als jagdlicher Hund hat kein natürliches Verhalten, oder vielmehr, wird in ihrem natürlichen Verhalten so konditioniert, dass es für den Menschen nützlich ist.

Ich frage mich viel eher, wieso es einen ganzen Tag dauert zu
Pferd und mit Hund drei Menschen zu stellen. Vierfüßer sind
immer ausdauernder als Zweifüßer.

s.o.

  1. Frage: Hätte ein Dorf, das sechs Schöffen stellt, nicht
    auch einen Schulzen?

Gab es 1300 bereits (amtlich)

bestallte Schöffen?

http://u0028844496.user.hosting-agency.de/malexwiki/… etc.

Insoweit … ich vermute mal, Leibeigenschaft wurde in Preußen
z.B. erst um 1800 abgeschafft … eher nein, keine freien
Bauern! Aber hilft das?

http://de.wikipedia.org/wiki/Freisasse

Wie weit ein Autor die dichterische Freiheit treibt, ist natürlich ihm überlassen, ich will auch gar nicht beckmessern. Mir geht es hauptsächlich um Auswahl bei der Wortwahl :wink: Je mehr ich über die Hintergründe und Umstände einer Situation weiß, desto freier kann ich mich ausdrücken, was wichtig ist, wenn man nicht textnah übersetzen kann, weil das Original einfach zu spröde ist.

Gruß,
Eva

Hallo Eva

Vorneweg, ich bin kein Mittelalterexperte und nur per Zufall reingestolpert. Immerhin kenn ich mich mit Jagd und Tieren recht gut aus.
Bracken werden seit (Hoch-)Mittelalter bis Heute zum Stöbern eingesetzt, d.h. sie sollen verstecktes Wild finden und hochmachen, also in Bewegung setzen (daneben werden sie sehr oft für die Fährtenarbeit und Nachsuche auf verletztes Wild eingesetzt). Das Wild soll gemächlich und nicht panisch aus seinem Einstand ziehen (das Versteck verlassen) und zum Jäger gedrückt werden. Dazu braucht es kleinere intelligente Hunde, die nicht zu schnell sind, da das Wild sonst sehr schnell rennt und nicht sauber geschossen werden kann. Eine Bracke ist demnach eher klein - und stürzt sich NIEMALS auf einen Menschen. Oder anders gesagt - stell dir vor, ein Dackel (ist maximal 10cm kleiner) würde einen ausgewachsenen Menschen angreifen. Macht er nicht, dafür ist er zu intelligent.

Gruß
Andreas

Eine Bracke ist
demnach eher klein - und stürzt sich NIEMALS auf einen
Menschen.

Hallo, Andreas!

Danke für Deine sehr informative Antwort. Jemand hat Dir schon ein Sternchen gegeben, kriegst von mir noch eins :smile:

Geli hat richtig angemerkt, dass die Verfolger wohl nicht allzu schnell geritten sein werden, zumal angemerkt wurde, sie hätten sich die Pferde im Dorf zusammengeborgt, folglich mussten sie sich nach dem langsamsten Tier richten. Auch schwere Hetzhunde für die Jagd auf Bären, Wildschweine, Wölfe konnten da vermutlich Schritt halten und die passen schon besser zu dem Bild von Hunden, die sich auf bewaffnete Männer stürzen.

Oder anders gesagt - stell dir vor, ein Dackel (ist
maximal 10cm kleiner) würde einen ausgewachsenen Menschen
angreifen. Macht er nicht, dafür ist er zu intelligent.

Ehrlich? Es geht doch das Gerücht, dass die kleinen frechen Kerle gern mal die Zähne ins stammte Waderl schlagen …?

Gruß,
Eva

interessanter Link
Hallo!
http://books.google.de/books?id=hEI9AAAAYAAJ&pg=PA39…

Leider ist das Buch nicht mehr zu kriegen, nur in einem Katalog aufgeführt - für 880,00 Euro …

Gruß,
Eva

Hallo Newcallas

Danke für Deine sehr informative Antwort. Jemand hat Dir schon
ein Sternchen gegeben, kriegst von mir noch eins :smile:

Danke sehr, gern geschehen.

Geli hat richtig angemerkt, dass die Verfolger wohl nicht
allzu schnell geritten sein werden, zumal angemerkt wurde, sie
hätten sich die Pferde im Dorf zusammengeborgt, folglich
mussten sie sich nach dem langsamsten Tier richten. Auch
schwere Hetzhunde für die Jagd auf Bären, Wildschweine, Wölfe
konnten da vermutlich Schritt halten und die passen schon
besser zu dem Bild von Hunden, die sich auf bewaffnete Männer
stürzen.

Seit dem Mittelalter haben sich die Jagdmethoden mehrfach grundlegend geändert, während sich die Hunde im Aussehen nicht so sehr veränderten. Ich vermute, daß man bei geänderter Jagdstrategie einfach zu einer anderen Rasse griff. Für die Jagd auf Bär (im Mittelalter schon selten) und Wildschwein brauchte man große und kräftige Hunde, die die Tiere packen konnten. Der Jäger erlegte das Wild mit dem Spieß oder Schwert. Heute verwendet man wie gesagt kleine Hunde und schießt (bei Drückjagten) auf Distanzen zwischen 20-50m.

Zu den Parforce-Ritten im Barock waren Laufhunde sehr beliebt,(nicht allzu-) schnelle und ausdauernde Hunde, die in Meute laut das Wild hetzen, die Jäger entweder hinterher oder an einem strategisch passenden Punkt. Ging es um die Fuchsjagd, wurden die kleinen Erdhunde (wie der Dackel) in einer Satteltasche mitgeführt. Ging der Fuchs in den Bau, kahm der noch frische Dackel aus der Tasche. Dann dauert es ein paar Minuten und die Hetzjagd kann weitergehen bis der Fuchs zusammenbricht - es hat Gründe, warum die Jagdart bei uns verboten ist.

Oder anders gesagt - stell dir vor, ein Dackel (ist
maximal 10cm kleiner) würde einen ausgewachsenen Menschen
angreifen. Macht er nicht, dafür ist er zu intelligent.

Ehrlich? Es geht doch das Gerücht, dass die kleinen frechen
Kerle gern mal die Zähne ins stammte Waderl schlagen …?

Eigendlich sind die Dackel zwar dickköpfig aber harmlos. Bei den noch kleineren Hunden (z.B. Yorkshire-Terrier) sind seltsam agressive Tiere häufig. Ich denke, das hat damit zu tun, daß die Besitzer bei ihrem süßen kleinen Putzilein nicht von der Notwendigkeit einer Grunderziehung überzeugt sind.
Meine beiden Collies sind jedenfalls immer höchst irritiert, wenn sie auf solche Hunde treffen. Möglicherweise bezweifeln sie die Artzugehörigkeit. Aber das führt jetzt zuweit vom Thema weg.

Gruß
Andreas

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Bei
den noch kleineren Hunden (z.B. Yorkshire-Terrier) sind
seltsam agressive Tiere häufig.

Hallo!
Wusstest Du, das Yorkis früher als Kampfhunde galten? Da waren sie allerdings noch nicht so klein wie heute. Man ließ sie gegen Ratten antreten und Sieger war der, der die meisten Ratten killte.

Vielleicht erinnern sich manche der Knirpse noch dumpf an ihre kriegerische Vergangenheit :smile:

Danke und Gruß,
Eva